Gustave Courbet (1819-1877)


Sein Realismus ist legendär. Courbet ist die führende Figur dieser Kunstform. Er setzt sie so kompromisslos um, dass sie Skandale verursacht und dem Künstler Kritik und Ärger einträgt.

 

 

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Gustave Courbet by Nadar,

1860. Gallicia Digital Library.

 

 

Mit zwanzig schreibt sich der bei Besançon geborene Courbet in Paris an der juristischen Fakultät ein, stellt aber bald fest, dass Jurisprudenz nicht sein Ding ist. Da studiert er lieber im Louvre Meisterwerke von Tizian, Rubens und Rembrandt. Von den Franzosen gefallen ihm Géricault und Delacroix. Aber weder bei den Klassikern noch bei den Romantikern kann er das finden, was ihm vorschwebt:

 

Eine Form von Realismus, der die echte, die reale Welt abbildet. Er muss diesen Stil selbst kreieren. Mit dem Bild «Die Steineklopfer» (Spalte rechts) von 1849 macht er einen ersten Versuch, aber es hagelt Kritik – wer will schon schwitzende Arbeiter beim Steineklopfen sehen. Aber Courbet bleibt dran.

 

 

Gustave Courbet (1819-1877). Begräbnis in Ornans, 1849-50. Musée d'Orsay Paris.

 

 

1850 folgt «Ein Begräbnis in Ornans», von dem die Jury des >Salon de Paris behauptet, es verletze religiöse Gefühle und deshalb das 3 x 7 Meter grosse Werk ablehnt. Dabei ist es nur eine realistische Darstellung einer Beerdigung.

 

Schliesslich setzt sich Courbet durch und findet einen Förderer – den Kunsthändler Alfred Bruyas, der ihn unterstützt und seine Werke kauft. Ab 1853 kann er von der Kunst leben. Und es sich sogar leisten, für die Weltausstellung von 1855 einen eigenen «Pavillon du Réalisme» einzurichten. Dort zeigt er vierzig Arbeiten und wird gefeiert.

 

Nur mit dem Salon de Paris harzt es weiter – dort verweigert man ihm die ersehnte Anerkennung nach wie vor, viele seiner Werke werden einfach zu provokativ empfunden. Wie das Skandalbild «Origine du monde» von 1866.

 

Nach dem verlorenen Krieg gegen Deutschland von 1870/71 und der Absetzung von >Napoleon III stürmen Volksmassen das Parlament, stürzen die Regierung und richten die «Pariser Kommune» ein. Courbet wird zum Präsidenten der Republikanischen Kunstkommission gewählt. Und dann auch noch zum Stadtrat und zum Mitglied der Pariser Kommune.

 

Doch die politschen Ereignisse gehen weiter. Die Kommune wird wieder gestürzt. Und Courbet angeklagt, er hätte sich an der Zerstörung der «Colonne Vendôme» beteiligt (eine Siegessäule von Napoleon I auf der Place Vendôme in Paris). Man steckt ihn für sechs Monate ins Gefängnis. Als die Regierung 1873 für die zerstörte Siegessäule auch noch über 335'000 Francs Schadenersatz verlangt, flieht Courbet in die Schweiz.

 

Er realisiert, dass er mit dem Verkauf von Bildern diese gewaltige Summe niemals aufbringen kann. Er malt zwar weiter, hat in der Schweiz auch noch einige Ausstellungen, bringt aber nichts mehr Grosses zustande. Nach und nach wird er depressiv, verfällt dem Alkohol.

 

Das anstehende Gerichtsverfahren und die Schuldenlast setzen ihm zu, er erkrankt. Am 31. Dezember 1877 stirbt er an einem Herzversagen im schweizerischen La Tour-de-Peilz. Dort wird er zunächst beigesetzt. 100 Jahre später, 1977, werden seine Gebeine in sein Heimatort überführt, nach Ornans bei Besançon.

