Ausstellung «Bunte Götter – die Farben der Antike»
Liebighaus Frankfurt vom 30.1.20 bis 26.9.2021

 

Waren die antiken Skulpturen
tatsächlich farbig bemalt?


Ist es denn vorstellbar? Haben wir nicht das strahlende, prachtvolle Marmorweiss im Kopf, wenn wir uns zum Beispiel die schönste Frau der Antike – die Venus von Milo im Pariser Louvre – vorstellen? Und auf einmal soll «unsere» Venus einst mit bunter Farbe verunstaltet gewesen sein? Was für ein Frevel, was für eine Zumutung an unsere Vorstellungskraft. Vielleicht lässt sich ja ein Kompromiss aushandeln? Wie wär's damit: Nicht ALLE antiken Skulpturen waren farbig. Und der Marmor unserer Venus immer blütenweiss?

 

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Venus von Milo, 120 v.Chr., Marmor.
Musée du Louvre Paris.

 

>mehr über die Venus von Milo

 

 

 

Die Chance ist allerdings ziemlich hoch, dass ein Umdenken in Richtung Farbe notwendig wird. Davon sind jedenfalls die beiden ArchäologInnen Vinzenz Brinkmann und Ulrike Koch-Brinkmann überzeugt. Seit Jahren gehen sie wissenschaftlich der Frage nach, ob und wie die antiken Skulpturen im Original bemalt waren.

 

Im Skulpturenmuseum Liebighaus in Frankfurt

zeigen die beiden in einer spektakulären Ausstellung (Januar 2020 bis September 2021), was sie bisher alles entdeckten. Ähnliche Ausstellungen haben sie schon seit 2003 u.a. in München, Rom, Athen, San Francisco, Mexico-City und in den Universitätsmuseen von Harvard und Oxford durchgeführt. Und damit das Publikum geschockt, das bis heute nicht so recht glauben mag, dass die prächtigen, blütenweissen Marmorkunstwerke nicht dem Originalzustand entsprechen.

 

Wieso sind die Forscher so überzeugt davon, dass da Farbe im Spiel war? Ganz einfach, weil man immer mehr Skulpturen entdeckt hat, die deutliche Farbspuren aufweisen. Einer der wichtigsten Funde wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf der Akropolis in Athen gemacht: Es ist ein Fragment eines Reiterstandbildes, auf dem Farben und Muster heute noch klar erkennbar sind. Zwar verblasst, aber noch so gut «lesbar», dass man die einzelnen Farben und Muster relativ einfach rekonstruieren konnte.

 

Mit der Zeit sind immer mehr solche Werke mit Farbresten gefunden worden, die nun die These der Brinkmanns erhärten, die da lautet:

 

Die antiken Götter-
und Heldenabbildungen

waren einst bunt!

 

 

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Liebighaus Frankfurt

 

 

Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann (Göttingen, 1958)
ist ein klassischer Archäologe. Er leitet seit 2007 die Antikensammlung des Liebighauses Frankfurt und lehrt als Professor am Institut für Archäologische Wissenschaften der Universität Bochum.

 

 

 

 

>Mehr über das Liebighaus Frankfurt

 

>Film über die Ausstellung Bunte Götter

 

>Führung mit Kurator Vinzenz Brinkmann

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Experimentelle Farbrekonstruktion des

so genannten «Treu-Kopfes».

Liebighaus Frankfurt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Ende 19. Jahrhundert gefunden auf der Akropolis: Skulptur eines Pferdes mit Teil eines Reiters – farbig bemalt.

 

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Experimentelle Farbnachbildung
entsprechend den gefundenen Mustern.

 

Der farbenprächtige Perserreiter

 

Pures Forscherglück, wenn einem ein solcher Fund vergönnt ist. Dieser so genannte Perserreiter aus dem Jahr 490 v. Chr. wurde Ende des 19. Jhts in Athen auf der Akropolis ausgegraben.

 

Die Sensation dabei: Farbspuren haben 2500 Jahre überdauert! Im Beinkleid des Reiters finden sich klar erkennbare Farben und Muster.

 

Diesen Farbspuren ist man wissenschaftlich nachgegangen. Man untersuchte im Original jede einzelne Farbe mit UV-Licht und modernsten optischen Geräten.

 

Die Ergebnisse waren verblüffend. Man stellte fest, dass es sich um sehr kontrastreiche Farben (Rot, Blau, Gelb, Grün) gehandelt haben muss. Und, auch interessant, dass der Farbrhythmus des Ornaments von der rechten zur linken Körperhälfte wechselte.

