Ausstellung «Katharina Grosse – Studio Paintings» Kunstmuseum Bern vom 3.3. bis 26.6.2023
Es ist die erste Ausstellung in der Schweiz, die Atelier-Werke der Künstlerin auf Leinwänden zeigt.
International bekannt wurde sie vor allem durch ihre Outdoor-Werke. So bespielte sie 2016 für das New Yorker MoMA ein halb zerfallenes ehemaliges Militärgebäude in Fort Tilden, Queens, und verwandelte es in ein monumentales Kunstwerk. 2017 gestaltete sie in Dänemark für das Kunstmuseum Aarhus eine ganze Parklandschaft mit ihrer Spraypistole und spritzte damit Bäume knallig rot. 2020 dann ihr monumentales Kunstwerk in der historischen Halle des Bahnhofs von Hamburg – samt Aussenbereich...
Fort Tilden, Queens, 2016. >Film
Parklandschaft Aarhus, Dänemark, 2017.
Bahnhof Hamburg, 2020/21. >Film
***
Katharina Grosse hat das Privileg,
in eine kunstaffine Welt geboren zu werden. Sie kommt am 2. Oktober 1961 in Freiburg im Breisgau als Tochter der Grafikerin Barbara Grosse und des späteren Rektors der Universität Bochum, Siegfried Grosse, zur Welt. Fast schon logisch, dass sie dann später selbst auch Kunst studiert: an den Kunstakademien Münster und Düsseldorf.
Erst im Alter von 20 Jahren beginnt sie mit Malen. Ein Schlüsselerlebnis hat sie 1998 in Bern, als sie in der Kunsthalle einen grossen Raum bespielen darf, wo man ihr total freie Hand lässt: «Sie dürfen hier malen, was sie wollen», sagt man ihr. Sie nutzt ihre Chance und setzt sich als Künstlerin durch – was sie in «dieser männlich geprägten Kunstwelt» (ihre Worte) nicht für selbstverständlich findet, zumal sie sich auch offen als lesbisch outet.
Mit knapp 40 wird sie Professorin an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee; ab 2010 Professorin für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Heute lebt und arbeitet sie in Berlin, zusammen mit einem grösseren Team von MitarbeiterInnen.
Für ihre monumentale Malerei verwendet sie eine mit Kompressor betriebene Spraypistole, was inzwischen so etwas wie ihr Markenzeichen geworden ist.
In der Ausstellung 2023 im Kunstmuseum Bern sind «klassische» Werke auf Leinwand zu sehen, die im Atelier entstanden sind, zum Teil auch mit Pinsel gemalt. Auch diese von monumentalen Ausmassen. Sie faszinieren aber nicht nur durch ihr Format, sondern in erster Linie durch die Emotionen, die diese farbgewaltigen abstrakten Kompositionen auslösen.
Hier ein Beispiel: Am 10.12.2021 fand im
Auktionshaus Ketterer Kunst GmbH in München dieses Gemälde aus dem Jahr 2005 «Ohne Titel», Acryl auf Leinwand, 205 x 95 cm, für über eine halbe Million Dollar einen Käufer oder eine Käuferin, genau waren es
US$ 564'463.
Ein Blick in die Verkaufslisten verschiedener Auktionshäuser zeigt allerdings, dass es manchmal auch günstiger geht – es werden auch Grosse-Werke für fünfstellige Summen angeboten.
Titelbild (Ausschnitt)
Katharina Grosse (1961). Ohne Titel.
2021, Acryl auf Leinwand , 291 × 480 cm.
Private collection, Courtesy Gagosian.
Katharina Grosse, Jahrgang 1961.
Die Sprayerin.
Monumentale Arbeiten in monumentalen Räumen.
|
Katharina (die) Grosse
Bei ihr ist alles gross – nein, monumental. Ihre Werke, ihre Ateliers, ihre Arbeitsbereiche in- und outdoor, aber vor allem ihr künstlerisches Denken. Sie sagt: «Malerei ist unabhängig von Orten».
Für ihre farbgewaltigen Bilder auf Leinwänden verwendet sie grosse Pinsel, für draussen die Spraypistole mit Kompressor. Mit dieser dringt sie in neue Dimension der Malerei vor, färbt ganze Häuser, Bäume, ja ganze Landschaften ein. Und sprengt damit unsere herkömmlichen Vorstellungen von Kunstmalerei.
Viele ihrer Werke sind nicht für die Ewigkeit gedacht, sondern sind Momentaufnahmen. Manchmal werden sie übermalt, manchmal ganz entsorgt.
Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern zeigt zwar «nur» klassische Malerei auf Leinwänden, aber auch diese Werke beeindrucken durch ihr Format und durch eine Farbsprache, die neue Dimensionen setzt. Alles ist möglich. Think big!
>YouTube Film: Katharina Grosse persönlich
|
Ausstellung im Kunstmuseum Bern |
|
Ausstellungsplakat
|
Atelier-Arbeiten der letzten 30 Jahre
Die Auswahl der in der Ausstellung präsentierten rund vierzig Gemälde deckt die letzten dreissig Jahre der Künstlerin im Atelier ab. Die Ausstellung wurde vom Mildred Lane Kemper Art Museum (Washington University in St. Louis, USA) in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Bern organisiert.
