Maria Theresia und die politischen Pläne mit ihren 16 Kindern


Niemand behauptet, sie hätte ihre Kinder nicht geliebt. Aber noch wichtiger als die Liebe zu ihnen muss ihre Pflichterfüllung gegenüber Habsburg gewesen sein. In ihren Nachkommen sah sie ein politisches Kapital. Mit ihnen konnte sie Bündnispolitik betreiben und ihr Reich davor bewahren, von den Grossmächten Europas geschluckt zu werden. Also verheiratete die «Schwiegermutter Europas» ihre Kinder so, dass bald alle mit Habsburg verbandelt waren.

 

Sie muss gewusst haben, dass das vor allem für ihre Töchter mit viel Leid verbunden war. So schrieb sie über Maria Josepha, die sie dem Kronprinzen von Neapel, Ferdinand I, zur Frau geben wollte:

 

 

«Ich betrachte die arme Josepha als

ein Opfer der Politik. Wenn sie übrigens nur ihre Pflichten gegen Gott und ihren Gatten erfüllt und für ihr Seelenheil

sorgt, dann würde ich zufrieden sein, selbst wenn sie unglücklich wäre.»

 

 

Das mag hartherzig klingen. Aber Maria Theresia gewichtete das Wohl Habsburgs höher als das Wohl ihrer Töchter. In ständiger Angst vor Preussens Friedrich II «dem Grossen», der ihrem Reich schon Schlesien abgezwackt hatte, wollte sie kein weiteres Territorium mehr abgeben. Sie suchte nach neuen Bündnissen. Und sah den Idealfall in einer Allianz mit den Bourbonen, also mit Frankreich, Spanien, Neapel-Sizilien und Parma.

 

Ihr erster Coup war 1760 die Verheiratung von Sohn Joseph II mit Isabella von Bourbon-Parma. Fünf Jahre später war Peter Leopold dran: Er ehelichte Maria Ludovica, Tochter des spanischen Königs Carlos III aus dem Hause Bourbon. 1769 zwang Maria Theresia ihre Tochter Maria Amalie in eine Ehe mit Ferdinand von Bourbon-Parma. Und schliesslich folgte die berühmteste aller Verbindungen zu den Bourbonen: Maria Antonia, die spätere Marie-Antoinette, zog in Versailles ein, als Gemahlin von Louis XVI.

 

Damit hatten sich in Europa die Allianzen komplett verschoben. Aus der Dauerfeindschaft Österreich-Frankreich wurde ein Bund, der entsprechende Vertrag datiert von 1756. Dafür schlossen sich neu Preussen und England zusammen.

 

Der klare Gewinner der Allianzverschiebung war Preussen: Friedrich der Grosse behielt Schlesien, ganz zum Ärger von Maria Theresia. Aber eines war ihr gelungen: Ihre Kinder sassen jetzt an den Höfen von halb Europa. Und sie hatte sich den Titel «Schwiegermutter von Europa» redlich verdient.

 

 

 

Familie

 

Die kaiserliche Familie. Franz Stephan und
Maria-Theresia sitzend, Joseph II im Stern stehend.

1754. Martin van Meytens (1695-1770).

Schloss Schönbrunn.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Martin van Meytens
(1695-1770).

 

1 – Maria Elisabeth (1737-1740)

 

Die Freude ist zunächst gross, dass Maria Theresia schon im ersten Jahr ihrer Ehe schwanger ist. Als dann aber Maria Elisabeth im Februar 1737 zur Welt kommt, hält sich der Jubel in Grenzen. Man hätte sich im Hof einen Sohn gewünscht. Einen Thronfolger, nach dem auch das Volk ruft. Das kleine lebhafte Mädchen, das gern mit seinem Grossvater Kaiser Karl VI spielt, wird nur drei Jahre alt und stirbt an einer unbekannten Krankheit.

 

 

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Martin van Meytens. Schloss Schönbrunn.

 

2 – Maria Anna (1738-1789)

 

Sie kommt charakterlich ganz nach dem Papa und zeigt stark intellektuelle Züge. Sie leidet aber an einer krankheitsbedingten Fehlbildung des Brustkorbes und wird deshalb von Mama als «nicht geeignet für eine Verheiratung» betrachtet. Sie bleibt bis zum Tod von Maria Theresia 1780 bei ihrer Mutter am Hof. Danach verbringt sie ihren Lebensabend im Kloster der Elisabethanerinnen in Klagenfurt, deren grosse Förderin sie wird.

