Ausstellung Matthew Wong / Vincent van Gogh,
«Letzte Zuflucht Malerei», Kunsthaus Zürich
vom 20.9.24 bis 26.1.25
Wie bekommt ein hierzulande unbekannter Künstler wie Wong im Kunsthaus Zürich eine Ausstellung? Indem man ihn zusammen mit einem Superstar präsentiert. Ein grosser Name wie Vincent van Gogh lockt immer Publikum an.
Klingt nach «Marketing-Trick» – und das ist es natürlich auch. Aber muss man das negativ werten? Keinewegs. Denn dank diesem geschickten Schachzug bekommen Kunstfans nun in Zürich einen interessanten Künstler zu sehen, den man sonst verpassen würde.
Ausstellungsplakat
Wer ist Matthew Wong? Ein zeitgenössischer Maler, der gewisse Parallellen zu Vincent van Gogh aufweist. Wie dieser litt er zeitlebens unter psychischen Problemen und nahm sich schliesslich in jungen Jahren das Leben. Er wurde nur 35 Jahre alt, van Gogh 37.
Matthew Wong. Foto
©Matthew Wong Foundation.
Wong kommt 1984 in Toronto zur Welt und verbringt einen Teil seiner Kindheit in Hong Kong. An der University of Michigan studiert er Kulturantropologie und erwirbt sich in Hong Kong einen MFA (Master of Fine Arts) in Fotografie. Über die Fotografie entdeckt er das Malen.
Er ist bereits 28, als er damit beginnt – autodidakt. Um bekannt zu werden, nutzt er soziale Medien. Eine erste Einzelausstellung bekommt er 2018 bei Karma in New York, einer Kunstgalerie im East Village.
Bald attestiert ihm die Kunstwelt, zu den grössten Malertalenten seiner Generation zu gehören. Seine Werke kommen gut an und werden auch von bedeutenden Museen erworben, darunter das MoMA und das Metropolitan Museum of Art New York.
Matthew Wong ist zeitlebens psychisch belastet. Er
leidet am Tourette-Syndrom, das oft auch ADHS und Autismus einschliesst. Dazu kommen schwere Depressionen. Am 2. Oktober 2019 nimmt er sich im Alter von 35 Jahren im kanadischen Edmonton das Leben.
Matthew Wong (1984-2019).
Green Room, 2017. 243x182 cm.
Fotoquelle: Christie's. (In der Ausstellung
im Kunsthaus Zürich nicht zu sehen).
Nach seinem Tod 2019 schiessen die Preise in die
Höhe und erzielen Spitzenwerte. Das bisher (bis 2024) teuerste Werk heisst «Green Room» aus dem Jahr 2017 und wurde 2022 bei Christie's für 5.3 Mio US-Dollar ersteigert.
Titelbild (Ausschnitt)
Matthew Wong (1984-2019).
Starry Night, 2019. Matthew Wong Foundation.
Matthew Wong (1984-2019). Landscape with Mother and Child, 2017. Brooker-Pardee Family Collection.
Matthew Wong (1984-2019). Night Crossing, 2018. Collection of Nancy and Sean Cotton.
Vincent van Gogh (1853-1890). Die roten Weingärten von Arles, 1888. Es ist das einzige Werk, das van Gogh zu seinen Lebzeiten verkaufen konnte. Heute im Pushkin Museum Moskau. (In der Ausstellung nicht gezeigt). |
Wo sind die Parallelen zu van Gogh?
Da ist vor allem die menschliche Komponente.
Die künstlerischen Parallelen der beiden sind indessen nicht so ausgeprägt. Was sie verbindet, sind zwar ausdrucksstarke und kräftige Farben sowie ein meist pastöser Farbauftrag. Und: Wong scheint in van Gogh ein Vorbild gesehen zu haben. Deshalb schuf er mehrere Werke, die dessen Motive aufgreifen. Dennoch sind die trennenden Elemente grösser als die Gemeinsamkeiten.
Grundlegende Unterschiede
Während Vincent van Gogh zeitlebens «unten durch» musste und nur ein einziges Werk verkaufen konnte, war Wong rasch erfolgreich, wurde als grosses Talent gehandelt und fand nicht nur Käufer für seine Werke, sondern brachte diese auch in grossen Museen wie das MoMA oder das Metropolitan New York unter.
Van Gogh fehlte oft das Geld für Leinwände, weshalb er eher kleine Gemälde malte. Dieses Problem hatte Wong nie. Das Material war für ihn im Überfluss vorhanden. So konnte er auch grossformatige Leinwände bespielen.
Van Gogh produzierte seine Werke mehrheitlich
Die grösste Differenz besteht aber vor allem in der kunstgeschichtlichen Bedeutung der beiden Maler: Vincent van Gogh ist ein Superstar, Matthew Wong dagegen ein Maler unter vielen. Sie heute in einer Ausstellung zusammen als gleichbedeutend auftreten zu lassen, ist also ziemlich gewagt.