 

Mit Hilfe eines 3D-Druckers wurde die ganze Figur als Gipsmodell neu aufgebaut. Dann hat man die Farbmuster des Originals darauf übertragen – in leuchtenden Farben, so wie das einst ausgesehen haben muss. Oder vielleicht ausgesehen haben könnte. Experimentelle Farbrekonstruktion nennen die Forscher das.

 

 

paris

 

bogenschütze

Bogenschütze,
480 v.Chr. aus dem Aphaia-Tempel.

 

Paris, der bunte Bogenschütze

 

Eine sehr gut erhaltene Figur dieses Bogenschützen fand man zusammen mit anderen Figuren in mehreren Metern Höhe am Westgiebel des Aphaia-Tempels auf der Insel Ägina.

 

Es gab aber einen Haken: Die Figur enthielt kaum noch Farbreste. Zumindest keine, die man von blossem Auge sah. Mit Hilfe von modernsten optischen Geräten und Speziallicht gelang es aber, die Farbspuren doch noch zu erkennen.

 

Die so «wiederentdeckten» Farben wurden dann auf die Gipskopie übertragen. Jetzt leuchten sie – vielleicht – im typischen Look der damaligen Reiterbogenschützen.

 

 

 

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Peplos Kore, Athen, ca. 530 v.Chr. Marmor. Akropolis Museum Athen.

 

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Peplos Kore, experimentelle Farbrekonstruk-tion von Vinzenz Brinkmann. Glyptothek München.

 

Die Peplos Kore der Akropolis

 

Kore ist altgriechisch und heisst Mädchen. Es trägt einen dorischen Peplos. Die Skulptur stammt aus Athen und wurde etwa 530 v.Chr gefertigt, misst 117 cm und ist heute im Akropolis Museum von Athen ausgestellt.

 

Als die Akropolis 480 v.Chr. von den Persern zerstört wurde, richteten die Athener die beschädigten Statuen nicht wieder auf, sondern begruben sie in der heiligen Stätte.

 

Das ist der Grund, warum die Farben bis heute erhalten und noch gut sichtbar sind. Es sind Spuren von roter, gelber, blauer und grüner Farbe zu erkennen. Dazu ein Ocker auf der Veste und ein intensives Orange am Untergewand. Es sind auch Tierfriese vorhanden.

 

Die Tierfriese lassen Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann vermuten, dass die Statue nicht ein Mädchen, sondern eine Göttin darstellt. Die Kultfigur könnte Artemis darstellen, die griechische Göttin der Jagd. Sie hielt möglicherweise Pfeil und Bogen (vielleicht auch ein Schwert) in den Händen.

 

Diese Artemis Tauropolos wurde auf der Athener Akropolis verehrt. Die Ausstellung im Liebighaus zeigt auch die Version einer rekonstruierten farbigen Figur mit Schwert und Speer-Krone (siehe Fotogalerie).

 

Die hier links gezeigte Version ist in der Ausstellung im Liebighaus nicht zu sehen, sie ist in der Glyptothek in München ausgestellt.

 

 

 

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Der Treu-Kopf, eine Fälschung? Oder Beweis für die farbige Antike?

 

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Experimentelle Studie zur Farbigkeit des Treu-Kopfes (Brinkmann).

 

Einer der frühesten Hinweise auf Farbigkeit

 

Dieser römische Marmorkopf einer weiblichen Gottheit aus dem 2. Jht v.Chr. weckte schon früh das Interesse des Dresdner Archäologen und Ausgräbers von Olympia, Georg Treu (1843-1921).

 

Nach diesem ist der Treu-Kopf benannt. Weil der Marmor Farbspuren aufwies, wurde er einem besonders intensiven Studium unterzogen – und schon damals kam der «Verdacht» auf, dass antike Statuen farbig sein könnten.

 

Man fand heraus, dass auf den hochpolierten Marmor Farbe aufgetragen worden war. Und erkannte sogar die Farbe des Teints, den die antiken Künstler der Göttin verliehen hatten: Apricot. Georg Treus (Farb)Studien stiessen in der Fachwelt allerdings auf Ablehnung.

 

Niemand wollte um 1900 herum glauben, dass Farbe – geschweige denn Hautfarbe – in den antiken Kunstwerken eine Rolle gespielt haben könnte. Also deklarierte man den Marmorkopf als Fälschung. Er wanderte dann ins Depot des British Museums. Erst viel später holte man ihn wieder aus der Versenkung und gab ihn für wissenschaftliche Untersuchungen frei.

 

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Fotogalerie «Bunte Götter»

 

   
   

 

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