Das weltberühmte Künstlerpaar schuf mit ihrer monumentalen Verhüllungskunst eine neue Dimension von Skulptur und Architektur. Von Paris bis Sydney, von Berlin bis Tokio und von London bis Kalifornien haben die beiden alles in Stoff gehüllt, was sich umhüllen liess.
Christo und Jeanne-Claude, 2005.
Foto Wolfgang Volz ©2005 Estate of
Christo V. Javacheff.
Christo (mit ganzem Namen Christo Vladimirov Javacheff) wird am 13. Juni 1935 in Gabrovo, Bulgarien geboren. Sein Vater besitzt eine Chemiefabrik, die Mutter ist Generalsekretärin der Kunstakademie in Sofia. Mit sechs Jahren soll Christo seine ersten Zeichen- und Malstunden bekommen haben. In der Fabrik seines Vaters faszinieren ihn die grossen Stoffballen, die er zu zeichnen beginnt. Von 1953 bis 1956 studiert er Kunst in Sofia.
Als 22-jähriger verlässt er 1957 Bulgarien und zieht zunächst nach Prag. Von dort gelingt ihm die Flucht in den Westen nach Wien, wo er ein Semester in der Akademie der bildenden Künste absolviert. Dann zieht er weiter in die Schweiz (Genf) und ein Jahr später nach Paris. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit Porträts.
Eine der Porträtierten ist die Frau des französischen Generals de Guillebon. Ihre Tochter, Jeanne-Claude, auf den Tag exakt gleich alt (!) wie Christo – beide geboren am 13. Juni 1935, er in Bulgarien, sie in Marokko – verliebt sich in den Künstler, die beiden werden ein Paar. 1960 wird ihr erster Sohn geboren: Cyril. Die Hochzeit folgt später: im November 1962.
1961 realisiert das Paar Christo und Jeanne-Claude ihr erstes gemeinsames Kunstprojekt. Hintergrund ist der DDR-Mauerbau in Berlin, der in diesem Jahr begonnen hat. Christo, vor den Kommunisten geflüchtet, will ein Zeichen setzen und in Paris eine Mauer aus Ölfässern aufbauen. Als ihm die Behörden die Erlaubnis verweigern, baut er seine >Fass-Mauer in der Rue Visconti dennoch auf. Eigenhändig, Fass für Fass. Christo wird von der Polizei «verhört», kommt aber ohne Strafe davon.
Kalifornien 1976. Foto Wolfgang Volz
1976 ©Estate of Christo V. Javacheff.
1964 verlagern Christo und Jeanne-Claude ihren Wohnsitz nach New York. Hier planen sie nun ihre weiteren Kunstprojekte. Diese finanzieren sie stets aus eignen Mitteln: mit dem Verkauf von Original-Plänen, Zeichnungen, Drucken, Litografien und massstabgetreuen Modellen ihrer Projekte. Auf Beiträge von Gönnern oder Sponsoring verzichtet das Künstlerpaar ganz.
Das sind die bedeutendsten ihrer weltweit
realisierten Grossprojekte:
– Umhüllte Kunsthalle Bern, 1967-68
– Wrapped Coast, Sydney, 1968–69
– Verhüllte Monumente, Mailand, Italien, 1970
– Valley Curtain, Rifle, Colorado, 1970–72
– Running Fence, Kalifornien, 1972–76
– Surrounded Islands, Miami Florida, 1980–83
– Verhüllte Brücke Pont-Neuf, Paris, 1975–85;
– The Umbrellas, Japan/USA, 1984–91
– Umhüllter Reichstag, Berlin, 1971–95
– Verhüllte Bäume, Riehen, Schweiz, 1997–98
– The Gates, Central Park, New York, 1979–2005
– Schwimmende Pfeiler, Iseosee, Italien, 2014–16
– The London Mastaba, Hyde Park, 2016-2018
– Der verhüllte Arc de Triomphe, 2021
2009 wird klar, dass nicht alle Projekte zu Lebzeiten des Paares realisiert werden können. Die Schwimmenden Pfeiler in Italien (2016) und die Londoner Mastaba (2018) erlebt Jeanne-Claude nicht mehr. Sie stirbt 2009 in New York an einer Hirnblutung.
2020 folgt ihr dann auch Christo ins Grab, er stirbt in New York im Alter von 85 Jahren. Beide Künstler haben aber schon vor ihrem Ableben klar gemacht – und dafür gesorgt – dass ihre geplanten Werke posthum fortgeführt werden. Den Auftrag dafür erteilen sie an die Verwalter des Nachlasses von Christo V. Javacheff.
