Antonello da Messina (1430-1479)


Er schuf zwar grossartige Sakralbilder und gilt als Wegbereiter für die Ölmalerei in Italien. Aber was ihn von allen abhebt: Er malte Porträts wie keiner vor ihm (und nur wenige nach ihm) – Bildnisse von unvergleichlichem Realismus, Gesichtszüge von einmaliger Emotionalität.

 

Antonello da Messina kam 1430 in Messina, Sizilien, als Sohn eines Steinmetzen zur Welt. Seine erste Ausbildung zum Maler erhielt er in Neapel in der Werkstatt von Colantonio, in der auch flämische Künstler tätig waren. Zur Weiterbildung reiste er dann als Zwanzigjähriger für drei Jahre nach Venedig, Mailand und Rom.

 

Vermutlich war er etwa ab 1460 in Kalabrien tätig, ab 1465 dann wieder in Messina. Hier entstand sein erstes datiertes und signiertes Werk – was etwas Dunkel in seine sonst dürftig vorhandenen Lebensdaten bringt. Es heisst «Salvator Mundi» und stammt gesichert aus dem Jahr 1465.

 

 

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Salvator Mundi, 1465.
National Gallery London.

 

 

1474/1475 hielt er sich in Venedig auf, wo das Altarbild für die Kirche San Cassiano entstand. Heute ist es im Kunsthistorischen Museum Wien zu sehen. Welche Werke er sonst noch in Venedig schuf, ist unklar.

 

 

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Altarbild für die Kirche San Cassiano, Venedig,
1475. Kunsthistorisches Museum Wien.

 

 

 

1475 kehrte er nach Sizilien zurück. Hier realisierte er die so benannte «Annuciata di Palermo», eine wunderbare Madonna mit blauem Umhang und aufgeschlagener Bibel. Aus dem selben Jahr stammt auch das «Ritratto Trivulzio», das geniale Porträt mit dem spöttischen Blick.

 

 

In der kurzen Zeitspanne von 1474 bis zu seinem Tod 1479 entstand ein Grossteil der heute noch erhaltenen Werke. Der Künstler starb im Februar 1479 in Messina. In seinem Testament hinterliess er die Bitte, in einer klösterlichen Umgebung begraben zu werden.

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Antonello da Messina (1430-1479).

Madonna con Bambino, undatiert.

Museo Regionale di Messina.

 

 

 

 

 

 

verkündigung

Antonello da Messina (1430-1479). Maria Verkündigung, 1473. Alte Pinakothek München.

 

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Antonello da Messina (1430-1479). Ecce Homo, 1473. Collegio Alberoni Piacenza. Foto The Yorck Project.

 

Der erste grosse Meister der Porträtkunst

 

Dem Sizilianer reicht es nicht, Menschen (oder auch biblische Figuren) einfach abzubilden. Er will in seinen Werken Emotionen aufzeigen. Schmerz, Freude, Überraschung, Furcht, Nachdenklichkeit, Arroganz, Überheblichkeit... das ganze Programm.

 

Das Gemälde Verkündigung aus dem Jahr 1473 ist ein Beispiel seines Talentes, Stimmungslagen abzubilden. Hier fokussiert er voll auf das Gesicht der geschockten Maria, der eben verkündet wurde, sie sei vom heiligen Geist schwanger. Der Künstler verzichtet dabei ganz auf den verkündenden Engel. Und er braucht auch keine Taube, die den heiligen Geist symbolisiert. Das Gesicht der verwunderten Maria allein spricht Bände.

 

>mehr über die Verkündigung

 

Auch dieser hoch emotionale Gesichtsausdruck spricht für sich selbst – aber auch für die Fähigkeit des Künstlers, Schmerz (Enttäuschung? Frust?) darzustellen. Vom Thema Ecce Homo malt er fünf verschiedene Versionen. Diese hier ist wohl die Ausdruckstärkste.


