Ausstellung «A Poem That Is Not Our Own»

Kunstmuseum Basel vom 8.6. - 13.10.2019.

 

William Kentridge (1955).


Südafrika. Rassenkrawalle. Apartheid. Als Kentridge 1955 in Johannesburg zur Welt kommt, ist gerade die Zwangsumsiedlung der unerwünschten Schwarzen von Sophiatown in die neuen Townships im Gange. Grauenhafte Bilder von Gewalt und Elend. In dieser Atmosphäre wächst Kentridge auf.

 

Seine Eltern kämpfen zwar als Rechtsanwälte für die Rechte der Schwarzen – aber das Ergebnis ist bekannt: Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten ohne Ende. Bis heute verarbeitet der Künstler in seinem Werk die bedrückenden Themen Kolonialismus, Vertreibung und Migration.

 

 

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Am Anfang hält Kentridge das Grauen in Zeichnungen fest. In den 80er-Jahren beginnt er, daraus animierte Filme zu produzieren. Sie zeigen in düsteren Bildern die sozialen Missstände Südafrikas. Bedrückend, aber auch faszinierend. In seinem Animationsfilm «More Sweetly Play the Dance» zeigt er eine Prozession zu afrikanischen Klängen einer Brass-Band, die unter die Haut geht.

 

Ja, die schattenhaften Figuren sind auf der Flucht, sie tragen ihre Last und ihren ganzen Hausrat mit sich, marschieren in eine ungewisse Zukunft, begleitet von tanzenden Skeletten – und doch enthalten diese animierten Bilder einen Funken Hoffnung. Vielleicht sind es auch nur die fröhlichen südafrikanischen Klänge im Film, die diese Hoffnung am Leben erhalten.

 

 

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William Kentridge, 2019.
Foto SWR2 Kultur.

 

 

William Kentdridges künstlerische Vielfalt scheint keine Grenzen zu kennen: Zeichnungen, Skulpturen, Animationsfilme, Sketches, Blödeleien, Philosophisches, Theaterstücke. Neben seinem starken politischen Engagement experimentiert er mit allen nur denkbaren Rollen – von dadistischen Spinnereien bis hin zu technischen Spielereien.

 

Die Grundlagen dazu hat er sich ab 1976 in Johannesburg geholt: Studium in Politik und Afrikanistik an der Witwatersrand-Universität. Danach studiert er Kunst an der Art Foundation in Johannesburg und in den 80er-Jahren besucht er die Theaterschule von Jacques Lecoq in Paris.

 

1993 und 2005 wird er mit seinen Animationsfilmen an der Biennale in Venedig zum gefeierten Künstler, 1997 und 2002 ist er auch an der Documenta vertreten. Seit 2011 ist er Ehrenmitglied der American Academy of Arts & Sciences.

 

 

 

>Mehr über die Kentridge-Ausstellung (Film SWR2)

 

>Kunstmuseum Basel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Zeichnung Day will break more than once.

 

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Film More Sweetly Play the Dance.

 

 

Von Zeichnungen zum animierten Film.

In Kentridges Zeichnungen dominiert eine Farbe: Schwarz. Vornehmlich aus Kohle und Graphitstift. Damit produziert er auch seine Animationsfilme. Er zeichnet jedes Bild einzeln in minimalen Schritten und erweckt seine scherenschnittartigen Schattenbilder so zum Leben. Manchmal ergänzt der Künstler die Schattenbilder im Streifen mit fotografischen und filmischen Elementen.

 

Schwerpunkte seiner Filmproduktionen sind das Elend und die Ausbeutung der Schwarzen, auch eindrücklich dokumentiert am harten Los der Männer in den Gold- und Diamantenminen.

 

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Bühnendeko für das Theaterstück «Sophiatown».

 

sophiatown

 

Theaterdrama «Sophiatown». 1987.