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Matthew Wong (1984-2019). Starry Night, 2019. Matthew Wong Foundation. |
Die «Starry Night» neu interpretiert
Wong nimmt hier Bezug auf van Goghs vielleicht bekanntestes Gemälde, die Starry Night, das sich heute im Museum of Modern Art (MoMA) in New York befindet. Es ist eines von wenigen, die van Gogh nach seiner Fantasie malt. >mehr
Das tut auch Wong mit seiner «Starry Nigh». Er reduziert seine Sternennacht auf einfache Formen und verwendet statt Strichen (wie von Gogh) viele Punkte, die zu Sternen werden. Dazu erweitert er das Nachtbild durch einen See, in dem sich die Sterne spiegeln.
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Vincent van Gogh (1853-1890).
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Homage an van Goghs «Chair»
Als Vincent van Gogh 1888 seinen berühmten gelben Stuhl malt, hat er eine besondere Idee im Kopf: Er sieht sich selbst auf diesem Stuhl sitzen und malt davon ein Selbstporträt. Ein Selfie in absentia. Das Gemälde entsteht in Arles kurz nach der Ankunft seines Malerkollegen Paul Gauguin, mit dem er eine Künstlergemeinschaft plant. Die aber nicht zustande kommt, weil sich die beiden nur schlecht vertragen. >mehr
Schon vor der Ankunft Gauguins malte van Gogh einen leeren Stuhl mit dem Titel: «Gauguins Stuhl». Auf jenem befinden sich zwei Bücher und eine Kerze. Nun malt er den gelben Stuhl und diesmal platziert er auf diesem seine Pfeife und einen Tabakbeutel.
2019 nimmt Matthew Wong diese Idee wieder auf und malt ebenfalls einen leeren Stuhl.
Aber Wong will im Gegensatz zu van Gogh das nicht als ein Selbstporträt von sich verstanden wissen, sondern als eine Homage an van Gogh.
Um das deutlich zu machen, bedient er sich des Symbols einer Sonnenblume. Diese steht für den berühmten niederländischen Sonnenblumenmaler.
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Matthew Wong (1984-2019). The Space between Trees, 2019. Collection of Judith and Danny Tobey.
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Auf der Strasse nach Tarascan
Auch mit diesem Werk bezieht sich Wong auf sein niederländisches Vorbild. Im Bild von van Gogh sieht man einen wandernden Mann auf einer gelben Strasse, eingerahmt von zwei Bäumen.
Wongs Werk übernimmt die gelben Töne der Strasse und auch des Feldes im Hintergrund, lässt aber den wandernden Mann weg und ersetzt ihn durch eine menschenleere Bank. Der Gesamteindruck der beiden Werke ist erstaunlich ähnlich, beide leben vom sattgelben Sonnenlicht.
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Matthew Wong (1984-2019). Flowers in a Starlit Landscape, 2017. Matthew Wong Foundation.
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Chinesische Einflüsse
Wong studierte auch chinesische Kunst und integrierte diese Einflüsse in seinen eigenen Stil. «Vielleicht bin ich im Kern ein Tuschemaler in Schwarz und Weiss», erklärte Wong im Jahr 2015. Kurz zuvor zeigte er seine Gemälde und Tuschzeichnungen in einer Einzelausstellung in Hongkong.
Manchmal habe er das Gefühl, dass sein chinesischer Hintergrund ihn fast dazu zwinge, mit Tusche und Reispapier zu arbeiten, betonte er. Und «Es gibt Teile von mir, die sich nicht ganz von diesen Wurzeln lösen können.»
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Matthew Wong (1984-2019). A dream, 2019. Matthew Wong Foundation. |
Wongs Traum
Dieses Werk entstand in seinem letzten Lebensjahr. Zeigt es das Ende eines Weges? oder am Horizont ein Lebenslicht? Nur der Künstler weiss es.
Das Gemälde ist aber auch punkto Malweise und Pinselführung interessant. Es ist eine Mischung aus Punkten und Farbklecksen (auf der linken Seite) und weist rechts dünne Linien auf, die stark an van Goghs «Starry Nigh» erinnern. Trotz knalliger Farbgebung ist eine melancholische Stimmung förmlich greifbar.
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Matthew Wong (1984-2019). The Kingdom, 2017. Liz Lange and David Shapiro.
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Die Ruhe des Birkenwaldes
Wong nennt dieses Bild «The Kingdom». Man darf davon ausgehen, dass er damit sein persönliches Reich meint, das er sich in Edmonton (Alberta/Kanada) schuf, um dort einen Zufluchtsort zu finden. Obwohl sein Atelier im Industriegebiet im Süden der Stadt stand, empfand er dieses als «Ort der Ruhe».
In seinen letzten drei Lebensjahren benötigte er diese Ruhe, um sich auf seine Kunst zu konzentrieren. Wie er dieses Gefühl der «Ruhe» bildlich umsetzte, zeigt das Waldbild mit den dicht gedrängten Birken.
Matthew Wong starb am 2. Oktober 2019 im kanadischen Edmonton durch Suizid im Alter von
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Werke in der Ausstellung
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>wie van Gogh zum Superstar wurde
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