Der Ausdruck «Ecce Homo» stammt aus dem Johannes-Evangelium (19:5). Pontius Pilatus spricht diese zwei Worte aus, als er den mit einer Dornenkrone versehenen Jesus der Menge vorstellt. Die aufgebrachte Meute verlangt dann Christi Kreuzigung.

 

 

 

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Antonello da Messina (1430-1479). Porträt eines Mannes, 1475-78. Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid.

 

Hat er die Ölmalerei nach Italien gebracht?

 

Dies behauptet jedenfalls der florentiner Maler und Kunsthistoriker >Vasari, der von 1511-1574 gelebt hat. Seiner Version nach hat Messina die Technik in den Niederlanden bei Jan van Eyck kennen gelernt und nach Hause gebracht.

 

Von heutigen Kunsthistorikern wird Messinas Reise in die Niederlande bezweifelt. Möglich sei aber, dass Messina einige Ölwerke von niederländischen Künstlern wie van der Weyden oder >van Eyck (1390-1441) in Italien gesehen habe und daraus seine eigene Ölmaltechnik entwickelt habe.

 

Als einigermassen gesichert kann immerhin gelten, dass Antonello da Messina seine Ölmalkunst von Sizilien aus im weiteren Italien verbreitet und populär gemacht hat.

 

 

 

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Antonello da Messina (1430-1479). Dead Christ supported by an Angel, 1475-78. Museo del Prado, Madrid.

 

 

Der verzweifelte Engel

 

Dieses Gemälde hängt seit 1965 im Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid. Mit diesem zu Tränen rührenden Werk übertrifft sich der Künstler noch selbst.

 

Das Thema «toter Christus von Engeln gestützt» ist in der Renaissance ein beliebtes. Andere Meister haben den toten Jesus auch so oder ähnlich dargestellt. In allen ist er die Hauptfigur.

 

Nicht aber bei Messina. Bei ihm sticht vor allem der vom Schmerz geradezu überwältigte Engel hervor, tränenüberströmt. Und so real gemalt, dass man gleich mitheulen möchte.

 

 

 

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Antonello da Messina (1430-1479). Ritratto Trivulzio, 1476. Museo civico d'arte antica, Torino.

 

 

Der spöttische Blick

 

Ein weiteres charakteristisches Beispiel für die einmalige Porträtierkunst des Antonello da Messina. Wer der Mann auf dem Bild ist, weiss man nicht. Vermutlich ein Adliger, denn viele Adlige gehörten zum Kundenstamm des Meisters.

 

Dieses Gesicht zieht jeden Betrachter in den Bann. Was geht in seinem Kopf vor? Was sagt dieser spöttische, verächtliche Blick? Worauf bezieht er sich? Auf den Maler, dem er vermittelt «ach du mit deinem Pinsel, wer bist du schon»? Eine Antwort gibt es natürlich nicht. Aber die Frage drängt sich auf: Wie kann man sowas malerisch einfangen? Einfach phänomenal.

 

Auch die Herzogin von Mailand, Galeazzo Maria Sforza, muss von diesem Werk begeistert gewesen sein. Sie lud den Künstler zu sich nach Mailand ein, doch dieser hatte keine Lust auf eine Reise in den Norden.

 

 

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Antonello da Messina (1430-1479). Madonna con Bambino, undatiert. Museo Regionale di Messina.

 

 

Der frühreife Säugling

 

Gemälde von Jungfrauen mit dem Kind gibt es zu Tausenden. In der Regel konzentrieren sich die Künstler auf die Abbildung der Madonna – und das Kind spielt eine passive Rolle, wird im Arm gehalten oder manchmal an die Brust gelegt.

 

Nicht bei Messina. Bei ihm ist die Jungfrau eine Nebendarstellerin. Dafür lässt er den frühreifen Säugling für Action sorgen: Mit gekonnter Geste (wirkt sie nicht leicht herablassend?) erteilt der Kleine einem Kirchenvertreter seinen Segen. Jesus als wundersamer Säugling.

 

Das Bild wirkt beeindruckend, obwohl es bloss ein Mini-Bildchen von gerade mal 16 x 12 cm ist.

 

 

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Fotos / Diashow

 

 

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