Lust auf Bergwelten? Heute kein Problem mehr. Mit Zahnrad- und Seilbahnen gelangen wir auf die schönsten Gipfel. Aber damals, vor 250 Jahren? Da waren die Alpen eine unbekannte, bedrohliche Wildnis, und wer sich da hin traute, war ein verwegener Abenteurer und ein Pionier.
Selbstporträt Caspar Wolf, 1774.
Aquarell von Mathias Stumpf.
Caspar Wolf war so ein Pionier. Als einer der Ersten erforschte er in den 1770er-Jahren die Schweizer Alpen. Nach mühseligen Aufstiegen zeichnete und malte er die Gipfel, Täler, Schluchten, Gletscher und Sturzbäche – direkt vor Ort. Zuhause im Atelier verarbeitete er dann seine Skizzen zu Ölgemälden – oder sie wurden in Stiche und Drucke für Illustrationen umgearbeitet.
Zeichnen vor Ort in den Alpen.
Nach seinem Tod 1783 geriet Wolf lange in Vergessenheit. «Wiederentdeckt» wurde er erst gegen Mitte des 20. Jahrhunderts, als vereinzelnte Wolf-Bilder ausgestellt wurden. Den Durchbruch «zum neuen Leben» brachte aber erst eine grosse Retrospektive 2015 im Kunstmuseum Basel. Heute sind seine Werke in mehreren Museen zu sehen: In Basel, Aarau, Winterthur, Sion. Die umfassendste Sammlung gibt es in Muri zu sehen, in seinem eigenen Museum, das man ihm 2019 gewidmet hat.
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Caspar Wolf kommt 1735 als Sohn von Johann Josef Wolf und Anna Sybilla Wolf in Muri im Kanton Aargau zur Welt, wo er auch aufwächst. Sein Vater ist ein verarmter Tischler. Mit vierzehn kann Caspar dank der Unterstützung des Abtes des Klosters Muri eine Lehre als Kirchen- und Landschaftsmaler beginnen. Nach der Lehre zieht er nach München, Passau und Augsburg, wo er Jakob Weyermann begegnet, einem Schweizer Landschaftsmaler. 1760 kehrt er nach Muri zurück.
Das Kloster Muri – eine Fürstabtei – befindet sich in jener Zeit um 1760 in Hochblüte. Für Künstler ist das Kloster ein wichtiger Auftraggeber, so auch für Caspar Wolf. Hier bemalt er Kapellen und Altäre.
1768 zieht Wolf nach Paris, um dort seine Malkunst zu verfeinern.
1773 wird er dann vom Berner Verleger Abraham Wagner «entdeckt». Dieser möchte ein Buch über die Schweizer Alpen herausgeben. Er lädt den Künstler ein, zusammen mit ihm die damals noch unentdeckten Geheimnisse des Hochgebirges zu erkunden. Wolf hält alles in Skizzen fest. Diese werden dann als Kupferstiche weiterverarbeitet und schliesslich in Buchform publiziert.
Wagners Alpen-Buch müsste eigentlich eine gute Werbung für Wolfs Werke gewesen sein. Verleger Wagner stellt denn Wolfs Ölgemälde auch aus – zuerst in Bern und dann in Paris – verkaufen lassen sich die Bilder aber nicht.
Anfang der 1780er Jahre muss sich Wolf wegen eines Nierenleidens zur Kur in die Rheinlande begeben. Dort bemüht er sich um Aufträge für Veduten, aber auch das mit wenig Erfolg – er lebt in bitterer Armut.
Am 6. Oktober 1783 stirbt er in Heidelberg und gerät in Vergessenheit. Sogar in seiner Heimat Muri erfährt man erst zwei Jahre später von seinem Tod.
Titelbild (Ausschnitt)
Caspar Wolf (1735-1783). Blick von der Bänisegg über den unteren Grindelwandgletscher, ca. 1777. Stiftung Murikultur, Museum Caspar Wolf, Muri.