Ausstellung «Mehr als Gold – Glanz und Weltbild im indigenen Kolumbien». Museum Rietberg Zürich
vom 22.3. bis 21.7.2024.


Kolumbiens indigene Kunst –
nicht nur Goldschätze

 

Wieso heisst dieses Land im Norden Südamerikas Kolumbien? Das weiss doch jedes Kind: wegen Kolumbus, der es um 1500 herum entdeckt und erobert hat.

 

 

 

 

Dumm nur, dass das so nicht stimmt. >Kolumbus
war nie in Kolumbien. Entdeckt wurde es 1499 von einem gewissen Alonso de Ojeda und vom (viel berühmteren) Amerigo Vespucci. Dieser gab dem von ihm neu entdeckten Land den Namen Kolumbien – zu Ehren von Kolumbus. «Entdeckt» suggeriert, dass das Land frei von Menschen war. Auch das ist natürlich ein Irrtum: Denn dort lebten schon lange vor den europäischen Entdeckern Menschen. «Indigene», wie wir sie heute nennen, Ureinwohner. In zahlreichen Stämmen. Noch heute gibt es rund 1.5 Millionen Millionen Nachkommen dieser alten Kulturen, die über sechzig verschiedene indigene Sprachen sprechen und viele der Praktiken ihrer Vorfahren weiterführen.

 

Als die spanischen Conquistadoren das Land besetzten, waren sie vor allem auf Gold aus. Für sie war es das «El Dorado». Und seither wird Kolumbien mit Goldschätzen in Verbindung gebracht – ein Mythos.

 

 

Kolumbiens archäologische Regionen

1- Sierra Nevada de Santa Marta

2- Karibisches Küstentiefland

3- West-Kordillere

4- Magdalena-Tal

5- Cauca-Tal

6- Region Calima

7- Nariño-Hochland

8- Pazifikküste

 

 

Die Ausstellung im Museum Rietberg räumt nun mit diesem «Gold-Mythos» auf. Sie gibt einen Einblick in die indigenen Kulturen ab etwa 1500 v.Chr. bis 1500 n.Chr. und zeigt, dass diese Ureinwohner nicht nur die Metallverarbeitung perfekt beherrschten und Goldlegierunen herstellen konnten, sondern auch bemerkenswerte Kunstwerke aus Stein, Keramik und vielen anderen Materialien schufen.

 

Konzipiert und realisiert wurde die Ausstellung von mehreren Museen: Dem Museo del Oro in Bogotá, dem Los Angeles County Museum of Art, dem Museum of Fine Arts in Houston und dem Museum Rietberg Zürich.

 

Die Kuratoren dieser Museen wurden dabei unterstützt von Mitgliedern der indigenen Gemeinschaft der Arhuaco in Kolumbien. Über einen Zeitraum von sieben Jahren konnte so viel Wissen über die von Archäologen gefundenen Kunstobjekte zusammengetragen werden.

 

 

 

Sitzende Frau, Keramik. Karibisches
Tiefland, 1000-1600 n.Chr. Museo
del Oro, Banco de la Republica, Bogota.


 

 

 

Titelbild

Stabaufsatz in Form eines Vogels.

Goldlegierung. Karibisches Tiefland.

1000-1600 n.Chr.

Museo del Oro, Banca de la Republica.

 

 

 

 

>Museum Rietberg Zürich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Brustplatte. Goldlegierung. Region Calima, Yotoco-Stil, 100 v.Chr. - 800 n.Chr. Museum of Fine Arts Houston.

 

Brustplatte. Goldlegierung. Magdalenatal, Tolima-Stil. 100 v.Chr. bis 700 n.Chr. Museo del Oro, Banco de la Republica.

 

Anhänger, Goldlegierung. Karibisches Tiefland, Zenu-Stil, 200 v.Chr. bis 1000 n.Chr. Museo del Oro, Banca de la Republica.

 

 

 

Hoch entwickelte Metallverarbeitung

 

Die indigenen Völker Kolumbiens stellten schon tausend Jahre vor der Eroberung ihres Landes durch die Spanier Goldlegierungen her.

 

Die Verfahren dazu unterschieden sich dabei von Region zu Region. Im Norden praktizierte man Giesstechniken, im Süden eher das Hämmern von Goldblech. An der Pazifikküste wurde sogar Platin gewonnen und bearbeitet – als einzig bekannter Ort der antiken Welt.


Bemerkenswert ist vor allem der Umstand, dass Gold damals nur symbolischen Wert besass – ganz im Gegensatz zu den europäischen Wertmassstäben.

 

Und auch die «Reinheit» des Metalls spielte keine Rolle. Deshalb bestehen die meisten Goldobjekte jener Epoche aus Tumbaga, einer Legierung aus Kupfer und Gold – was die Anwendungsbreite vergrösserte.

 

 

Legenden um das «El Dorado»

 

Diese Legenden lockten jede Menge Abenteurer nach Kolumbien, um hier Goldschätze zu bergen. Eine berichtet von einer goldenen Stadt im Norden Südamerikas und datiert aus dem 16. Jahrhundert.

 

Eine andere handelt nicht von einem Ort, sondern von einer Person, nämlich einem Kaziken des Muiska-Stammes der Westkordilleren (Kazike = Herrscher oder religiöser Anführer).

 

Es heisst, der Kazike habe in der Mitte des Guatavita-Sees von einem Boot aus eine ganze Menge von Goldobjekten als Opfergaben versenkt. Diese Legende befeuerte bis ins 20. Jahrhundert zahlreiche Expeditionen. Es gab sogar Überfälle auf indigene Territorien. Gefunden hat man allerdings nie etwas.