>YouTube Film: Einführung in die Ausstellung
|
Katharina Grosse (1961). Ohne Titel, 1991. Öl auf Leinwand,200 × 300 cm. |
1991: Öl auf Leinwand, mit Pinsel
Was Grosses abstrakte Farbkompositionen darstellen sollen, ist schwer ergründbar. Ein Ergründen ist aber auch nicht sinnvoll – es sind ja abstrakte Werke. Die Künstlerin verzichtet auf Titel, die es dem Betrachter erleichtern würden, in den Bildern «etwas zu erkennen». Hier sind es Schleier aus kräftigen Farbtönen, die sich überlagern. Sie bestehen aus mehreren Schichten Ölfarbe übereinander, aufgetragen mit dem Pinsel.
|
Katharina Grosse (1961). Ohne Titel, 1993 Öl auf Leinwand,
|
1993: Makroaufnahme im Schilf?
Sind das Schilfhalme? Für Katharina Grosse sind es nur Farben. Sie sieht sich in der Gestaltung dieser Farbbeziehungen Gelb/Blau als Vermittlerin zwischen den einzelnen Farben:
«Wenn ich male, bin ich emotional verbunden mit sich überlappenden Farbbewegungen. Ich fühle mich in diesem Moment wie eine Schiedsrichterin zwischen Gelb und Blau.»
|
Katharina Grosse (1961). Ohne Titel, 2001 Acryl auf Leinwand, |
2001: Aus der (Spray)Pistole geschossen
Vor diesem mehr als vier Meter breiten Bild setzen sich die BetrachterInnen hin und träumen von... vielleicht einem Abendrot? Technisch gesehen ist es eine Arbeit mit der Spraypistole. Farbe wird versprüht und regnet direkt auf die Leinwand oder bildet zunächst einen Nebel in der Luft und setzt sich erst nach und nach auf dem Bildgrund ab. Manchmal bilden sich auch dünnfädige Tropfspuren. Durch den Einsatz von Neonfarben erhält das Farbenspiel eine spezielle Wirkung.
|
Katharina Grosse (1961). Ohne Titel, 2002. Acryl auf Leinwand,269 × 203 cm. |
2002: Die lodernden Flammen
Man glaubt, in ein Feuer zu blicken. Das flackernde Orange wirft grüne Schatten und an vereinzelten Stellen verlaufen tropfende Schlieren.
Dieses Werk entstand in der Experimentierphase mit Sprayfarbe in den 2000er-Jahren. Die Künstlerin interessierte sich für die Überlagerung der Farbschichten. Welche Farbe drängt sich stärker in den Vordergrund, welche tritt zurück? Wird der Bildgrund Weiss auch als Farbe oder eher als Leerstelle wahrgenommen?
|
Katharina Grosse (1961). Ohne Titel, 2008. Acryl und Erde auf Leinwand, 240 cm. |
2008: Mit der Erde verbunden
Dieses Werk besteht aus zwei Teilen: die obere Hälfte wurde von der Künstlerin besprayt; die untere dagegen von der Natur geschaffen. Ein Teil der Leinwand steckte im Boden und weist nun verkrustete Erde auf. Auf diese Weise verbindet Grosse ihr Werk mit elementaren Entstehungsprozessen. |
Katharina Grosse (1961). Ohne Titel, 2013. Acryl auf Leinwand, |
2013: Acryl und Schablonen
Einige dieser «unordentlichen» Formen sind direkt gemalt, andere durch Schablonen entstanden, die der Künstlerin während des Malvorgangs die Sicht versperren. Farbspritzer schweben, fliessen, tropfen und erzeugen ein Wirrwar von «Vorhängen» mit 3D-Tiefenwirkung. Insgesamt verschmelzen diese zu einem abstrakten Gesamtbild.
Grosse hebelt mit diesem «Wirrwarr» das Konzept der Malerei aus, wonach diese die Welt abbilden soll, wie wir sie wahrnehmen.
|
Katharina Grosse (1961). Ohne Titel, 2020. Acryl auf Leinwand und Holz, 312 × 605 cm. |
2020: Sprayerei auf Leinwand und Holz
Jede Oberfläche bringt die gesprayten Farben anders zur Geltung. Das sieht man bei diesem Werk sehr gut: Auf dem aufgenagelten Schwemmholz wirken sie deutlich matter. Sprayen ist für diese Arbeit besonders ideal: Würde die Künstlerin einen Pinsel verwenden, müsste sie immer wieder Farbe aufnehmen. Beim Sprayen hingegen kann sie in einem Zug sowohl über die sechs Meter (!) breite Leinwand als auch über die angedockten 3D-Hölzer hinwegsprayen.
|
Katharina Grosse (1961). Ohne Titel, 2022. Acryl auf Leinwand, |
2022: Orgasmus der Farben
Das jüngste Werk in der Ausstellung – und vielleicht auch das eindrücklichste. Ein Orgasmus von Farben! Die Künstlerin lässt ihre Spraypistole locker schwingen und erzeugt mit knalligen Farbtönen von Gelb über Orange bis zu Magenta ein Bild der Lust.
Grosse bearbeitet im Atelier oftmals mehrere Leinwände gleichzeitig – deshalb benötigt sie auch so riesige Räume – und sprayt manchmal über mehrere Leinwände hinweg. Dieses Werk zeigt deshalb nur einen Ausschnitt des «Gesamtwerkes», das eigentlich über die Leinwand hinausreichen würde.
|
Fotos / Diashow Ausstellung
|