Die Realisierung ihres ganz grossen Projektes in Paris, die Verhüllung des Arc de Triomphe, erleben beide Künstler nicht mehr. Dafür hunderttausende von Paris-Besuchern, die das gewaltige Werk im Herbst 2021 während gut zwei Wochen bewundern dürfen.
Collage des Projektes «Arc-de-Triomphe», Paris.
Private collection. Foto André Grossmann
2018 @Estate of Christo V. Javacheff.
>Website Christo and Jeanne-Claude
Titelbild (Ausschnitt)
Christo and Jeanne-Claude.
Wrapped Reichstag, Berlin, 1971-95.
Foto Wolfgang Volz 1995
©Estate of Christo V. Javacheff.
Christo und
|
1967-1968: Kunsthalle Bern – zum ersten
Was für eine Ehre: Ein Schweizer Kunstmuseum ist das erste Gebäude, das Christo und Jeanne-Claude umhüllen. Anlass dafür ist das 50-jährige Jubiläum der Berner Kunsthalle. Dieses wird 1967 mit Umweltwerken von zwölf Künstlern gefeiert.
Als einer der zwölf Teilnehmer zeigen Christo und Jeanne-Claude nichts im Museum, sondern verpacken die gesamte Ausstellung. «Wir haben die Umgebung von elf anderen Künstlern übernommen», bemerkt Christo amüsiert, «und sie eingepackt. Wir hatten unsere gesamte Umgebung im Inneren.»
|
Christo und
|
1968-1969: Verhüllte australische Küste
Das Grundstück am Südpazifik südöstlich von Sydney gehört dem Prince Henry Hospital. Christo und Jeanne-Claude verhüllen die Küste auf einer unvorstellbaren Länge von 2.4 Kilometern, 46 bis 244 Meter breit und 26 Meter hoch.
Für die Verhüllung werden 93'000 Quadratmeter Erosionsschutzgewebe benötigt. Es sind synthetische Fasern, wie man sie üblicherweise für landwirtschaftliche Zwecke verwendet. Für die Befestigung der Hülle springen Kletterer des Army Corps of Engineers ein. Der Aufbau dauert vier Wochen, die Küste bleibt zehn Wochen lang verhüllt. Danach wird das gesamte Material entfernt und recycelt, und die Küste wird in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt.
Auf ein Sponsoring oder Gönnerbeiträge verzichtet das Künstlerpaar bei allen ihren Projekten vollständig. Finanziert werden die Projekte mit eigenen Mitteln: durch den Verkauf von Christos Original-Planzeichnungen, Collagen, Lithografien und massstabgetreuen Modellen.
|
Christo und
|
1970: Der eingepackte Vittorio Emanuele II
Bei dieser Aktion wird nicht nur Italiens König Vittorio Emanuele II auf der Piazza del Duomo in Mailand eingepackt, sondern gleich auch noch das Denkmal für Leonardo da Vinci auf der Piazza della Scala. Beide Monumente werden mit Polypropylen-Gewebe und rotem Seil umwickelt.
Das Monument des Königs bleibt zwei Tage lang verhüllt, jedes von Leonardo eine Woche. Auch bei diesem Projekt sind keine Sponsoren involviert, die gesamten Kosten werden von Christo und Jeanne-Claude getragen.
|
Christo und
|
1972: Die monumentale Talsperre
Das Valley-Curtain-Projekt realisieren Christo und Jeanne-Claude in Rifle, Colorado, zwischen Grand Junction und Glenwood Springs im Grand Hogback-Gebirge.
Es ist ein schwieriges Unterfangen, das von starken Winden und Stürmen behindert wird. Am 10. August 1972 kann der monumentale Nylon-Vorhang von 381 Meter Breite zwar noch aufgehängt und auf Betonpfeilern verankert werden, aber einen Tag später, am 11. August, erzwingt ein 100-km/h-Sturm, der durch das Tal braust, einen vorzeitigen Abbau.
|
Christo und
|
1980-1983: La «mer en rose» in Miami
Türkisfarbenes Meer und ein kontrastierendes Rosa – was für ein Anblick, vor allem aus der Luft. Die Installation «surrounding Islands» wird am 7. Mai 1983 eingeweiht. Sie liegt in der Biscayne Bay zwischen Miami, Miami Shores und Miami Beach.