 

Hausmodell, kreisrund. Goldlegierung. Calima, Yotoco-Stil, 100 v.Chr. - 800 n.Chr. Museum of Fine Arts Houston.

 

 

 

 

Unser Haus – unser Kosmos

 

Bei archäologischen Untersuchungen fand man natürlich keine Überreste von Behausungen der Indigenen mehr. Aber aufgrund von Kunstobjekten kann man sich ein Bild machen, wie die Häuser damals aussahen.

 

Die Ureinwohner sahen in einem Haus nicht nur eine Unterkunft, sondern das ganze Universum. Jaison Pèrez Villafaña, ein Anführer der Arhuaco, beschreibt das so: «Bevor wir denken, dass wir unterschiedlich sind, sagen wir, dass wir das gleiche Haus haben: das Universum. Gemeinsam sind wir die Wurzel von allem, was existiert.»

 

Bestattungsurne in Form einer weiblichen Figur, mit Deckel. Keramik. Sierra Nevada de Santa Marta, 200-900 n.Chr. Los Angeles County Museum of Art.

 

 

Detail.

 

 

Spektakuläre Bestattungsurnen


In frühen Zeiten konzentrierten sich die Menschen Kolumbiens in den Küstenbuchten, wo sie fischten und Landwirtschaft betrieben. Später liessen sie sich auch in bergigen Regionen nieder, wo sie urbane Zentren errichteten. Die Arhuaco (auch Ika genannt, Nachfahren der Tairona) leben heute noch in der Sierre Nevada de Santa Marta.

 

Diese Bestattungsurne mit Deckel ist ein echter Hingucker. Auffallend die proportional verschobene Kopfform mit den filigranen Einkerbungen eines Frauengesichts mit Ohrenschmuck, mit dünnen Ärmchen und grossen Bracelets; im unteren Teil des Urnengefässes zwei feine Beinchen mit Fussschmuck, einem Bauchnabel und dem stilisierten weiblichen Geschlecht.

 

Was passiert am Ende des Lebens mit den Arhuaco? Sie sehen das so: Der Körper wird zur Nahrung, zu einer Art Samen. Ein Mensch des Hochlandes wird sich von den Samen des Tieflandes ernähren und umgekehrt. Eine Urne zu bestatten bedeutet folglich eine Art von Einpflanzen des Samens, um das gesamte Territorium zu erhalten.

 

 

 

Denker. Grabgefäss. Caucatal. Museo del Oro, Banco de la Republica.

 

 

Der Denker

 

Dieses Grabgefäss in Form eines Denkers wurde in der Bergregion des Cauca-Tals gefunden. Ähnliche Urnen wurden aber im gesamten indigenen Kolumbien geschaffen. Mit Darstellungen von Frauen und Männern, die in einer nachdenklichen Haltung da sitzen. Einige von ihnen kauen Kokablätter, andere haben die Augen halb geschlossen, als seien sie tief in Gedanken versunken. Sie sind als «pensadores» (Denker) bekannt und dafür verantwortlich, das Gleichgewicht der Welt zu verstehen und aufrecht zu erhalten.

 

 

Vogelbrustplatte. Goldlegierung. Karibisches Tiefland, Zenu-Stil. 200 v.Chr. bis 1000 n.Chr. Museo del Oro, Banca de la Republica.

 

Goldene Vogelbrustplatte

 

Ein prächtiges Schmuckstück aus dem Karibischen Tiefland, das aus Marschland, Flussmündungen und Grasland bestand. Dieses wurde jedes Jahr einmal überflutet. Zwischen 200 v.Chr. und 1000 n.Chr. lebten hier die Zenu. Sie bauten Systeme aus Gräben und erhöhten Feldern. Diese sind bis heute erhalten.

 

Diese Vogel-Brustplatte ist ein Werk der Zenu. Sie produzierten aber auch fein gearbeitete Keramik- Kunstwerke, die vorwiegend Frauen darstellten.

 

Der Grund dafür: Spanischen Chronisten zufolge gab es hier eine weibliche Anführerin der Zenu. Sie soll in einer Stadt namens Fenzunu regiert haben.


 

Vogel-Okarina. Sierra Nevada de Santa Marta. Tairona-Tradition, 900-1600. Keramik. Los Angeles County Museum of Art.
 

Pfeifgefäss, doppelkammerig. Calima. Llama-Stil. 1500 v.Chr. bis 100 n.Chr. Los Angeles County Museum of Art.
 

 

Vogel-Okarinas und Pfeifgefässe

 

Unter Okarina versteht man eine Gefässflöte aus Ton oder Keramik mit mehreren Fingerlöchern und einem Schnabel zum Anblasen. Damit lassen sich Meldodien spielen.

 

Töne spielten für die indigenen Kolumbianer eine wichtige Rolle. «Pflanzen und Tiere machen Musik» sagt ein Anführer der Arhuaco. «Wenn es regnet oder wenn der Wind weht, entstehen Töne. Auch die Vögel feiern Feste und machen Musik. Auch der Fluss. Und Muschel-Trompeten bewegen mit ihrem Klang den Ozean».

 

Auch dieses doppelkammerige Pfeifgefäss, das in der Region Calima gefunden wurde, soll Töne erzeugen können. Man füllt es mit Wasser und schwenkt es dann hin und her. Wenn das Wasser von der einen in die andere Kammer schwappt, pfeift das Gefäss. Schade, dass das an der Ausstellung nicht demonstriert wurde. Dafür waren im Raum der Vogel-Okarina Melodien zu hören, die vom kolumbianischen Musiker Luis Fernando Franco auf alten Okarinas erzeugt wurden.

 

 

 

 

Fotogalerie (Werke in der Ausstellung)