Gerda Wegener (1886-1940)

und Lili Elbe (1882-1931)


Was für ein Paar! Und was für eine Lebensgeschichte!

Sie ist so spektakulär, dass sie in einem Buch und in einem Film verarbeitet wird: THE DANISH GIRL.

 

Als sich das Paar 1902 an der Königlichen Kunstakademie in Kopenhagen kennen lernt, heissen sie noch Einar Wegener und Gerda Gottlieb. 1904 heiraten die beiden. Einar und Gerda Wegener, Mann und Frau – ein ganz normales Paar. Oder doch nicht?

 

 

Gerda und Einar Wegener als Ehepaar,

1924. Foto WikiCommons.

 

 

Keine Spur von «normal». Im sexuellen Bereich ticken die beiden ausserhalb der Norm. GERDA ist bisexuell und EINAR intersexuell veranlagt. Deshalb zieht das Paar nach Paris, in der Hoffnung, dort ihre speziellen Neigungen freier ausleben zu können.

 

Gerda liebt (auch) Frauen und malt mit Vorliebe Frauen. Ihr Gatte sitzt ihr Modell – in Frauenkleidern. Das bereitet ihm zunächst Lust, aber bald merkt er, dass da mehr dahinter steckt: er fühlt sich als Frau. Er hört mit Malen auf, ist nur noch Modell – für seine Ehefrau. Gerda porträtiert ihren Gatten, dutzendfach. 1930 unterzieht sich Einar einer Geschlechtsoperation und nennt sich fortan LILI ELBE. Jetzt besteht das Paar aus zwei Frauen. Für eine gleichgeschlechtliche Ehe ist die Zeit aber noch nicht reif. Der dänische König annulliert die Ehe.

 

Und auch für Lili Elbe selbst gibt es kein Happy-End. Sie möchte jetzt «ganz Frau» werden und entscheidet sich 1931 für weitere Eingriffe. Nach einer vierten Operation, vermutlich eine Uterus-Transplantation, kommt es zu schweren Komplikationen, die zu ihrem Tod führen. Lili Elbe stirbt am 12. September 1931 in der Frauenklinik in Dresden a.d. Elbe im Alter von 49 Jahren.

 

Inzwischen hat Gerda Wegener wieder geheiratet. Einen elf Jahre jüngeren italienischen Offizier, Piloten und Diplomaten (Major Fernando Porta). Mit diesem zieht sie nach Marokko. Dort erfährt sie, dass Lili Elbe in Dresden an der Operation gestorben ist. Die Ehe mit Fernando Porta hält nicht lange: 1936 lässt sich das Paar scheiden, Gerda Wegener kehrt nach Kopenhagen zurück.

 

1939 hat Gerda Wegener ihre letzte Ausstellung, aber mit wenig Erfolg. Ihre Werke – vorwiegend im Jugendstil – sind nicht mehr gefragt. Gerda Wegener stirbt am 28. Juli 1940 in Frederiksberg an einem Herzinfarkt – mit nur vierundfünfzig Jahren.

 

 

Gerda Wegener, 1904.
Foto Wilhelm Kihlstrøm.

WikiCommons.

 

Einar Wegener, alias Lili Elbe,

1926. WikiCommons.

 

 

Im Jahr 2000 verfasst der amerikanische Schriftsteller David Ebershoff ein Buch über die (Leidens)geschichte von Gerda und Einar Wegener. Unter dem Titel «The Danish Girl». 2015 wird das Buch verfilmt, ebenfalls unter dem Titel «The Danish Girl». Es ist eine emotional aufwühlende Geschichte, die ganz gut in die heutige Zeit passt – Genderdiskussionen werfen ja hohe Wellen in allen Medien.

 

Lili Elbe im Film «The Danish Girl»

 

>Filmtrailer auf YouTube

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)
Gerda Wegener (1886-1940)

Les femmes fatales, 1933.

Privatsammlung. Foto WikiCommons.

 

Gerda Wegener (1886-1940). Portrait of a Girl, 1904. WikiArt.

 

 

 

Lili Elbe / Einar Wegener (1882-1931). Street view with chickens, 1904. Fotoquelle Bruun Rasmussen. WikiCommons.

 

 

1902: Kunstakademie Kopenhagen

 

Die beiden dänischen Maler:innen Gerda Gottlieb und Einar Wegener lernen sich beim Kunststudium in der Dänisch Königlichen Kunstakademie in Kopenhagen kennen. 1904 heiraten sie. Soweit alles im üblichen Rahmen, als Mann und Frau.

 

Ihre künstlerischen Werke bewegen sich zunächst im akademischen Rahmen. Einar Wegener gilt anfangs als der begabtere Künstler, aber Gerda schafft vor ihm den Durchbruch als Illustratorin. 1908 gewinnt sie einen Zeichenwettbewerb der dänischen Zeitung «Politiken». Die Aufgabenstellung kommt ihr entgegen. Sie lautet, eine «Kopenhagenerin» zu zeichnen. Frauenporträts sind ihr Lieblingssujet.

