Eine Auktion bei Christie's – wie läuft das ab?

Christie’s gehört zu den ältesten und traditionsreichsten Auktionshäusern der Welt. Gegründet 1766 durch James Christie. Hauptsitz ist in London, aber die globale Präsenz erstreckt sich über 32 Länder mit 54 Büros und zwölf Verkaufsräumen. Die berühmtesten: New York, Paris, Genf, Mailand, Amsterdam, Dubai, Hong Kong, Shanghai und Mumbai.

 

Das Auktionshaus, das heute der französischen Groupe Artémis gehört (Besitzer ist der Milliardär François Pinault, der auch über Gucci, Puma, Ponant und Château Latour gebietet) führt jährlich rund 350 Auktionen durch – also praktisch jeden Tag eine – und erzielt damit einen Umsatz von 7-8 Milliarden Dollar pro Jahr.

 

 

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Am 17. September 2019 fand eine Auktion in Zürich statt: im Vortragssaal des Kunsthauses. Thema natürlich «Swiss Art». Mit Werken von Schweizer Grössen wie Hodler, Anker, Giacometti.

 

Nicht weniger als 141 Lots standen zum Verkauf. Präsentiert von der Auktionatorin Christiane Gräfin Rantzau, die den Käufern und Kunstfreunden in einer rund dreistündigen Session fast sieben Millionen Schweizer Franken entlockte. Genau: 6'810'438 Franken, Kaufprämien inklusive.

 

 

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Die Auktionatorin Christiane Gräfin Rantzau
in voller Aktion.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Das Paddle

 

Wie werde ich zum Bieter? Ich muss mich am Desk registrieren. Mit Pass und genauen Angaben über Wohnort und Lieferadresse. Damit erhalte ich eine Nummer, ein so genanntes Paddle. Dieses brauche ich, um mitzubieten. Jedesmal, wenn ich es hochhalte, bin ich der momentane Höchstbieter.

 

 

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Der Katalog

 

Bei der Registrierung bekomme ich den Katalog, der die zum Verkauf anstehenden Werke beschreibt. An der Auktion in Zürich stehen 141 Lots (Werke) im Angebot. Die Auktion findet genau in der Reihenfolge der Nummern im Katalog statt – es sei denn, ein Werk sei noch vor der Auktion wieder zurückgezogen worden.

 

 

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Auktionatorin Christiane Gräfin Rantzau.

 

Die Auktionatorin

 

Im Katalog sind die angebotenen Werke mit einem Richtpreis versehen. Zum Beispiel Lot 51: Albert Anker, Studie. Richtpreis 60-80'000 Franken. Es liegt kein Gebot in diesem Bereich vor. Die Auktionatorin beginnt also mit einem tieferen Preis, der dann nach und nach gesteigert wird. Die Ankerstudie erreicht den Richtpreis nicht und geht für 42'000 Franken an den Höchstbieter.

 

Bei Werken, die den Richtpreis überschiessen, geht es im «Endkampf» heiss zu und her. Zum Schluss hat die Gräfin einen Lieblingsausdruck parat: «Fair warning!» sagt sie dann, bevor sie mit dem Hammer zuschlägt... schaut in die Runde und wartet geschickt noch ein paar Momente lang, bis doch noch jemand höher geht.

 

 

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Der Präsentator

 

Damit die Werke nicht nur ab Fotos im Katalog gekauft werden müssen, zeigt man jedes einzelne im Original. Der Präsentator mit weissen Handschuhen tritt auf die Bühne und zeigt dem Pulbikum das Werk. Hier ist es ein Ferdinand Hodler: Bildnis Letizia Raviola, 1917. Verkauft für 130'000 Franken.

 

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Innert Sekunden umgerechnet von CHF zu CNY...

