Ausstellung «Ottilie W. Roederstein»
Kunsthaus Zürich vom 18.12.20 bis 5.4.2021
Roederstein? Kaum jemand kennt ihren Namen. Dabei war sie eine der bedeutendsten Porträtmalerinnen der Schweiz ihrer Epoche. Und die einzige Frau, die neben Schweizer Grössen wie Hodler, Giacometti oder Amiet an internationalen Ausstellungen Anerkennung fand. Doch nach ihrem Tod 1937 geriet sie bald in Vergessenheit. Nun bietet ihr das Kunsthaus Zürich die erste monografische Schau nach über 80 Jahren.
Ottilie Wilhelmine Roederstein setzte als Frau Meilensteine. Sie schaffte es als eine der ersten Künstlerinnen, ihren Lebensunterhalt mit Malerei zu bestreiten und ging auch im privaten Bereich eigene Wege. Dass sie mit einer Frau zusammen zog, machte ihr Leben gegenüber der Gesellschaft nicht einfacher. Aber die Künstlerin bewies auch damit Stärke und Durchsetzungsvermögen.
Ottilie W. Roederstein (1859-1937).
Selbstbildnis mit Hut, 1904.
Städel Museum Frankfurt.
Roederstein kommt 1859 in Zürich zur Welt. Ihr Vater ist ein deutscher Geschäftsmann. Mit 17 beginnt sie ihre Malerausbildung bei Eduard Pfyffer in Zürich und wird dann Schülerin im «Damenatelier» von Karl Gussow in Berlin. Mit 23 zieht sie nach Paris und vervollständigt ihre künstlerische Ausbildung im Atelier von Carolus-Duran und Jean-Jacques Henner.
1888-89 erhält sie vom Salon de Paris eine ehrenvolle Erwähnung und an der «Exposition Universelle» eine Silbermedaille für ihr Porträt «Miss Mosher». In Paris unterrichtet sie ihre erste Schülerin, Madeleine Smith, und in Zürich >Sigismund Righini.
1891 zieht sie mit ihrer künftigen Lebenspartnerin Elisabeth Winterhalter nach Frankfurt. Diese eröffnet dort eine Praxis für Gynäkologie, Frau Dr. Winterhalter wird Deutschlands erste Chirurgin. Die beiden erwerben dann Land in Hofheim am Taunus (etwa 20 km westlich von Frankfurt) und beziehen dort 1909 ihr eigenes Haus samt Studio.
1908 ist Roederstein Mitorganisatorin der Ausstellung «Schweizer Künstler» in Frankfurt, die u.a. Werke von Hodler, Giacometti und Amiet zeigt. 1913 wird sie Mitglied im neu gegründeten Frauenkunstverband Deutschland und setzt sich für die Ausbildung von Frauen ein.
1925 erfährt sie auch Anerkennung in der Schweiz: Das Kunsthaus Zürich bietet ihr eine eigene Ausstellung. Drei Jahre später nimmt sie an der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) in Bern teil.
Ottilie Roederstein stirbt am 26. November 1937 in Hofheim am Taunus. Ihre Lebenspartnerin Elisabeth Winterhalter lebt noch bis 1952.
Ein Jahr nach ihrem Tod – 1938 – ehrt man Ottilie W. Roederstein mit umfassenden Gedenkausstellungen in Frankfurt, Bern und Zürich.
Die Ausstellung 2020/21 im Kunsthaus Zürich wird in Zusammenarbeit mit dem Städel Museum Frankfurt durchgeführt.
Titelbild (Ausschnitt)
Ottilie W. Roederstein (1859-1937).
Die drei Lebensalter, 1900.
Von der Heydt-Museum Wuppertal.
Ottilie W. Roederstein (1859-1937). Miss Mosher oder Fin d'été, 1887. Privatbesitz. |
1882: Kein Zugang zu den Akademien
Ein Studium in den berühmten Akademien wie z.B. Ecole des Beaux-Arts ist damals Frauen verwehrt. Also sucht sich Roederstein Künstler, die so genannte «Damenateliers» betreiben. Sie wird Schülerin bei Carolus-Duran und Jean-Jacques Henner. Hier sind sogar Aktstudien möglich, eine damals noch ausschliesslich männliche Domäne.
1887: «Miss Mosher», erstes Highlight. Für den Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Paris von 1889 liefert Ottilie Roederstein drei Werke ab. Für das Werk «Miss Mosher oder Fin d'été», in dem bereits eine Art Jugendstil anklingt (der erst gut ein Jahrzehnt später «erfunden» wird), verleiht ihr die Jury eine Silbermedaille.
