Ausstellung «Kader Attia, Remembering the Future»
Kunsthaus Zürich vom 11.8. bis 15.11.2020

 

Kunst und Kolonialismus


Kader Attia wird 1970 als Sohn algerischer Eltern in Dugny/Saint-Denis bei Paris geboren. Er wächst in zwei Welten auf: in Frankreich und in Algerien. Die Erfahrung eines Lebens in zwei Kulturen nutzt der heute in Berlin und Paris arbeitende Künstler als Ausgangspunkt für seine bildnerische Arbeit, die sich vor allem mit der Problematik des Kolonialismus auseinander setzt.

 

 

Ausstellungsplakat

 

 

Seine erste künstlerische Ausbildung holt er sich ab 1991 an der École Duperré in Paris, bevor er zu weiteren Studien nach Barcelona zieht. Von 1996 bis 1998 studiert er wieder in Paris an der École nationale supérieure des arts décoratifs. In dieser Zeit hat er auch seine ersten Einzelausstellungen in Paris und in Brazzaville (Kongo).

 

Im Zentrum der Ausstellung stehen vor allem Videoinstallationen. Eine davon, «Les entrelacs de l’objet», hat Attia speziell für das Kunsthaus Zürich realisiert. Darin thematisiert der Künstler die aktuell viel diskutierte Frage der «Restitution» nicht-westlicher, insbesondere afrikanischer Artefakte. 

 

 

 

>Kader Attia auf YouTube

 

>Kader Attia, YouTube-Film
zur Ausstellung im Kunsthaus Zürich

 

 

 

Um die Gewalt am schwarzen Körper geht es im Video «The Body’s Legacies – The Post-Colonial Body» (2018). Ausgangspunkt dafür war ein Vorfall, der sich im Februar 2017 in einem Pariser Vorort ereignete. Damals wurde der junge Schwarze Théo Luhaka bei einer Routine-Kontrolle durch die Polizei zusammengeschlagen und mit einem Schlagstock vergewaltigt. Diese brutale Form französischer Staatsgewalt nimmt Kader Attia zum Anlass, um darüber nachzudenken, wie es um den «Körper» ehemals kolonialisierter und versklavter Völker heute steht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kader Attia (1970). Collage. Modern Architecture Genealogy, 2014-2020.

 

Indépendance Tchao, 2014. Galerie Nagel Draxler.

 

 

Moderne Architektur und Kolonialismus

 

Die koloniale Vergangenheit Europas und ihre Folgen beschäftigen Kader Attia seit vielen Jahren.

 

Die Ausstellung zeigt eine Reihe von Collagen sowie Recherchen, die den Verbindungen von moderner Architektur und der Geschichte des Kolonialismus nachgehen.

 

Was ist das Besondere an diesem modernen Hotel-Block? Es handelt sich um ein Hotel, das in den 1960er-Jahren in Dakar gebaut wurde und heute nicht mehr benutzt wird.

 

In seiner künstlerischen Umsetzung geht es um den Kampf um die Unabhängigkeit (Indépendance). Deshalb nennt er seine spezielle Hotelskulptur «Indépendance Tchao». Sie ist aus alten Karteikästen zusammengebaut, wie sie von der französischen Kolonialpolizei in Algerien verwendet wurden. In solchen metallenen Karteikästen wurden während des algerischen Unabhängigkeitskrieges in den 1960er-Jahren Informationen über die Aufständischen – also die Freiheitskämpfer – zusammengetragen.

 

 

Kader Attia (1970). Culture. Another Nature Repaired, 2014. Kunsthaus Zürich.

 

Kader Attia (1970). Another Nature Repaired, 2014-20. Galerie Nagel Draxler.

 

 

Les geules cassées – die Reparaturen

 

Reparieren heisst wiederherstellen. Doch gleichzeitig bedeutet Reparatur auch Unrecht ausgleichen. Attia spielt in seinen Werken mit der Doppelbedeutung des Wortes.

 

Eine eindrückliche Arbeit zu diesem Thema zeigte Attia erstmals 2012 auf der documenta (13) in Kassel. Auch in der Ausstellung im Kunsthaus Zürich zeigt er Holzbüsten von Menschen mit entstellten Gesichtern. Diese «gueules cassées» (zerschlagene Gesichter) gehörten überlebenden Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, die aufgrund der grässlichen Verletzungen für den Rest ihres Lebens gezeichnet waren.

 

Kader Attia reiste mit Fotos dieser Entstellten, die er in deutschen und französischen Archiven gefunden hatte, nach Afrika in ehemalige Kolonien und stellte in Zusammenarbeit mit traditionellen Kunsthandwerkern die Holzbüsten nach den Fotos her.

 

Das Kunsthaus Zürich hat 2015 eine dieser Büsten für seine Sammlung angekauft (Bild oben).

 

 

Wem gehören diese Kunstwerke?

 

Die Ausstellung zeigt eine ganze Reihe von Kunstwerken aus dem kolonialisierten afrikanischen Raum. Attia geht es aber weniger um die Kunstwerke selbst als vielmehr um die Frage, wie sie in den Besitz westlicher Länder gelangt sind.

 

Und ob es nicht angebracht wäre, diese in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. Und wie das zu bewerkstelligen wäre.

 

 

Kader Attia (1970). La mer morte, 2015. Galerie Nagel Draxler.

 

 

La mer morte

 

In dieser Installation Das tote Meer (2015) liegen gebrauchte blaue Kleidungsstücke – Jeans, Hemden, Pullover, Hüte und Schuhe von Erwachsenen und Kindern – auf dem Boden verstreut.

 

Der Künstler schafft damit ein Denkmal für die Millionen von Menschen, die sich auf der Flucht in eine bessere Zukunft dem Meer anvertrauen und auf die Tausenden, die dabei den Tod gefunden haben.

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Fotos Ausstellung «Kader Attia» 2020