 

Die Anzeigetafel

 

Auf diesem Monitor wird laufend das höchste Gebot eingeblendet. Die Verkäufe finden in Schweizer Franken statt, in der Tabelle ist die Umrechnung in Euros, Dollars, englischen Pfund, Hongkong-Dollars, japanischen Yen, russischen Rubel und chinesischen Yuan angegeben. Im Moment ist gerade ein Hodler mit 270'000 Franken zu sehen, entsprechend fast zwei Millionen chinesische Yuan.

 

 

telefonanbieter

Angebote per Telefon und online.

 

 

Angebote aus aller Welt – auch online

 

Gebote kommen nicht nur aus dem anwesenden Zürcher Publikum, sondern aus allen Ecken der Welt. Hinter der Balustrade sitzen Käufervertreter, die mit ihren Auftraggebern am Telefon verbunden sind und so mitbieten. Die Auktion läuft aber auch gleichzeitig online. Die Auktionatorin muss also ständig auch beobachten, ob da nicht noch ein Angebot von aussen kommt. Dann heisst es: Nicht verkauft, eben ist noch ein Angebot aus Missouri eingetroffen... und die Bieterei geht weiter.

 

 

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Albert Anker (1831-1910).
Rast der Säumer. Feder und Aquarell auf Papier,
10.5 x 18 cm.

 

Beinahe einen echten Anker ersteigert...

 

Der Richtpreis im Katalog sagt 1500-2000 Franken. Das wäre doch in meinem Bereich, denke ich. Zumal gar niemand bieten will. Die Auktionatorin geht runter auf 300 Franken. Ich halte mein Paddle mit der Nummer 27 auf. Ein Gegengebot mit 400 folgt sofort. Ich zeige mein Paddle wieder, also 500 Franken. Offenbar erwacht jetzt die Lust. Eine Dame hinter mir geht auf 600, ich auf 700, sie auf 800 und so weiter. Ich gehe mit bis 1'900 Franken, die Lady erhöht auf 2'000.

 

Okay, denke ich, bisher ging's auch ohne Anker. Das Minibildchen von 10.5 x 18 cm geht an die Lady. Ich werd's verkraften.

 

 

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Der teuerste Lot...

 

Für stolze 880'000 Franken findet diese «Lampe coupe aux deux figures» aus dem Jahr 1950 einen neuen Besitzer. Ein Werk von Alberto Giacometti aus Bronze, 34 cm hoch. Es stammt ursprünglich aus dem Nachlass Alberto Giacometti, zuletzt war es in Privatbesitz.

 

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...und ein erstaunlicher

 

Diese «Chenets aux cuirasse» von 1962 aus Bronze und Eisen, 40 cm hoch, sind im Katalog mit einem Richtpreis von 30-40'000 Franken aufgeführt und gehen für unglaubliche 170'000 Franken weg. Obwohl sie doch «nur» von Alberto Giacomettis jüngerem Bruder, von Diego Giacometti, stammen. Und was stellen die zwei Objekte überhaupt dar? Es sind Feuerböcke.

 

 

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Ein Felix Vallotton für 85'000 Franken

 

«Femme nue couchée sur un canapé rouge», 1923. Ein sehr farbenfrohes Werk vom berühmtesten Schweizer Aktmaler. Die Vorgabe gemäss Katalog ist 80-120'000 Franken. Gerade noch erzielt.

 

 

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Ein Ferdinand Hodler für 130'000 Franken

 

Das «Bildnis der Letizia Raviola, 1917». Öl auf Leinwand, 46 x 34.5 cm. Unten rechts signiert und datiert mit «1917, Ferdinand Hodler». Es hätte gemäss Katalog bis zu einer Viertelmillion bringen sollen, ging dann aber für 130'000 Franken über den Tisch.

 

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Das wertvollste Gemälde der Auktion

 

Das Bild des Abends mit dem höchsten Gebot ist kein Hodler und kein Anker, sondern ein Cuno Amiet (1868-1961): «Blühender Baum», Öl auf Leinwand, 86x66 cm. Erwartet werden gemäss Katalog 500-600'000 Franken. Diesen Wert erreicht es nicht, es wird für 420'000 Franken an den Mann oder die Frau gebracht.

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