Thu-Van Tran (1979)


Thu-Van Tran ist eine vietnamesische Künstlerin, geboren 1979 in Ho-Chi-Minh-Stadt (einst Saigon). Heute lebt und arbeitet sie in Paris. Ihre Werke sind von Literatur und Geschichte geprägt. Vor allem mit der vietnamesischen Geschichte. In vielen ihrer Werke nimmt sie Bezug auf den Vietnamkrieg und auf die Spuren, die dieser bis heute hinterlassen hat.

 

 

Thu-Van Tran.

 

 

Ihr Kunststudium nimmt sie 2000 in der Glasgow School of Art auf, Spezialgebiet Umweltdesign. Dann studiert sie in der Coubertin Foundry in Saint-Rémy Les-Chevreuses. 2004 macht sie ihren Master in Fine Arts an der Ecole Nationale Supérieure des Beaux-Arts in Paris.

 

Schon früh hat sie ihre ersten Einzelausstellungen. 2007 im Centre Culturel Français in Hanoi und im gleichen Jahr im Musée des Beaux-Art in Mulhouse. Es folgen Ausstellungen in Paris und Brüssel, 2013 auch in Basel, 2016 in Guadalajara Mexiko, im Macleay Museum in Sydney und im Berliner Kunstverein. 2017 in New York, in diesem Jahr ist sie auch an der Biennale Venedig vertreten, 2019 an der Art Basel.

 

 

 

Plakat Ausstellung 2023 MAMAC.

 

 

2023 präsentiert sie in Nizza im >Museum MAMAC
die Ausstellung «Nous vivons dans l'Eclat» (Wir leben im Glanz). Es ist eine Retrospektive, die fünfzehn Jahre ihres Schaffens zeigt. Hier setzt sie sich mit der Geschichte Vietnams auseinander – aber auch mit dem Ökosystem, das durch die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der modernen Welt instabil geworden ist.

 

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Thu-Van-Tran (1979). Les Couleurs du gris,

aus der Serie 2012-2023. Ausstellung «Nous

vivons dans l'Eclat», 2023. MAMAC Nice.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Thu-Van Tran (1979). Les Couleurs du gris, Serie 2012-2023. MAMAC Nice.

 

Thu-Van Tran (1979). Les Couleurs du gris, Serie 2012-2023.

 

Thu-Van Tran (1979). Arc-en-ciel d'herbicides, 2023. Ausstellung MAMAC Nice «Nous vivons dans l'Eclat».

 

Thu-Van Tran (1979). Les Couleurs du gris, Serie 2012-2023.

 

 

Angeklagt: Amerikaner und Franzosen

 

In ihren monumentalen Gemälden von bis zu neun Metern Breite übersetzt die Künstlerin visuell, was in den 1950/70er-Jahren in ihrer Heimat Vietnam passiert ist. Zuerst die brutale Ausbeutung des Landes und der Menschen in den Kautschuk-Plantagen durch die Franzosen (was zu den Volksaufständen und schliesslich zum Vietnamkrieg geführt hat), dann das Wüten der US-Army inklusive Einsatz von Pestiziden, um die Wälder zu entlauben. Explosionen, Vergiftung des Bodens, Düsternis, Zerstörung und Vernichtung...

 

Le gris – das Grauen

 

In ihrer Serie Couleurs du gris, die Tran seit 2012 entwickelt hat, will sie nicht nur die Farbe Grau verstanden wissen, sondern auch das Grauen. Sie verwendet sechs Farben in unterschiedlicher Reihenfolge und unterschiedlicher Deckkraft, was letztlich zu einem farbigen Grau(en) wird.

 

Die sechs Farben haben allerdings eine ganz besondere Bedeutung. Es sind die Farben der Fässer, die diese Herbizide (Dioxine) enthielten: Weiss, Rosa, Blau, Grün, Lila und Orange. Sie verkörpern das «Rainbow Herbicide», das die US-Army in den 1960er-Jahren in den Wäldern Vietnams versprühte, um die Verstecke der Vietcong zu «entlauben».

 

Die Baumstämme sind Reproduktionen von Bäumen aus einer Kautschukplantage in Vietnam, die lange Zeit (schon ab den 1920er-Jahren) von den Franzosen brutal ausgebeutet wurde – insbesondere von Michelin für die Reifenproduktion – was letztlich der Auslöser war für den Volksaufstand und den Vietnamkrieg.

 

Thu-Van Tran (1979). Échange de présents (2016). Ausstellung MAMAC Nice «Nous vivons dans l'Eclat».

 

 

Tempel und Opfergaben

 

Auf den ersten Blick erschliesst sich die Aussage dieses Werk nicht. Es geht um Opfergaben für einen Tempel, die die Künstlerin auf dem Boden ausbreitet. Der Tempel wirkt eher wie ein Garderobeständer, auf dem eine Gummimatte hängt. Die Message dahinter: Es geht um die Ungleichheit des Austauschs: Auf der einen Seite Rohstoffe und ausgebeutete Arbeitskräfte – Gipshände und -Arme – auf der anderen die Leere des Museums.

 

 

Thu-Van Tran (1979). Pénétrable, 2023. Ausstellung MAMAC Nice «Nous vivons dans l'Eclat».

 

Allegorie des Trostes


«Pénétrable» heisst diese Installation. Auf den wellenförmigen Sockeln sind rund hundert Porzellanstücke platziert, die in der Fabrik in Sèvres hergestellt wurden und an Felsbrocken erinnern. Aber sie verwandeln sich auch in Flügel und weisse Federn und beziehen sich auf eine vietnamesische Legende über den Geist vom Himmel, der trauernden Familien Schlaf anbietet und Steine ​​in Vögel verwandelt. Eine Allegorie des Trostes, wie die Künstlerin erklärt.

 

 

Thu-Van Tran (1979). Roman sans titre, 2021. Ausstellung MAMAC Nice «Nous vivons dans l'Eclat».

 

Roman ohne Titel

 

In diesem Werk spielt Tran auf das Buch von Duong Thu Huong an: «Roman sans titre». In diesem geht es um drei Freunde, die den Kampf gegen die US-Army aufnehmen. Der eine wird Hauptmann und schickt den anderen in eine Todeszone, um den vermissten dritten der Freunde zu suchen. Im Dschungel und die durch die Bombenangriffe zerstörten Täler laufen in seinem Kopf Bilder ab aus seinem – bisher glücklichen – und für immer vergangenen Leben als junger Mann. Der Roman schildert das brutale tägliche Soldatenleben und prangert den Zynismus des Krieges an.