 

1912 lässt sich das Paar in Paris nieder – Gerda ist dafür die treibende Kraft. Sie ist bisexuell und erhofft sich von der «Stadt der Liebe» mehr Freiheiten.

 

Gerda Wegener spezialisiert sich auf erotische Frauenbilder, auf Garçonnes und auf glamouröse Diven in >Jugendstil und ArtDéco.

 

In Paris arbeitet sie für Modezeitschriften wie die Vogue, La Vie Parisienne und weitere.

 

 

Einar Wegener in Frauenkleidern, porträtiert von Gerda Wegener, 1928. Foto WikiCommons.

 

 

Der Gatte als Modell – in Frauenkleidern

 

In Paris stellt Einar Wegener seine malerische Tätigkeit zurück, um Ehefrau Gerda zu unterstützen. Er wird ihr bevorzugtes Modell und posiert oft in Frauenkleidern. Zunächst aus purer Lust, dann wird sein Verlangen danach immer grösser. Er kann gar nicht mehr anders und tritt auch in der Öffentlichkeit in Frauenkleidern auf. Nach und nach wird ihm klar, dass er in einem weiblichen Körper steckt. Nun will er als Frau leben.

 

1930 unterzieht sich Einar Wegener in der Frauen-klinik Dresden a.d.Elbe einer Geschlechtsoperation und nennt sich fortan Lili Elbe.

 

 

 

Gerda Wegener (1886-1940).
Illustrationen für «Les délassements d'Eros», 1925. Foto WikiCommons.

 

 

 

Erotische Illlustrationen

 

«Les délassements d'Eros» (Eros' Entspannungen) ist eine Publikation aus dem Jahr 1925. Sie besteht aus lyrischen Texten von Louis Perceau und Illustrationen von Gerda Wegener.

 

Sie ist bisexuell, liebt also auch Frauen. Erotische Darstellungen sind ihr Lieblingsmotiv. In ihren Zeichnungen und Gemälden sind Frauen keine Lustobjekte der Männer, sondern eigenständig handelnde, selbstbewusste Personen.

 

Dazu passt ihre eigene Aussage:

 

«Die Frau muss ihre weiblichen Instinkte und Qualitäten entfesseln, mit ihrem weiblichen Charme spielen und die Konkurrenz mit dem Mann aufgrund ihrer Weiblichkeit gewinnen – niemals durch den Versuch, ihn nachzuahmen.»

 

 
Gerda Wegener (1886-1940).
Illustrationen für «Une aventure d'amour à Venise», 1927. Foto WikiCommons.

 

 

 

Casanovas Liebesabenteuer in Venedig

 

Auch für das literarische Werk «Casanova – Une aventure d'amour à Venise», das 1927 im Verlag Georges Briffaut erscheint, betraut man für die erotisch-süffigen Illustrationen Gerda Wegener.

 

Das Buch, das in einer kleinen Auflage von bloss fünfhundert Exemplaren auf den Markt kommt, enthält nicht nur Wegeners Illustrationen, sondern auch Textauszüge aus Giacomo Casanovas «Geschichte meines Lebens». Der weltberühmte Lover beschreibt darin Abenteuer, die er mit seinen Geliebten in Venedig hatte.

 

In dieser Illustration von Gerda Wegener begnügt sich Casanova allerdings mit der Rolle des Voyeurs und beobachtet genüsslich, wie sich zwei Frauen beim Liebesspiel vergnügen.

 

 

Gerda Wegener (1886-1940).
Illustration für La Fontaine's «Contes et nouvelles en vers», 1928. Foto WikiCommons.

 

«Contes et nouvelles» von La Fontaine

 

Die erotisch angehauchten «Märchen und Kurzgeschichten in Versen» kamen 1665 erstmals auf den Markt. Dabei liess sich Jean de La Fontaine (1621-1695) von mehreren französischen und italienischen Werken des 15. und 16. Jahrhunderts inspirieren – insbesondere von den ausschweifenden Erzählungen Boccaccios.

 

1928 werden dann die «Contes et nouvelles» neu aufgelegt, und zwar vom renommierten Verlag Charles Carrington in Paris. Für die sinnlichen Illustrationen ist einmal mehr Gerda Wegener gefragt.

 

 

Gerda Wegener (1886-1940).
Illustration für «Sur Talons rouges». WikiCommons.

 

 

Auf roten Absätzen

 

Auch das ist eine Sammlung von erotischen Kurzgeschichten. Sie heisst «Sur Talons Rouges – Les fantaisies de Vespasien», verfasst von Éric Allatini und verlegt 1929 in Paris von Georges Briffaut (wie Casanovas Abenteuer).

 

Diese Geschichten spielen in höchsten Kreisen des Adels und in den nobelsten Fürstenhöfen.

Gerda Wegeners Beitrag dazu sind Aquarelle.
In ihren Illustrationen nimmt sie die lüsternen (männlichen) Adeligen ganz schön auf die Schippe – manche davon sind veritable Karikaturen.

 

 

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Werke von Gerda Wegener