Nach diesem Erfolg ist Ottilie W. Roederstein die Anerkennung als Porträtmalerin sicher. 1891 dann noch ein Ritterschlag: Sie wird als «Associée» in die «Société National des Beaux-Arts» von Paris aufgenommen.
|
Ottilie W. Roederstein (1859-1937). Bildnis Dr. Elisabeth Winterthalter, 1887. Städel Museum Frankfurt.
|
1887: Dr. Winterhalter – ihre Lebenspartnerin
Elisabeth Winterhalter ist Münchnerin und studiert an der Uni Zürich Medizin – in Deutschland dürfen Frauen das noch nicht. Roederstein lernt sie 1885 kennen. 1891 ziehen die beiden Frauen in eine eigene Wohnung in Frankfurt.
Dr. Winterhalter wird Gynäkologin und die erste Chirurgin Deutschlands. 1907 erwerben Roederstein/Winterhalter ein Stück Land in Hofheim am Taunus (etwa 20 km westlich von Frankfurt) und bauen dort 1909-1911 ihr gemeinsames Haus samt Atelier. Roederstein wird Mitglied der «Freien Vereinigung Frankfurter Künstler».
|
Mädchen bei der Toilette, 1911. Privatsammlung.
|
1911: Mädchen bei der Toilette
Die Geschichte der Aktmalerei wird bis zu Beginn des 20. Jahrhundert ausschliesslich von Männern geschrieben. Ottilie W. Roederstein ist eine der ersten Frauen, die sich daran wagt. Ihre Ausbildung für Akte holt sie sich im «Damenatelier» in Paris bei Jean-Jacques Henner (1829-1905), der sich mit Akten einen Namen gemacht hat.
Roedersteins «Mädchen bei der Toilette»von 1911 ist einer von wenigen bekannten Akten der Künstlerin. Schon 1897 malte sie das Bild «Frauenakt in der Landschaft».
|
Selbstbildnis um 1900.
Selbstbildnis um 1917.
|
Die begabte Selbstdarstellerin
Dass Männer sich selbst darstellen, ist zu dieser Zeit «normal» – aber für weibliche Künstler gilt das als unschicklich. Ottilie W. Roederstein kümmert das wenig. Sie liebt Selbstporträts und malt solche zeitlebens. |
Madeleine Smith vor der Staffelei, 1890. Fondation des Artistes, Paris.
Hanna Bekker vom Rath im Profil, 1923. Stadtmuseum Hofheim am Taunus.
|
Ottilie Roederstein als Ausbildnerin
Bereits 1887 beginnt Roederstein, ihre erste Schülerin zu unterrichten. In Paris. Es ist Madeleine Smith. 1888 in Zürich lässt sich dann auch der Schweizer Maler >Sigismund Righini von ihr in die Kunst der Malerei einführen.
Auch Hanna Bekker vom Rath (1893-1983) gehört zu ihren Schülerinnen. Diese entwickelt sich dann zur Förderin und Mäzenin von anderen Küstlern und wird später Kunstsammlerin. 1929 gründet sie die «Gesellschaft der Freunde der Kunst von Alexej von Jawlensky».
Während der Zeit des Nationalsozialismus ab 1933 ist ihr «Blaues Haus» in Hofheim Rückzugsort für viele als «entartet» diffamierte Künstler. Hanna Bekker vom Rath organisiert für diese sogar heimliche Ausstellungen in Berlin. Nach dem Krieg gründet sie 1947 das «Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath».
|
Der Kletterer (Hermann Jughenn, 1888-1967)), 1930. Stadtmuseum Hofheim am Taunus. |
1930: Hermann Jughenn, ihr Biograf
Jughenn lernt das Paar Roederstein/Winterhalter 1920 kennen – er ist ein Nachbar in Hofheim und wird zum Freund. Nach dem Tod Roedersteins 1937 bearbeitet er deren Nachlass und erstellt ein Werkverzeichnis. Nach seinem eigenen Tod im Jahr 1967 ruht das ganze Archiv auf dem Dachboden seines Hofheimer Hauses.
Erst 2019 gelangt das Städel Museum Frankfurt in den Besitz des Materials und erschliesst dieses nun nach und nach wissenschaftlich, um es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dabei spielt Jughenns Werkkatalog eine wichtige Rolle. Er enthält 1800 Arbeiten der Künstlerin, davon rund 980 Gemälde.
|
Selbstbildnis mit Zigarillo, 1936. Privatbesitz. |
Die letzten Jahre in der Nazi-Zeit
Ottilie W. Roederstein wird während der Nazi-Herrschaft in ihrem künstlerischen Schaffen nie behindert – ihre Arbeiten sind ja auch als andere als «entartet». Roederstein ist sogar Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste.
Dennoch zieht sie sich gänzlich in ihr Haus in Hofheim zurück. 1929 wird sie in Frankfurt zu ihrem 70. Geburtstag für ihr künstlerisches Schaffen und ihren Einsatz für die Frauenbildung geehrt.
Sie stirbt 1937 im Alter von 78 Jahren
|
Fotos Ausstellung Ottilie W. Roederstein
|