Elf Inseln werden von mehr als 600'000 m2 rosafarbigem schwimmendem Polypropylengewebe umgeben. Zwei Wochen lang können die Inseln über Dammwege von Land aus besucht, mit Booten umfahren oder aus der Luft betrachtet werden.
|
Christo und |
1975-1985: Die verpackte Pont-Neuf
Die altehrwürdige Brücke über die Seine steht schon seit 1606 und geht auf die Zeit von König Henri IV zurück. Christo und Jeanne-Claude verwandeln sie für 14 Tage in ein Kunstwerk.
Die Planung dafür beginnt schon 1975, realisiert wird das Projekt am 22. September 1985. Dreihundert Facharbeiter verhüllen die Seiten und Gewölbe der zwölf Bögen – ohne den Flussverkehr zu behindern – mit über 40'000 m2 gewebtem Polyamidgewebe, das seidig glänzt. Was für ein Anblick!
|
Christo und
|
1971-1995: Umhüllter Reichstag, Berlin
Ein Vierteljahrhundert dauert die Planung für dieses Monsterprojekt. Das Berliner Reichstagsgebäude hat eine bewegte Geschichte hinter sich, obwohl es erst 1894 erbaut wurde. 1933 brannte es nieder, 1945 wurde es fast komplett zerstört, in den sechziger Jahren restauriert. Seit 1971 befassen sich Christo und Jeanne-Claude mit der Idee, dieses berühmte Haus einzukleiden – es wird ein langer Weg durch die Instanzen. Am 24. Juni 1995 ist das Werk vollbracht. 120 Installationsarbeiter und 90 Kletterer bemühen sich darum. Der Reichstag bleibt zwei Wochen lang verpackt und generiert einen gewaltigen Publikumserfolg.
Für die Umhüllung werden 100.000 m2 dickes Polypropylengewebe mit einer Aluminiumoberfläche verwendet. Ein 15 Kilometer langes blaues Polypropylenseil hält die Hülle zusammen. Sämtliche Materialien werden danach recycelt.
Auch dieses Kunstwerk wird vom Künstlerpaar ohne Sponsorenbeiträge finanziert. Wie immer mit dem Verkauf von Originalplänen, Drucken, Litografien und Modellen.
|
Christo und |
2014-2016: Zu Fuss übers Wasser
Der Iseo-See ist der viertgrösste See in
Das Kunstwerk ist 16 Tage lang zugänglich, kostenlos, vom 18. Juni bis 3. Juli 2016. Die BesucherInnen erleben das Kunstwerk auf einem Spaziergang übers Wasser von Sulzano zum Monte Isola und zur Insel San Paolo. Ohne Tickets, ohne Eröffnungen, ohne Reservierungen.
|
Christo und |
2016-2018: Die Londoner Mastaba
Im Juni 2018 findet in den «Serpentine Galleries» in London eine Ausstellung über die 60-jährige Geschichte von Christo und Jeanne-Claude statt.
Aus diesem Anlass bauen das Künstlerteam um Christo (ohne Jeanne-Claude, die 2009 verstorben ist) auf dem Lake Serpentine im Hyde Park eine schwimmende Mastaba (eine Pyramidenart), die vom 18. Juni bis 23. September 2018 zu sehen ist.
Die Pyramide besteht aus 7'500 gestapelten Fässern, die von einem Stahlgerüstrahmen zusammen gehalten werden. Die schwimmende Skulptur mit einem Gesamtgewicht von 600 Tonnen wird von 32 Ankern im See gesichert.
|
Christo und |
1962-2021: l'Arc de Triomphe, Paris
Ein «Lebenswerk» von Christo und Jeanne-Claude. Sie beginnen mit der Planung in den frühen 1960er-Jahren, erleben aber die Realisierung beide nicht mehr (Jeanne-Claude stirbt 2009, Christo 2020). 2021 ist es dann soweit, und das gewaltige Werk kann posthum in Paris doch noch fertig gestellt werden.
Die Verhüllung des Arc de Triomphe wird vom Nachlass Christo V. Javacheff finanziert, genauer: durch den Verkauf von Christos vorbereitenden Studien, Zeichnungen, Modellen und Collagen. Die Realisierung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Centre des Monuments Nationaux und dem Centre Pompidou.
Das Kunstwerk war 16 Tage lang zu sehen: Vom
|
>Link zu allen realisierten Projekten
|