Die Zeichnungen auf braunem Papier sind Teil des Bühnenbildes für das Theaterstück «Sophiatown», bei dem Kentridge Mitproduzent ist. Es wird 1987 von der «Junction Avenue Theater Company» uraufgeführt, der ersten gemischtrassigen Theatergruppe Südafrikas.

 

Hintergrund des Theaterstücks ist die Zwangsumsiedlung der Bewohner von Sophiatown, eines Stadtteils von Johannesburg. Aufgrund des von den Weissen 1954 erlassenen «Natives Resettlement Acts» wird der Abriss des Stadtteils beschlossen. Die schwarzen Bewohner werden gezwungen, ins neue «Township Meadowlands» umzuziehen. Diese liegt im heutigen Soweto (Abkürzung für South Western Townships). Der Stadtteil Sophiatown wird 1963 komplett abgerissen.

 

 

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«Diskurs»
zwischen Kentridge und Kentridge.

 

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Das Studio.
 

Das Studio: Die Drawing Lessons.

Die Basler Ausstellung bildet das Studio nach, in dem Kentridge seine «Drawing Lessons» gibt. An der Wand Bilder von Picasso und Klee. Und ein Abbild von Erasmus von Rotterdam. Dessen ironische Lehrrede «Lob der Torheit» (Praise of Folly aus dem Jahr 1509) bildet die Basis für den Film, in dem Kentridge doppelt auftritt und sich selbst interviewt. Sein Zweites Ich stellt provozierende Fragen zu seiner künstlerischen Tätigkeit, mal ironisch, mal angriffig.

 

In einer anderen Sequenz tritt Kentridge gleich in dreifacher Ausführung auf: Als Musikband mit primitiven Trompeten. «Singen kann ich nicht», sagt der Künstler dazu. Aber Musik machen will er. Es ist eine schreckliche Katzenmusik. Amüsant.

 

 

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Eine von Kentridges Nonsense-Maschinen.

Das Atelier und die Nonsense-Maschinen.

«Studio Room» heisst dieser Ausstellungsraum, in dem alles zu finden ist, was dem künstlerischen Genie Kentridges entsprungen ist. Zeichnungen, Skulpturen aus Holz, Papier und Bronze. Und sinnfreie Installationen, die in seinem «Tummelplatz» – so nennt der Künstler sein Atelier – entstanden sind. Wie Nähmaschinen, die rhythmische Töne von sich geben oder Nonsense-Maschinen, die sich nutzlos und ohne erkennbaren Sinn drehen.

 

Kentridges Philosophie dazu: «Hier gibt es Dinge, die man nicht versteht. Von diesen sollte man lernen, statt die Welt über Dinge zu belehren, die man verstanden hat».

 

spiegelzylinder

 

optische_spielerei

 

 

 

Optische Spielerei mit dem Spiegelzylinder.

Und was soll dieses faszinierende Karussel? Es steht in einem völlig abgedunkelten Raum und besteht aus einer Art Plattenteller und einem Spiegelzylinder in der Mitte.

 

Der Teller dreht sich rasend schnell, in ihm sieht man irgendwelche verzerrten Zeichnungen und Formen, kaum zu deuten. Blickt man hingegen in den Spiegelzylinder, nehmen die Figuren erkennbare Formen an. Menschen, Tiere, Landschaften. Eine faszinierende
optische Spielerei.

 

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«More Sweetly
Play the Dance»

 

 

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Das filmische Meisterwerk.

An der Basler Ausstellung nimmt sein animierter Zeichentrickfilm «More Sweetly Play the Dance» von 2015 das ganze oberste Stockwerk des Museums ein.

 

Auf einer riesigen mehrteiligen Panoramaleinwand verfolgen die BetrachterInnen die endlos wirkende Prozession seiner Schattenfiguren – es ist eine Mischung aus Protestmarsch und Festumzug, aus Totentanz und Karneval – und gibt sich dabei den südafrikanischen Klängen einer Brass-Band hin. Eine hinreissende Show.

 

 

>More Sweetly Play the Dance (Youtube)

 

 

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Fotos / Diashow

 

 

   

 

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