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Gustave Courbet (1819-1877).

Das Atelier des Künstlers, 1855.

Musée d'Orsay, Paris.

 

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Gustave Courbet (1819-1877). Selfie mit Hund, 1842.Musée des Beaux-Arts, Petit Palais, Paris.

 

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Le désesperé,
1843. Privat-sammlung. Foto Wiki Commons.

 

 

1841: Erste Selbstbildnisse

 

Eigentlich möchte er gerne beim >Salon de Paris Anerkennung finden, reicht 20 Gemälde ein. Davon werden nur drei angenommen, eines davon ist sein Selfie mit Hund. Dieses enthält noch alle Kriterien der akademischen Kunst. Der Gesichtsausdruck des Künstlers ist jedoch schon ungewöhnlich real.

 

Im Gemälde «Le désesperé» (Der Verzweifelte) arbeitet der junge Künstler an seinem Geschick, Emotionen in realistischer Form einzufangen. Er stellt sich dabei selbst dar, Haare raufend und mit entsetztem Gesicht.

 

Vielleicht zeigt er auch seine damalige Stimmung beim Kampf um die verzweifelte Suche nach seiner eigenen Handschrift. Und um Anerkennung als Maler.

 

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Gustave Courbet (1819-1877).
Die Steinklopfer, 1849. Kopie im Albertinum Dresden. Das Original gilt als verschollen.

 

1849: Courbets realistischer Realismus

 

Schluss mit der akademischen Malerei. Courbet geht aufs Ganze und bildet jetzt die reale Welt des Arbeiterlebens ab. «Ich male das, was ich sehe!» sagt er. Skandal –ruft die (akademische) Elite. In der Kunst will man doch schöne Dinge sehen und nicht schwitzende Arbeiter. Keine Unterklasse, die einen noch vor Augen hält, wie mühsam arbeiten ist. Aber nicht nur die Elite ist entsetzt, auch seine Malerkollegen – vor allem die Salonmaler – finden seine Arbeit unangebracht.

 

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Les Baigneuses, 1853. Fabre
Museum Montpellier.

 

 

1853: Durchbruch und Anerkennung

 

Mit dem Gemälde der «Baigneuses», die sehr real daherkommen, hat Courbet Erfolg. Ein Kunstsammler aus Montpellier, Alfred Bruyas (1821-1877), kauft ihm dieses Bild nicht nur ab, sondern wird auch sein Förderer. Von nun an kann Courbet von seiner Kunst leben.

 

Und es kommt noch besser: Schon ein Jahr später wird er auch international anerkannt und bekommt Ausstellungen in Berlin und Wien.


 

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Gustave Courbet (1819-1877).
Das Atelier des Künstlers, 1855. Musée d'Orsay,
Paris.
Format 4 x 6 Meter.

 

 

 

1855: Auf dem Höhepunkt

 

Die französische Regierung lädt den Künstler ein, für die Weltausstellung 1855 Gemälde einzureichen, möchte aber vorher Entwürfe sehen. Courbet weigert sich.

 

Die Jury der Weltausstellung akzeptiert elf Courbet-Werke, lehnt aber «Das Atelier des Künstlers» ab. Aus der Sicht der Jury aus gutem Grund: Einige der gezeigten Figuren (Arbeiter und Bettler) repräsentieren die Armut. Das ist weder im Sinn der Akademie noch jener der Jury der Weltausstellung. Courbet selbst sagt zu dem Bild: «Die Welt kommt in mein Atelier, um sich malen zu lassen». Damit meint er alle Menschen – nicht nur Könige, die feine Gesellschaft und Geistliche.

 

Courbet richtet daraufhin seinen eigenen Pavillon ein, den «Pavillon du Réalisme». Unterstützt wird er dabei von seinem Förderer Alfred Bruyas, einem Kunstsammler und Mäzen aus Montpellier. In Courbets «Pavillon du Réalisme» werden 40 Gemälde gezeigt, zusätzlich zu den elf Werken, die er an der Weltausstellung 1855 präsentieren kann.