 

 

3 – Maria Karolina (1740-1740)

Sie stirbt noch als Säugling.

 

 

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Joseph Hickel (1736-1807). Schloss Gripsholm

 

4 – Joseph II (1741-1790)

 

Mit Joseph kommt endlich der lang ersehnte männliche Erbe zur Welt. Mit dem Tod seines Vaters 1765 wird er Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Aber schon vorher hat Maria Theresia mit ihm eine politisch hoch brisante Heirat eingefädelt. Joseph heiratet 1760 Isabella von Bourbon-Parma. Sie ist eine Enkelin des französischen Königs Louis XV. Damit wird eine neue Allianz eingeläutet, die ganz Europa auf den Kopf stellt: Das Bündnis Österreich-Frankreich.

 

 

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Marcello Bacciarelli
(1731-1818). Kunsthistorisches Museum Wien.

 

5 – Maria Christina (1742-1798)

 

Es heisst, sie sei die Lieblingstochter Maria Theresias. Durchaus denkbar, denn als einziges der Kinder wird sie nicht nach politischem Kalkül verheiratet. Sie darf sich den Gatten aussuchen und wählt den Herzog Albert von Sachsen-Teschen (1738–1822).

 

Dieser ist Statthalter in Ungarn und später Gouverneur in den österreichischen Niederlanden. In Brüssel baut er sich eine bedeutende Kunstsammlung auf. Die kunstsinnige Maria Christina unterstützt ihn dabei. Sie selbst soll eine talentierte Zeichnerin gewesen sein. Die Kunstsammlung der beiden bildet später die Grundlage für die >Albertina in Wien.

 

 

 

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Foto Wikimedia. Künstler unbekannt.

 

6 – Maria Elisabeth Josepha (1743-1808)

 

Sie entwickelt sich zu einer Schönheit und spielt deshalb in den Verheiratungsplänen der Kaiserin eine gewichtige Rolle. Aber dann erkrankt sie an Pocken – das Ende einer Beauty. Sie bleibt unverheiratet. 1781 bis 1806 leitet sie als Äbtissin das Stift in Innsbruck. Im Volksmund wird sie «kropferte Liesl» genannt, weil sie neben den Pockennarben im Alter auch noch einen Dreifachkropf bekommt und zudem stark übergewichtig ist.

 

 

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Foto Wikimedia. Künstler unbekannt.

 

7 – Karl Joseph (1745-1761)

 

Der zweite Sohn. Mamas Liebling. Intelligent und charmant, viel liebenswürdiger als der Kronzprinz Joseph, der als verschlossen und eigensinnig gilt. Die beiden Brüder verbindet eine gesunde Rivalität. Doch Karl Joseph fällt der Pockenepidemie zum Opfer. Er stirbt als Teenager im Alter von 16 Jahren – ein schwerer Schlag für die Eltern und den gesamten Hof.

 

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Martin van Meytens
(1695-1770).
Schloss Schönbrunn.

 

8 – Maria Amalie (1746-1804)

 

Mit ihr hat Maria Theresia ganz konkrete Pläne. Sie sucht die Annäherung ans Haus der Bourbonen. Maria Amalie soll sich diesem Ziel unterordnen und den Herzog Ferdinand von Bourbon-Parma heiraten – einen Enkel von Louis XV. Das Töchterchen will partout nicht. Sie widersetzt sich ihrer Mutter heftig – aber erfolglos. Die Heirat findet schliesslich 1769 doch statt. Über Monate hinweg verweigert Maria Amalie am Hof in Parma den Vollzug der Ehe. Und verbittert löst sie alle Beziehungen zu ihrer Mutter auf. Mit Ferdinand hat sie schliesslich doch noch sieben Kinder.

 

 

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Johann Daniel Donat (1744-1830). Schloss Schönbrunn.

 

9 – Peter Leopold (1747–1792)

 

Der dritte Sohn. Zunächst hat er wenig Chancen auf einen Thron. Nach dem frühen Tod seines Bruders Karl Joseph geht aber die Anwartschaft auf den Titel eines Grossherzog der Toscana auf ihn über. Im gleichen Jahr (1765) heiratet er Maria Ludovica, Tochter des spanischen Königs Carlos III aus dem Hause Bourbon. Damit werden die Bande zwischen Habsburg und den Bourbonen weiter gestärkt. Nach dem Tod Josephs II 1790 wird Peter Leopold selbst Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, stirbt aber zwei Jahre nach der Krönung.

