Caspar Wolf (1735-1783)

 

Lust auf Bergwelten? Heute kein Problem mehr. Mit Zahnrad- und Seilbahnen gelangen wir auf die schönsten Gipfel. Aber damals, vor 250 Jahren? Da waren die Alpen eine unbekannte, bedrohliche Wildnis, und wer sich da hin traute, war ein verwegener Abenteurer und ein Pionier.

 

 

Selbstporträt Caspar Wolf, 1774.

Aquarell von Mathias Stumpf.

 

 

Caspar Wolf war so ein Pionier. Als einer der Ersten erforschte er in den 1770er-Jahren die Schweizer Alpen. Nach mühseligen Aufstiegen zeichnete und malte er die Gipfel, Täler, Schluchten, Gletscher und Sturzbäche – direkt vor Ort. Zuhause im Atelier verarbeitete er dann seine Skizzen zu Ölgemälden – oder sie wurden in Stiche und Drucke für Illustrationen umgearbeitet.

 

 

Zeichnen vor Ort in den Alpen.

 

 

Nach seinem Tod 1783 geriet Wolf lange in Vergessenheit. «Wiederentdeckt» wurde er erst gegen Mitte des 20. Jahrhunderts, als vereinzelnte Wolf-Bilder ausgestellt wurden. Den Durchbruch «zum neuen Leben» brachte aber erst eine grosse Retrospektive 2015 im Kunstmuseum Basel. Heute sind seine Werke in mehreren Museen zu sehen: In Basel, Aarau, Winterthur, Sion. Die umfassendste Sammlung gibt es in Muri zu sehen, in seinem eigenen Museum, das man ihm 2019 gewidmet hat.

 

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Caspar Wolf kommt 1735 als Sohn von Johann Josef Wolf und Anna Sybilla Wolf in Muri im Kanton Aargau zur Welt, wo er auch aufwächst. Sein Vater ist ein verarmter Tischler. Mit vierzehn kann Caspar dank der Unterstützung des Abtes des Klosters Muri eine Lehre als Kirchen- und Landschaftsmaler beginnen. Nach der Lehre zieht er nach München, Passau und Augsburg, wo er Jakob Weyermann begegnet, einem Schweizer Landschaftsmaler. 1760 kehrt er nach Muri zurück.

 

Das Kloster Muri – eine Fürstabtei – befindet sich in jener Zeit um 1760 in Hochblüte. Für Künstler ist das Kloster ein wichtiger Auftraggeber, so auch für Caspar Wolf. Hier bemalt er Kapellen und Altäre.


1768 zieht Wolf nach Paris, um dort seine Malkunst zu verfeinern.

 

1773 wird er dann vom Berner Verleger Abraham Wagner «entdeckt». Dieser möchte ein Buch über die Schweizer Alpen herausgeben. Er lädt den Künstler ein, zusammen mit ihm die damals noch unentdeckten Geheimnisse des Hochgebirges zu erkunden. Wolf hält alles in Skizzen fest. Diese werden dann als Kupferstiche weiterverarbeitet und schliesslich in Buchform publiziert.

 

Wagners Alpen-Buch müsste eigentlich eine gute Werbung für Wolfs Werke gewesen sein. Verleger Wagner stellt denn Wolfs Ölgemälde auch aus – zuerst in Bern und dann in Paris – verkaufen lassen sich die Bilder aber nicht.


Anfang der 1780er Jahre muss sich Wolf wegen eines Nierenleidens zur Kur in die Rheinlande begeben. Dort bemüht er sich um Aufträge für Veduten, aber auch das mit wenig Erfolg – er lebt in bitterer Armut.

 

Am 6. Oktober 1783 stirbt er in Heidelberg und gerät in Vergessenheit. Sogar in seiner Heimat Muri erfährt man erst zwei Jahre später von seinem Tod.

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)
Caspar Wolf (1735-1783). Blick von der Bänisegg über den unteren Grindelwandgletscher, ca. 1777. Stiftung Murikultur, Museum Caspar Wolf, Muri.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Caspar Wolf
(1735-1783). Chûte du Myrrenbach
dans la Vallée de Lauterbrounn, 1777. Stiftung Murikultur.
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Caspar Wolf
(1735-1783). «Merkwürdige Prospekte No3.» Schiltwaldbach,
Vallée de Lauterbrounn, 1777. Stiftung Murikultur.

 

Titelseite «Vue remarquables de Montagnes de la Suisse avec leur description».

 

 

Bilder einer Bergwelt, die niemand kannte

 

Was man sich heute kaum mehr vorstellen kann: Damals, um 1770 herum, waren die Schweizer Alpen noch weitgehend unerforschtes, wildes Gebiet.

 

Das will der Berner Verleger Abraham Wagner ändern. Ihm schwebt ein Buch vor, das diese Wissenslücke schliesst. 1773 erteilt er dem Zeichner und Maler Caspar Wolf den Auftrag, Gemälde mit Landschaftsansichten aus den Schweizer Alpen zu fertigen – als Vorlagen für Illustrationen einer Publikation, der er den Titel gibt:

 

«Merkwürdige Prospekte aus den Schweizer Gebürgen und derselben Beschreibung»

 

Der Titel selbst klingt etwas «merkwürdig». In der französischen Fassung wird die Sache dann aber klar: «Vues remarquables de Montagnes de la Suisse avec leur description».

