Ausstellung «Federico Fellini – von der Zeichnung zum Film»
Kunsthaus Zürich vom 1.7. bis 4.9.2022

 

Federico Fellini – von der
Zeichnung zum Film


Bevor der weltberühmte italienische Regisseur das Kino für sich entdeckte, verdiente er sein Geld als Journalist, Zeichner und Karikaturist. Für Tageszeitungen und satirische Zeitschriften. 1944, nachdem die Allierten Rom von den Deutschen befreit hatten, eröffnete er in Rom einen «Funny Face Shop», in dem sich amerikanische Soldaten von ihm porträtieren lassen konnten. Ein Jahr später holte ihn der grosse Filmemacher Roberto Rossellini als Assistent für die Bearbeitung von Drehbüchern. 1950 gab Federico Fellini sein Debut als Regisseur, da war er gerade mal 30.

 

 

Ausstellungsplakat

 

 

Federico Fellini (1920-1993) kommt in Rimini zur Welt und besucht dort eine katholische, von Schwestern geleitete Schule. Viel Zeit verbringt er auf dem Land bei seiner Grossmutter, wo er mit Sinti und Roma und allerlei Vagabunden in Kontakt kommt, die später in seinen Filmen als Figuren auftauchen. Von 1930 bis 1938 besucht er das Gymnasium, wo er mit Zeichnen von Porträts und Karikaturen beginnt. Dann wird er Journalist

in der Tageszeitung Il Piccolo und später Karikaturist in der Wochenzeitung Marc Aurelio. Beim Radio lernt er die Sprecherin und Schauspielerin Giulietta Masina kennen, die er 1943 heiratet und mit der er bis zu seinem Tod zusammen bleibt.

 

In seinen Filmen kreiert Fellini eine eigene Welt. Diese kommt schrill daher, krass überzeichnet, exzessiv, skurril, oft als Karikatur der Sitationen – und manchmal nervig. Das muss man mögen, oder auch nicht.

 

Zu seinen berühmtesten Werken gehören Filmklassiker

wie LA STRADA (1954), LA DOLCE VITA (1960), AMARCORD (1973) oder LA CITTA DELLE DONNE (1980). Fast alle behandeln – und karikieren – die italienische Gesellschaft des zwanzigsten Jahrhunderts. Zwischen 1950 und 1990 schreibt Fellini Drehbücher für zwei Dutzend Filme und führt dabei Regie.

 

 

Federico Fellini (1920-1993)

 

 

Das Skizzieren von Filmszenen und Figuren gehört zu seiner Arbeitstechnik. Er selbst sagt dazu: «Wenn ich einen Film vorbereite, schreibe ich sehr wenig. Ich ziehe es vor, die Personen und die Szenerien zu zeichnen. Ich habe diese Gewohnheit angenommen, als ich noch in der Provinz für Variétés arbeitete. Aus jener Epoche habe ich mir bewahrt zu zeichnen, was mir in den Sinn kommt. Und jede Idee sofort in ein Bild umzusetzen. Diese Ideen sind dann die Wegweiser, nach denen sich meine Mitarbeiter richten: Bühnenbildner, Kostümbildner, Maskenbildner.»

 

 

Für «La Dolce Vita», 1959.
Anita als Priesterin. Sammlung

Jakob und Philipp Keel.

 

 

Vor allem das Entwerfen von Filmfiguren fasziniert ihn. Mit schnellen Skizzen hält er seine Ideen fest und vermittelt mit Zeichnungen seinen Mitarbeitern, wie er sich die Figuren im Film vorstellt. Meist humoristisch, oft als Karikaturen, manchmal grotesk. So entstehen nicht nur besondere Charaktere im Film, auch seine Zeichnungen werden zu bemerkenswerten, eigenständigen Bildschöpfungen.

 

 

Für «Achteinhalb», Carla, 1963.

Sammlung Jakob und Philipp Keel.

 

 

Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich – kuratiert von Cathérine Hug – zeigt Zeichnungen, Filmtrailers, Set-Fotografien und direkt aus den Filmen stammende Requisiten. Sie bringt wunderbare Erinnerungen an Fellinis Filmklassiker und vermittelt gleichzeitig einen Einblick in die Arbeitstechnik des Meisters. Ein Genuss für Filmnostalgiker.

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Skizze für den Film «Amarcord», 1972.

Abfahrt der Marktfrauen. Sammlung

Jakob und Philipp Keel.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

La Strada, 1954.

 

 

 

Zampanò, 1953. Sammlung Jakob und Philipp Keel.

