Die Ausstellung im Aargauer Kunsthaus zeigt Werke der amerikanischen Malerin über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten – von 1990 bis 2021.
Ausstellungsplakat.
Nicole Eisenman schafft Bezüge zu verschiedenen Kunstepochen bis hin zu den Modernen. Ihr Schwerpunkt liegt auf Gesellschaftsthemen. Da geht es um Menschliches, Zwischenmenschliches, um Träumereien, um Reales und Surreales, um Freizeit und Freiheiten, um Gesellschaftskritik und um Gender-Themen, sexuelle Ausrichtungen und um die heute so aktuelle Queerness.
Die Ausstellung verspricht zwar, Eisenmans Werke in einen «Dialog» mit anderen Künstlern treten zu lassen und Verbindungen zu schaffen. Das klappt allerdings nur teilweise und wirkt manchmal etwas gesucht. Wenn Eisenman Badeszenen malt, muss nicht zwingend Cézanne Pate gestanden haben, der für seine «Badenden» berühmt ist. Es ist auch nicht so, dass für jedes Werk Eisenmans ein bestimmtes «Vorbild» anderer Künstler zu erwarten wäre oder explizit genannt würde.
Man kann die Ausstellung dennoch geniessen. Indem man sich von diesem etwas gesuchten «Dialog» löst und sich – zusätzlich – an den Spitzenwerken erfreut, die neben Eisenmans Arbeiten gezeigt werden. Es sind Werke namhafter internationaler Künstler, die man sonst eher selten zu Gesicht bekommt: Beckmann, Nolde, Munch, Picasso, Jawlensky, Macke, Westerik... Die Werke stammen aus den drei Museen, die zusammen mit dem Kunsthaus Aarau die Ausstellung organisieren: Museum Den Haag, Kunsthalle Bielefeld und Fondation Vincent van Gogh, Arles.
Co Westerik (1924-2018). Man in het water,
vrouw in boot, 1959. Kunstmuseum Den Haag.
Auch das Aargauer Kunsthaus steuert seine Glanzlichter bei – es holt sie aus dem eigenen Depot. Ausgesuchte Perlen von Schweizer Künstlern wie Giacometti, Vallotton, Bailly, Gubler, von Moos, Camenisch und weiteren.
Alice Bailly (1872-1938). Femmes couchées,
ohne Jahr. Aargauer Kunsthaus Aarau.
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Titelbild
Nicole Eisenman (1965). Watchers, 2016. Privatsammlung.
Nicole Eisenman (1965). Selfportrait with Mr. Monopoly, 1994. Hort Family Collection.
Nicole Eisenman (1965). Got Me a Big Girl, 1993. Hort Family Collection.
Nicole Eisenman (1965). Night Studio, 2009. Sammlung Joshua Gessel & Yoel Kremin.
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Wer ist Nicole Eisenman?
Eine amerikanische Künstlerin, die 1965 in Verdun (Frankreich) zur Welt kommt. Als Tochter eines Psychiaters der US-Armee, der dort stationiert war. 1987 schliesst sie in Providence im Bundesstaat Rhode Island ihren Bachelor in Malerei ab. Heute lebt und arbeitet sie in New York.
Eisenman gehört einer jungen amerikanischen Künstlergeneration an, die feministische Positionen vertritt. Sie selbst ist lesbisch, was in ihren gesellschaftskritischen Werken immer wieder zum Ausdruck kommt. 1994 und 1995 beteiligt sie sich an Ausstellungen unter dem Titel Bad Girls im Institute of Contemporary Arts London, im New Museum New York und in der New Wight Gallery in Los Angeles.
Eisenmans Werk hinterfragt gesellschaftliche Konventionen und Rollenklischees als auch die Geschlechtszuteilung. Wie zum Beispiel im Gemälde Night Studio. Mann, Frau oder beides? Diese Frage scheint das Hauptmotiv zu sein. Das Bild gibt aber auch Hinweise darauf, dass die Künstlerin sich an der Kunstgeschichte orintiert. Deshalb bildet sie in diesem Gemälde Kunstbücher ab: über Max Ernst, Pieter Brueghel, Munch und Picasso, Matisse, Goya und über den Japonismus... Eisenman schöpft aus dem Vollen.