 

Das Vorwort stammt von Albrecht von Haller, einem der Väter der Aufklärung in der Schweiz. Der Universalgelehrte macht sich aber auch als Dichter einen Namen. So mit seinem Gedicht «Die Alpen» von 1729, das viele auf den Geschmack bringt, sich mit der Bergwelt zu befassen. Dazu gehört auch der Verleger Wagner.

 

Caspar Wolf gehört zum Expeditionsteam, das in die Alpen loszieht. Mit dabei ist neben Verleger Wagner auch der Pfarrer und Naturwissenschaftler Jakob Samuel Wyttenbach, der die Expedition in Worten beschreibt.

Wolf hält die landschaftlichen «Merkwürdigkeiten» direkt vor Ort in Zeichnungen und Ölskizzen fest. Danach werden sie in klassische Ölgemälde übertragen und in den damals aktuellen Tiefdruckverfahren reproduziert.

 

In den vier Expeditionsjahren bis zur Drucklegung der Publikation im Jahre 1777 malt Wolf mehr als 150 solcher Gebirgsansichten, die meisten in einem Format von 54 x 82 cm. Diese Bilder gehören dem Verleger Wagner und sind unverkäuflich, hingegen können interessierte Sammler eigenhändige Repliken in einem Format nach Wunsch erwerben.

 

Wolfs Ölgemälde schmücken aber auch das sogenannte «Wagnerische Cabinett». Dort stellt der Verleger die Ölbilder in dichter Hängung aus.

 

Wolf möchte aber auch seine originalen Ölgemälde verkaufen können. Verleger Wagner hilft ihm beim Organisieren von Ausstellungen in Bern und Paris, aber an beiden Orten stellt sich kein Erfolg ein.

 

 

Caspar Wolf (1735-1783). Oberer Staubbachfall im Lauterbrunnental, 1777. Öl auf Leinwand. Stiftung Murikultur.

 

Staubbachfall – die besondere Attraktion

 

Verleger Abraham muss von diesem Wasserfall besonders begeistert gewesen sein. Schon in seiner ersten Ausgabe der «Merkwürdigen Prospekte» wählt er ihn als eine der zehn wichtigsten Alpenansichten aus. Der Wasserfall kommt dann auch in den Nachfolgeausgaben «Alpes Helveticae» von 1777/89 und den ab 1780 in Paris und Amsterdam herausgegebenen «Vues Remarquables» vor. Nun nicht mehr handkoloriert, sondern im neuartigen Verfahren der «Farbaquatinta» farbig gedruckt.

 

Der Staubbach ist einer von 72 Wasserfällen im Lauter-brunnental und stürzt sich in zwei Etappen zu Tal.
Während der Untere Staubbachfall durch seine Höhe von fast 300 Metern imponiert, fasziniert der Obere mit seinen Stufen alle Betrachter – auch den Künstler Wolf.

 

 

 

Panorama der Alpenexpeditionen ab 1777. Von Balthasar Anton Dunkel. Mit Medaillon von Albrecht Haller.
Radierung.

 

 

Hommage an den Mentor der Alpen-Expedition


Diese Vignette wird in den «Merkwürdigen Prospekten» mehrmals verwendet. Es ist eine Hommage an den grossen Naturforscher Albrecht von Haller (1708-1777), der den Anstoss für die Alpenexpedition gab.

 

Die Szene nimmt auf Wolfs Gemälde «Das grosse Panorama der Alpen und Gletscher» Bezug und zeigt die Hauptpersonen der Alpenexpeditionen:

 

Vor der Staffelei Caspar Wolf, links neben ihm der Verleger Abraham Wagner, rechts «Jungfrau Müller, eine feurige Liebhaberin der Alpen» (Zitat Wyttenbach). Am rechten Bildrand macht der Naturforscher Jakob Samuel Wyttenbach Notizen. Über allem thront in Form eines Medaillons der Initiator Albrecht von Haller.

 

 

   

 

Die permanente Sammlung im Wolf-Museum...

 

...untergebracht im Kloster Muri.

 

 

Caspar Wolf-Museum in Muri AG

 

Untergebracht in den prächtigen Gemächern des
Klosters Muri zeigt das Museum in einer permanenten Präsentation rund 40 Gemälde und über hundert Grafiken des «berühmtesten Sohns von Muri».

 

Die museumseigene Sammlung geht auf die Initiative der Kulturstiftung St. Martin zurück. Mit Unterstützung durch weitere Murianer Mäzene kann hier ab 1981 im Gewölbekeller des Singisenflügels die bedeutendste Caspar Wolf-Sammlung aufgebaut werden.


Caspar Wolf gilt als der wichtigste Aargauer Künstler aller Zeiten. Lange war er in Vergessenheit geraten. Rund 250 Jahre nach seinem Tod 1783 erhält er endlich – erst 2019 – mit der Einrichtung seines Museums eine späte, aber umso angemessenere Würdigung.

 

 

 

Caspar Wolf-Werke in diversen Museen