 

 

 

La Strada – das Lied der Strasse. Mit Anthony Quinn als Zampanò und Giulietta Masina als Gelsomina.

 

 

1954: LA STRADA

 

«La Strada – Das Lied der Strasse» ist Fellinis vierter Film und einer seiner berühmtesten. Er verhilft ihm zum internationalen Durchbruch und macht gleichzeitig seine Ehefrau Giulietta Masina zum Filmstar. Mit ihm schafft Fellini auch den Begriff des Zampanò. La Strada wird am 6. September 1954 in Venedig uraufgeführt.

 

In der Rolle des Zampanò brilliert Anthony Quinn. Ein echtes Meldodrama: Zampanò, der Muskelprotz, führt auf Marktplätzen seine Nummer vor, in der er sich ständig aus Eisenketten befreit. Als seine Assistentin stirbt, kauft er für 10.000 Lire die junge, naive Gelsomina (Giulietta Masina) und nimmt sie mit auf Tournee. Er behandelt sie schlecht, vergnügt sich mit anderen Frauen. Gelsomina ist abhängig von ihm, sie kann Zampanò nicht verlassen. Eines Tages trifft sie den Seiltänzer Matto, den sie bewundert. Dafür wird sie von Zampanò verprügelt. Matto bringt Gelsomina eine kleine Melodie auf der Trompete bei.

 

Bei einem Streit schlägt Zampanò Matto zusammen, dieser kommt dabei um. Gelsomina hat genug, sie verlässt Zampanò. Jahre später – Zampanò tourt noch immer mit derselben Zirkusnummer – hört er zufällig eine Frau jene Melodie singen, die Gelsomina von Matto gelernt hat. (Im Film wird diese Melodie leitmotivisch immer wieder gespielt). Zampanò spricht die Frau an und erfährt von Gelsominas Schicksal und von ihrem Tod. Zum ersten Mal erlebt Zampanò einen Gefühlsausbruch, spürt Reue und Einsamkeit. Er betrinkt sich, geht an den Strand und bricht weinend zusammen.

 

Für LA STRADA erhält Fellini 1957 seinen ersten Oscar in der Kategorie bester fremdsprachiger Film.

 

 

   

 

Filmplakat 1960. La Dolce Vita. Museum Folkswang.

 

La Dolce Vita. Anita, 1959. Sammlung Jakob und Philipp Keel.

 

 

La Dolce Vita. Paparazzi, 1959. Sammlung Jakob und Philipp Keel.

 

 

1960: LA DOLCE VITA

 

Der Schwarzweissfilm «Das süsse Leben» löst eine Welle von Skandalen aus – und wird zu Fellinis kommerziell erfolgreichstem Werk. Zudem wird hier der Begriff des Paparazzo geprägt, des aufsässigen, lästigen Fotografen. Und eine ganz besondere Szene im Film wird Kult: die im eleganten Abendkleid im Trevi-Brunnen badende Anita Ekberg.

 

Es geht um den Boulevard-Journalisten Rubini (gespielt von Marcello Mastroianni) im Rom der 1950er-Jahre. Rubini arbeitet eng mit einem Fotografen namens Paparazzo zusammen. Beide sind sie auf der Suche nach einer guten Story. Rubini hat eine Reihe von Affären, was seine Verlobte Emma fast in den Suizid treibt. Als der amerikanische Filmstar Sylvia (gespielt von Anita Ekberg) nach Rom kommt, darf Rubini sie begleiten. In den Petersdom, in einen Nachtclub, auf einen Spaziergang durch Rom (wo die Szene am Trevibrunnen spielt). Später soll Rubini über eine angebliche Marienerscheinung berichten. Seine Verlobte Emma hofft auf göttlichen Beistand für ihre kränkelnde Beziehung, sie möchte eine Familie gründen und Kinder haben. Aber daraus wird nichts. Rubini hat weiterhin eine Affäre nach der anderen. Und nach einem Streit im Auto lässt er Emma auf der Landstrasse stehen.

 

Dann spitzt sich die Situation zu. Rubinis Freund Steiner bringt seine beiden Kinder um und tötet sich selbst. Als Steiners Frau nach Hause kommt, wird sie von einer Meute taktloser Paparazzi emfpangen – hier schliesst sich der Kreis zu den Paparazzi.

 

In einem Landhaus feiert Rubinis Bekannte Nadia die Scheidung von ihrem reichen Gatten und zeigt einen Striptease. Einige der Partygäste gehen im Morgengrauen an den Strand und stossen dort auf eine tote, hässliche Kreatur. Der Film kennt keine Wendung zum Guten. Dafür bietet er mehr als genügend Stoff für hitzige Diskussionen.