 

 

 

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Gustave Courbet (1819-1877). L'origine du
monde, 1866. Musée d'Orsay, Paris.

 

1866: Das berühmteste Skandalbild

 

Dieses Gemälde haben nur wenige zu Gesicht bekommen – aber darüber gelästert haben alle. Das Skandalbild schlechthin. Es ist eine Auftragsarbeit für den osmanischen Diplomaten und Kunstsammler Halil Serif Pascha – ein Fan von Aktbildern. Nun besitzt er auch «L'Origine du monde», aber zeigen darf er es nicht. Es ist nicht gesellschaftsfähig. Als Pascha 1868 in finanzielle Nöte gerät, muss er seine Sammlung versteigern lassen. Nun geht das Bild auf eine abenteuerliche Reise und wechselt mehrmals den Besitzer.

 

Wer immer es besitzt – das Gemälde muss ständig versteckt oder verdeckt werden. Man verpasst ihm Abdeckungen, übermalte Schutzrahmen, Doppeltüren mit Schlössern. Das Bild reist von Paris nach Budapest. Während des Zweiten Weltkrieges liegt es dort in einem Banktresor und entgeht so der Zerstörung durch die Nazis.

 

Dann gelangt es auf den Schwarzmarkt. Vom neuen Käufer wird es zurück nach Frankreich geschmuggelt – versteckt nach allen Regeln der Kunst. Auch er zeigt das Bild nur in engstem Kreis.

 

1955 geht das Bild an den Psychoanalytiker Jacques Lacan und seine Ehefrau, die Schauspielerin Sylvia Bataille. Auch im 20. Jahrhundert ist es immer noch ein Skandalbild: Die Lacans verstecken es hinter einem Doppelrahmen, auf dem eine harmlose Landschaft aufgepinselt ist.

 

Nach Lacans Tod kommt das Bild erneut auf den Markt. Es wird 1988 erstmals im Brooklyn Museum in New York der Öffentlichkeit gezeigt, und seit 1995 hängt es im Musée d'Orsay in Paris. Endlich ohne Abdeckung. Aber zu reden gibt es bis heute.

 

 

 
lesbenpaarGustave Courbet (1819-1877).
Le sommeil,
1866. Musée des Beaux-Arts, Paris.

 

1866: Noch ein Skandalbild

 

Mit dem Bild «L'Origine du monde» (siehe oben) verursacht Courbet 1966 den grössten Skandal. Das hält ihn aber nicht davon ab, weiter zu provozieren. Diesmal mit einer Darstellung lesbischer Liebe.

 

In diesem Gemälde, das er mit «Le sommeil» betitelt, zeigt er zwei Frauen beim Liebesspiel – an Realismus kaum zu überbieten. Es ist heute in Paris im Petit Palais zu sehen, im Musée des Beaux-Arts.

 

 

 

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Sonnenuntergang
am Genfersee,
1876.
Kunstmuseum
St. Gallen.

 

 

1876: Letzte Jahre am Genfersee

 

Seine Betätigung in politischen Belangen – als Mitglied der Pariser Kommune – holt ihn ein. Die französische Regierung wirft ihm vor, an der Beschädigung einer Napoleon-Siegessäule beteiligt gewesen zu sein («Colonne Vendôme» in Paris) und betreibt ihn mit einer Schadenersatzforderung von horrenden 335'000 Francs.

 

Courbet weiss, dass er diese Riesensumme nie mit dem Verkauf von Gemälden wird erarbeiten können. Er flieht 1873 in die Schweiz an den Genfersee. Dort malt er zwar weiter, wird aber depressiv und alkoholabhängig.

 

Er stirbt Am 31. Dezember 1877 an Herzversagen in La Tour-de-Peilz.

 

 

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