Ausstellung «Zürich Biennale 2023/24»
Kunsthalle Zürich, 7.10.23 bis 1.4.2024
Eine «Zürcher Biennale», gibt es das?
Beim Wort Biennale denkt man ja sofort an Venedig, und dort findet sie – wie der Name impliziert – alle zwei Jahre statt. Das wird in der Kunsthalle Zürich nicht der Fall sein, es ist ein einmaliger Anlass.
Ausstellungsplakat
Was also soll diese «Biennale»? Und wie lautet ihr Thema? Es gibt keines. Gemäss ihren Organisatoren ist es eine «vielfältige und internationale Zusammenstellung von Kunst». Gezeigt werden die Werke in einem einzigen Raum von 500 m2 Fläche. Es sind über dreihundert Arbeiten von rund fünfzig Künstler:innen aus der ganzen Welt: von Lörrach bis New York, von Sichuan bis Ghana und von Rumänien bis Puerto Rico.
Ein Motto geben die Kuratoren – Mitchell Anderson, der Begründer des Zürcher Kunstraums «Plymouth Rock» und Kunsthalle-Direktor Daniel Baumann – aber dennoch durch: Es lautet «windschief». Weil sich viele der Werke in dieser Ausstellung ziemlich grotesk darbieten. Sie sollen dem in der heutigen Zeit herrschenden Pessimismus mit «speziellen Wahrheiten» und mit schrägem Humor begegnen.
Natürlich taucht da bei einigen Arrangements die schon fast obligate Frage auf, ob das noch Kunst ist. Aber diese Frage passt zur Kunsthalle, die sich ja nicht der Aufgabe verschrieben hat, mit klassischen Kunstmuseen in einen Wettbewerb zu treten.
Heisst: Wer sich auf diese «Biennale» einlässt, sollte mit einer gehörigen Packung Humor und Bereitschaft für Toleranz anreisen.
>Saalblatt Zürich Biennale 23/24
>mehr über die Kunsthalle Zürich
Osama Alrayyan (1995 Syrien).
Untitled, 2023. Courtesy of the artist.
Daniel Moldoveanu (1999 Constanta,
Rumänien). Untitled, 2022. Detail.
Courtesy of the artist.
Titelbild
Cassidy Toner (1992, Baltimore).
Minotaurus. We're here, 2019.
Courtesy of the artist.
Ilaria Vinci (1991). Are you thinking what I am thinking?, 2023. Courtesy of the artist.
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Die brisante philosophische Frage
Die Italienerin Ilaria Vinci – 1991 in Cisternino geboren und heute in Zürich tätig – konzentriert ihre Arbeiten vor allem auf die «Fantasiezone», wie sie selbst jenen Ort bezeichnet, an dem sich die Unterhaltungsindustrie mit unseren Hoffnungen und Vorstellungen vereint. Ihre übergrossen «Hauskitsch-Gänse» aus Keramik lässt sie augenzwinkernd die hoch philosophische Frage stellen:
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Dena Yago (1988 New York). I'm OK, you're OK, 2020-23. High Art Paris.
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I'm OK, you're OK...
Die New Yorkerin Dena Yago schafft Wandgemälde und -Zeichnungen, die sich mit «modernen Emotionen» befassen. In diesem Werk kommt das hoch aktuelle Thema Gender zur Anwendung, das viele Zeitgenossen umtreibt.
Dena Yago ist auch Gründungsmitglied der Trendprognosegruppe K-HOLE, einer hybriden Trendagentur, die sich seit 2010 mit der Analyse von aufkommenden Strömungen in der Kunst- und Konsumkultur befasst. Einige der Trends baut sie in ihre Kunstwerke ein, oft in Bild-und-Text-Form.
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Juan Barcia Mas (1995 Valencia) & Shen He (1992 Sichuan). Sexkino, off 2023. Doors. Courtesy of the artists.
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Die Banalität auf die Spitze getrieben
Juan Barcia Mas (1995, Valencia, lebt und arbeitet in Zürich) und Shen He (1992, Sichuan, lebt und arbeitet in Zürich) sind ein queeres «Architekturforschungs»-Kollektiv.
In den Fluren der ETH Zürich veranstalteten sie auch schon «Guerilla-Ausstellungen» zum Thema «bathroom cruising» und übernahmen ein aufgegebenes Sexkino an der Zürcher Langstrasse für eine Ausstellung.