 

 

   

 

Amarcord, Plakat 1975, Museum Folkwang.

 

 

Amarcord. Baffona di Sant'Arcangelo, 1972. Sammlung Jakob und Philipp Keel.

 

 

Amarcord. Die Rex, 1972. Sammlung Jakob und Philipp Keel.

 

1973: AMARCORD

 

Schauplatz dieses schrillen Filmereignisses ist Fellinis Heimatstadt Rimini zu seiner Jugendzeit in den faschistischen 1930er-Jahren. Fellini zeigt ein überzeichnetes Sittenbild der Gesellschaft jener Zeit. Hauptfigur ist der 16-jährige Titta, der die Freuden und Leiden des Lebens eines Teenagers in einer Kleinstadt durchlebt. Dabei geht es auch um die pubertären Probleme seiner Schulfreunde und um die Sorgen des Dorfpfarrers, der zu verhindern sucht, dass sich die Buben «berühren».

 

Die Bewohner der Kleinstadt geraten derweil in den Bann des Faschismus: Bei einem krass karikierten Besuch von Mussolinis Anhängern versammelt sich die begeisterte Menge und jubelt ihnen enthusiastisch zu.

 

Eine zentrale Rolle spielt das alte Grand-Hotel der Stadt, im dem sich skurril-erotische Dinge mit Gigolos, Touristinnen, orientalischen Scheichen und ins Lächerliche gezogenen Haremsdamen ereignen.

 

Im dichten Nebel des Herbstes irrt ein Grossvater durch die Gegend, er glaubt, schon gestorben zu sein. Und der pubertäre Titta fantasiert von einer Karriere als erfolgreicher Autorennfahrer, damit er seine angebetete Gradisca verführen kann. Zu seinem ersten erotischen Abenteuer kommt er schliesslich – aber nicht mit Gradisca, sondern mit einer ausladend fülligen Tabakhändlerin.

 

In einer spektakulären Strandszene eilt die ganze Stadt ans Meer, um von Booten aus und im Wasser stehend die angekündigte «Rex» zu sehen, ein monströses Passagierschiff, das gespenstisch am Horizont erscheint. Oder nur in der Fantasie.

 

Ist es eine Autobiographie? Fellini selbst verneint das. «Zu sagen, dass meine Filme autobiographisch sind, ist eine ungenierte Dummheit. Ich habe mein Leben selbst erfunden. Ich habe es eigens für das Kino erfunden». 

 

 

La Città delle Donne, 1980. Filmposter. Museum Folkwang.

 

 

La Città delle Donne, 1979. Die Boxerin. Sammlung Jakob und Philipp Keel.

 

 

1980: LA CITTA DELLE DONNE

 

Das Alptraumszenario eines Frauenverehrers und Schürzenjägers (Marcello Mastroianni in der Rolle des Snaporaz). Eine Frau im Zug weckt sein Interesse. Auf freier Strecke hält der Zug an, die Frau steigt aus, Snaporaz läuft ihr nach. Schliesslich landet er in einem abgeschiedenen Waldhotel, in dem gerade ein Feministinnen-Kongress stattfindet. Von diesen Frauen wird er verhöhnt und gedemütigt, sieht sich mit seinen eigenen sexuellen Fantasien, Vorurteilen und Ängsten konfrontiert. Er flieht aus dem Wald und findet «Schutz» in der Villa des Dr. Katzone. Dieser Frauenheld feiert gerade das «Fest seiner 10'000 Geliebten». Überraschenderweise ist in der Villa auch Snaporaz' Ehefrau, Elena, anwesend. Die macht ihm heftige Vorwürfe.

 

Snaporaz muss raus aus der Szene und findet im Gästezimmer einen Fluchtweg unter dem Bett. Dieser führt zu einer Riesenrutsche, einer skurrilen endlosen Achterbahn, auf der Snaporaz mit Erinnerungen an all die Frauen seines bisherigen Lebens konfrontiert wird. Am Ende der Fahrt wird Snaporaz vor einem Frauengericht für seine «Verbrechen an der Frauenwelt» angeklagt – aber wider Erwarten frei gesprochen, obwohl er sich selbst für schuldig hält. Am Schluss des Films erwacht Snaporaz in jenem Zugabteil, in der er eingangs die interessante Frau getroffen hat. Ihm gegenüber sitzt jetzt seine Gattin.

 


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