Eine erste umfassende Übersichtsausstellung fand bereits 2007 in der Kunsthalle Zürich statt und präsentierte 30 Ölbilder und 100 Zeichnungen.
2018 wurde Eisenman zum Mitglied der American Academy of Arts and Letters gewählt.
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Nicole Eisenman (1965). Lesbian Recruitment Booth, 1992. Hort Family Collection.
Nicole Eisenman (1965). Charlie the Tuna, 1993. Hort Family Collection.
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Frühwerke des «Bad Girls»
Mit ihren Frühwerken aus den 1990ern verschafft sie sich zeitweilig den Ruf einer Rebellin und
Im Bild «Lesbian Recruitment» spielt sie mit dem Slogan «Try it - you will like it» und schreckt auch vor deftigen Darstellungen nicht zurück, wie zum Beispiel bei Charlie the Tuna, einer Figur, mit der sie immer wieder überspitzt queer-feministische Themen ins Spiel bringt.
Genderfragen schon früh thematisiert
In einigen ihrer frühen Werken kommen Personen vor, die Fragen nach dem Geschlecht aufwerfen: Mann, Frau oder beides – oder etwas Drittes? Solche Themen wurden in den 1990ern noch nicht so heiss diskutiert wie heute und Begriffe wie LGTBQ+ waren noch gänzlich unbekannt.
Was bedeutet: Nicole Eisenman hat schon vor dreissig Jahren heisse Themen aufgegriffen, die erst heute öffentlich diskutiert werden.
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Nicole Eisenman (1965). Ye Old Ear Shoppe, 1995. Hort Family Collection. |
Humoristisches über van Gogh
In ihrer Collage «Ye Old Ear Shoppe» von 1995 macht sich die Künstlerin über die Geschichte rund um van Goghs abgeschnittenes Ohr lustig. Der Künstler steht vor einem Laden, der neue Ohren verkauft. Offenbar hat er sich bereits ein Exemplar gekauft – er führt es in einer Plastiktasche mit sich.
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Nicole Eisenman (1965). Progress- Real and Imagined, 2006. Sammlung Ringier.
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Wimmelbild – frei nach Hieronymus Bosch
Ein zweiteiliges wandfüllendes Gemälde im Genre des «Wimmelbildes», wie es im 15. Jahrhundert von >Hieronymus Bosch gepflegt wurde. Es besteht aus unzähligen Einzelgeschichten, die scheinbar miteinander nichts zu tun haben. Jedes Element erzählt seine eigene Story – oder bringt die Fantasie der Betrachtenden ins Rollen. Ein Werk, in dem es ständig Neues zu entdecken gibt.
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Nicole Eisenman (1965). Mining I, 2005. Sammlung Ringier.
Nicole Eisenman (1965). Support Systems for Women IV, 1998. Tilton Family Collection New York. |
Allegorie auf die Malerei?
Der Titel dieses Gemäldes heisst «Mining I» und stammt aus dem Jahr 2005. Es zeigt männliche und weibliche «Minenarbeiter» – alle nackt. Und was wird aus dieser «Mine» gefördert? Ein Teil der Figuren gräbt an einem Haufen durcheinander geratener Farbe und scheint ihn zu ordnen. Die meisten der Abgebildeten haben aber damit nichts zu schaffen und geben sich ihrer Freizeit hin. Paradiesisch. Gemäss einer Erklärung der Künstlerin sieht sie darin eine «Allegorie auf die Malerei».
Die behinderten Frauen
Eine martialische Szene: Nackte Frauen sind in skurrilen Geräten gefangen. Es geht um eine immer wiederkehrende Aussage der Künstlerin: Frauen unterliegen in der Gesellschaft Behinderungen – und dies in allen Lebenslagen.
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Werke von Nicole Eisenman |
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Werke weiterer Künstler in der Ausstellung
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