 

 

 

10 – Maria Karoline (1748-1748)

Stirbt kurz nach der Geburt.

 

 

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Martin van Meytens
(1695-1770).
Hofburg Wien.

 

11 – Johanna Gabriella (1750-1762)

 

Sie stirbt im Alter von 12 Jahren an der Pockenepidemie, die in Wien wütet. Zuvor kommt aber noch eine Verlobung zwischen ihr und König Ferdinand III von Sizilien und Neapel zustande, die Maria Theresia mit Spaniens König Carlos III einfädelt.

 

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Anton Raphael Mengs (1728-1779). Museo del Prado, Madrid.

 

12 – Maria Josepha (1751-1767)

 

Auch sie wird ein Opfer der Pocken und stirbt mit 16 – kurz bevor sie den neapolitanischen Kronprinzen Ferdinand I heiraten sollte. Dass das keine gute Wahl für ihre Tochter ist, erkennt sogar die Mutter. Sie schreibt: «Ich betrachte die arme Josepha als ein Opfer der Politik. Wenn sie übrigens nur ihre Pflichten gegen Gott und ihren Gatten erfüllt und für ihr Seelenheil sorgt, dann würde ich zufrieden sein, selbst wenn sie unglücklich wäre.»

 

 

maria-karolina

Anton Raphael Mengs (1728-1779). Museo del Prado, Madrid.

 

13 – Maria Karolina (1752-1814)

 

Das dreizehnte Kind Maria Theresias – und diesmal klappt es mit der Verbindung zu den Bourbonen. Maria Karolina übernimmt die ihr zugedachte Rolle, heiratet Ferdinand und erweist sich als streitbare Königin von Neapel und Sizilien. Aber nicht nur das. Sie ist eine wahrhaftige Tochter Maria Theresias und übertrifft diese noch punkto Gebärfreudigkeit: sie bringt sogar 18 Nachkommen zur Welt.

 

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Foto Wikimedia. Künstler unbekannt.

 

14 – Ferdinand Karl Anton (1754-1806)

 

Seine Aussichten auf eine Thronfolge sind gering, weil seine Brüder weit vor ihm stehen. Dafür wird er schon im Kindesalter mit der Tochter des Herzogs von Modena, Maria Beatrice d’Este (1750–1829), verlobt. Bei der Hochzeit 1771 in Mailand ist er gerade mal 17-jährig. Zu diesem Anlass schreibt der noch jüngere Mozart die Oper «Ascanio in Alba».

 

 

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Joseph Ducreux (1735-1802). Schloss Versailles.

 

15 – Maria Antonia (1755-1793)

 

Die Welt kennt sie als Marie-Antoinette. Sie ist 15, als sie 1770 mit dem französischen Thronfolger Louis Auguste in eine politische Ehe gedrängt wird. Die Sitten am Hof von Versailles sind ihr fremd, sie leidet. 1774 besteigt das Paar den Königsthron, zunächst gefeiert, dann kritisiert, weil noch keine Nachkommen da sind.

 

1778 kommt endlich ein Kind zur Welt, aber es ist ein Mädchen. Marie-Antoinette wird vor allem wegen ihrer Verschwendungssucht am Hof kritisiert. Sie sei spielsüchtig und habe Affairen. Im Volk ist sie unbeliebt. Nach der Revolution von 1789 flieht die Königsfamilie von Versailles nach Paris, Louis XVI wird der Prozess gemacht, er wird im Januar 1793 hingerichtet. Marie-Antoinette wirft man Hochverrat und Unzucht vor. Sie folgt ihrem Gemahl aufs Schafott und stirbt am 16. Oktober 1793.

 

 

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Anton van Maron (1733-1808). Schloss Versailles.

 

 

16 – Maximilian Franz (1756-1801)

 

Er ist das letzte Kind Maria Theresias. Aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit wird er für eine geistliche Laufbahn ausersehen. Er schafft es zum Erzbischof und Kurfürsten von Köln und zum Hochmeister des Deutschen Ordens. 

 

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