Paul Klee (1879-1940). Candide
Kap 8. «Il se replacent sur ce beau canapé», 1911. Zentrum Paul Klee, Bern.
Paul Klee (1879-1940). Candide Kap 10. «Vous ne savez pas ma naissance», 1911. Zentrum Paul Klee, Bern.
Paul Klee (1879-1940). Candide Kap 15. «Place, place pour le révérend père colonel!», 1911. Zentrum Paul Klee, Bern.
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Illustrationen zu Voltaires Roman
Klee ist in seiner Karriere nur selten als Illustrator tätig, weil er sich nicht an vorhandenen Texten orientieren, sondern unabhängige, eigenständige Werke schaffen will. Trotzdem illustriert er 1911 mit Begeisterung Voltaires (1694–1778) Roman «Candide oder der Optimismus», der aus dem 18. Jahrhundert stammt.
In diesem geht es um die Frage, weshalb Menschen auch in einer von Gott geschaffenen Welt leiden müssen. Der Held der rasant erzählten Geschichte ist der junge Candide, der wohlbehütet auf einem Schloss aufwächst, aber aufgrund einer unerlaubten Liebesbeziehung aus dem weltlichen Paradies verstossen wird.
Klees Zeichnungen wirken oftmals wie Skizzen, aber der Künstler sieht sie als vollendete Werke. Die Illustrationen zu Candide sind konturenhafte Federzeichnungen, in denen die Handlung des Romans auf das Wesentliche reduziert wird.
Klee zeigt Momente, in denen sich das Geschehen dramatisch zuspitzt. Hintergrund und Kontext entfallen fast gänzlich – die Figuren wirken wie Marionetten mit theatralischen Gesten.
Die Notizen des Künstlers zu seinem Arbeitsprozess legen den Schluss nahe, dass er nicht einfach an einer treuen Wiedergabe des Romaninhalts interessiert ist. Vielmehr ist er von der poetischen und satirischen Sprache des Romans angeregt.
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Paul Klee (1879-1940). Kriechender, 1933. Zentrum Paul Klee, Bern.
Paul Klee
(1879-1940). Stammtischler, 1931. Zentrum Paul Klee, Bern. |
Menschenjagd
Als 1933 die Nazis an die Macht kommen, werden Menschen verfolgt: Juden, Minderheiten, politische Gegner. Auch der Künstler wird als «entartet» verunglimpft und als Professor der Kunstakademie Düsseldorf entlassen.
Klee beobachtet die Entwicklung mit Resignation und wandert 1933 in die Schweiz aus, nach Bern. Hier führt er seine Kunst weiter. Im Laufe des Jahres fertigt er einen rund 300 Werke umfassenden Zyklus von Bleistiftzeichnungen an, in denen er seine Beobachtungen über den Alltag in Nazi-Deutschland verarbeitet.
Die Zeichnungen zeigen Situationen der alltäglichen Gewalt und der Stigmatisierung von Menschen. Klee dokumentiert die Ereignisse als Verrohung der Gesellschaft, als Bruch mit der Zivilisation und als Rückfall in die Barbarei.
Die Ausstellung präsentiert auch eine Reihe von Zeichnungen, die sich dem Thema Gewalt widmen. |
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Paul Klee (1879-1940). IV. «Du Starker, o-oh oh du!», 1919. Zentrum Paul Klee, Bern.
Paul Klee (1879-1940). Mutter und Kind, 1938. Zentrum Paul Klee, Bern
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Menschliches
Klee gehört nicht zu jenen Künstlern, die ein ausschweifendes Leben führen. Im Gegenteil – in seinen Tagebüchern äussert er sich schon früh negativ über den ausschweifenden Lebenswandel seiner Künstlerfreunde.
Er selbst führt ein eher konventionelles Leben als Ehemann und Vater eines Sohnes. Er nimmt aber als Hausmann eine unkonventionell moderne Rolle innerhalb der Kleinfamilie ein. Seine Frau Lily ist als Klavierlehrerin für den Lebensunterhalt der Familie verantwortlich, während sich der Künstler um den Haushalt und den Sohn Felix kümmert. Mit zunehmendem Erfolg als Künstler kehrt sich diese Rollenverteilung jedoch um.
Das Leben in der Kleinfamilie tritt in seinem Werk häufig als Motiv auf. Klee stellt die Familie gerne als tragisch-komische Schicksalsgemeinschaft dar, die sich durch innige Freundschaft und Verbundenheit, aber auch durch Widerspruch, skurrile Erotik und auch eine gewisse Tragik auszeichnet. Einige der Zeichnungen zu dieser Thematik haben autobiografischen Charakter.
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Paul Klee (1879-1940). Garten am Bach, 1927. Zentrum Paul Klee, Bern.
Paul Klee (1879-1940). Herbst-Garten=Bild, 1932. Zentrum Paul Klee, Bern.
Paul Klee (1879-1940). Wachstum in einem alten Garten, 1919. Zentrum Paul Klee, Bern. |
«Il faut cultiver notre jardin»
...heisst es in Voltaires «Candide oder der Optimismus», Kapitel 30. «Das ist das einzige Mittel, das Dasein erträglich zu gestalten». Das Kapitel endet mit der Erkenntnis des Helden Candide, dass nur ein bescheidenes Leben und die alltägliche Arbeit im Garten Glück und Erfüllung verspricht.
Ob sich Klee persönlich mit dieser Erkenntnis identifizierte, ist nicht überliefert. Das Bildmotiv des Gartens findet sich allerdings in seinem Werk häufig, besonders in seinen letzten Lebensjahren zwischen 1933 und 1940. Hier nehmen poetische Darstellungen von imaginären Gärten, Parks und Pflanzen viel Raum ein. Klee stellt Gärten als paradiesische Rückzugsorte von einer zunehmend feindlichen Welt dar. Auch das Motiv des zurückgezogenen Eremiten oder Asketen taucht wiederholt auf.
Klee sieht den Garten auch als Ort der Bildung und Selbstfindung. Immer wieder findet er im Studium der Natur künstlerische Anregung. Das Bildmotiv des Gartens lässt sich aber auch aufgrund Klees Lebenssituation nach 1933 deuten. In seinem Berner Exil lebt Klee zurückgezogen und pflegt nur wenige Kontakte mit der Kunstszene. Seine fortschreitende Krankheit schränkt ausserdem seine Bewegungsfähigkeit und seinen Wirkungsradius zunehmend auf das häusliche Umfeld ein.
(Textquelle: Ausstellungsführer
«Paul Klee – Menschen unter sich, 2021/22.)
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Ausstellung Paul Klee – Menschen unter sich
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