Worin besteht ihr Kunstbeitrag? Aus einer Installation von «nicht geschlechtsspezifischen» Bürotüren, die aus einem Umbau «rezykliert» wurden.
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Shuang Li (1990, China). And give me all your hopeless hearts and make me ill, 2022. Courtesy of Peres Project. |
Rückzug ins Schneckenhaus?
Shuang Li (1990, Wuyi-Gebirge, China, lebt und arbeitet in Berlin und Genf). Mit seinem metallenen Schneckenhaus spielt auf Märchen und Games an.
Vielleicht möchte er aber auch auf einen sozialen Missstand hinweisen, zum Beispiel auf die herrschende Wohnungsnot. Statt in eine Wohnung könnte man doch auch in ein Schneckenhaus ziehen. Und sich von der Welt distanzieren.
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Juan Antonio Olivares (1988). Signs of Intelligence, 2023. Bernheim Gallery Zürich.
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Das gekonnte 2D-Werk mit 3D-Wirkung
Juan Antonio Olivares (1988, Bayamón, Puerto Rico, lebt und arbeitet in New York). Dieses Werk aus Acrylfarbe und Graphitpulver auf einer Aluminium-Wabenplatte ist ein echter Hingucker! Je nach Betrachtungswinkel tauchen immer wieder neue Tintenfische auf. Ziemlich realistisch.
Olivares' Kunstschaffen umfasst auch Video und Klanginstallation sowie Performance. Allen seinen Werken gemeinsam ist die akribisch detaillierte und technisch ausgefeilte Herangehensweise – was auch in diesem feinen Acrylwerk zur Geltung kommt.
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Miriam Laura Leonardi (1985 Lörrach). Brandnew Square (NLH), 2023. Courtesy of the artist. |
Besprayt die Wände mit Grafitti!
Miriam Laura Leonardi (1985, Lörrach, lebt und arbeitet in Zürich). Ihre Objekte und Installationen sind Überarbeitungen von Dingen und Themen des täglichen Lebens, reichen aber manchmal auch bis in in die Kunstgeschichte hinein.
Hier kündigt eine mit Graffiti «verzierte» Wand Pokerabende in der Kunsthalle an (die während der Ausstellung tatsächlich stattfinden). Und was besagt das Metallschild mit «Brandnew Square»? Gemäss der Künstlerin kann das nicht wirklich artikuliert werden – es soll die Grenze der Sprache aufzeigen.
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Sveta Mordovskaya (1989 Ulan-Ude). Arrangement. Saying I hate you, I continue to suppress, 2023. Weiss Falk, Basel-Zürich. |
Wenn Abfall zu Kunst wird
Die Russin Sveta Mordovskaya ist 1989 in Ulan-Ude geboren und lebt und arbeitet in Zürich. Was möchte sie mit ihrem «Arrangement» sagen? Dass man den Müll besser trennen soll? Oder dass man ihn im Wohnzimmer zu einer Installation aufbauen soll?
Wann immer mir solche «Kunstwerke» begegnen, regt sich in mir eine masochistische Ader: Ich muss so lange Ausstellungen besuchen, bis ich endlich gelernt habe, mich in der Contemporary Art zuhause zu fühlen.
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Margrit Palme (1939 Amstetten, Österreich). Schlangenübung, 2015. Courtesy of the artist. |
Die Eleganz sportlicher Übungen
Margit Palme (1939, Amstetten, Österreich, sie lebt und arbeitet in Linz). In der Ausstellung ist eine Reihe ihrer >Aquatinta-Werke zu sehen. Die heute 85-jährige Künstlerin konzentriert sich seit Jahrzehnten auf elegante Darstellungen von Frauen in ausgefallenen sportlichen «Übungen». Sie inszeniert aber auch mehrdeutige Motive von Macht, Verführung und Gewalt.
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Cassidy Toner (1992 Baltimore). Minotaurus. We're here, 2019. |
Minotaurus – Hommage an Picasso?
Cassidy Toner (1992, Baltimore, Maryland, lebt und arbeitet in Basel). Toner ist bekannt dafür, dass er Kulturgeschichtliches mit Humor auf die Schippe nimmt. So hat man den kraftvollen Minotaurus gewiss noch nie dargestellt – als sich aufreizend räkelnde Figur, angelehnt an Gemälde von Kurtisanen in der Kunst der Renaissance.
Vielleicht ist es aber auch eine Hommage an Picasso? Der war ein Fan des Minotaurus >mehr
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