Ausstellung Joan Miró «Neue Horizonte»
Zentrum Paul Klee Bern, 28.1. bis 7.5.2023

 

Joan Mirós abstrakte Spätwerke


Joan Miró, geboren 1893 in Barcelona, ist vor allem für seine surrealistischen Werke berühmt. Seine Bilder leben von Frauen, Vögeln, Sternen, Sonne und Mond – alles verdichtet und reduziert, meist kaum zu identifizieren.

 

Die Ausstellung in Bern zeigt nun in einer umfassenden Show grossformatige Spätwerke des Künstlers, die nach 1959 in seinem Atelier in Mallorca enstanden sind. Es sind vorwiegend abstrakt-expressionistische Bilder, zum Teil beeinflusst von japanischer Kunst.

 

 

Ausstellungsplakat

 

 

Joan Miró 1953 in Mont-roig.
Foto Stiftung Ernst Scheidegger,
Zürich.

 

 

Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der
Fundació Joan Miró in Barcelona organisiert wurde, zeigt einen Künstler, der auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen ist und der mit Collagen und Textilien experimentiert, der mit den Händen malt, der fertig gemalte Leinwände mit Feuer bearbeitet. Und der Skulpturen in grellen Pop-Farben schafft.

 

 

Joan Miró (1893-1983).«Liebespaar mit
Mandelblüten spielend», 1975. Modell für die Skulpturengruppe, die 1978 im Pariser
Quartier La Défense aufgestellt wurde.

Fundació Joan Miró, Barcelona.

 

 

 

1970 lernt Miró den Künstler und Weber

Josep Royo kennen. Gemeinsam mit Royo
setzt sich Miró in der Folge mit textilen Arbeiten auseinander – so genannten «Sobreteixims».
Joan Miró (1893-1983). Sobreteixim 13,
1973. Fundació Miró Barcelona.

 

 

 

 

>mehr über Joan Miró

 

>Miró-Ausstellung Zürich 2016

 

>Miró-Ausstellung Bern 2023: Saaltexte

 

 

 

 

 

 

 

 

Miró im Atelier in Mallorca, 1977.

 

Joan Miró (1893-1983). Selbstporträt, 1937-60. Fundació Joan Miró, Barcelona.

 

Joan Miró (1893-1983). Figur bei Sonnenaufgang am Ufer eines Flusses, 1965. Fundació Joan Mirò, Barcelona.

 

 

Neues Atelier – neue Ideen, neuer Stil

 

1956 bezieht Joan Miró sein neues Atelier auf Mallorca in Cala Major. Es ist so geräumig, dass der Künstler jede Menge Arbeiten der letzten zwanzig Jahre darin unterbringen kann – darunter sind viele unvollendete Werke. Nun lässt er sich Zeit für neue Ideen.

 

Einige der unvollendeten Werke bringt er nicht zu Ende, sondern übermalt sie.

 

So zum Beispiel eine detaillierte Zeichnung aus dem Jahr 1937, auf die er 1960 einfache schwarze Pinselstriche und ein paar Farbtupfer setzt und das Werk Selbstporträt nennt. Diese gestische Bildsprache entspricht seinem neuen Stil, den er jetzt weiter entwickelt.

 

In den 1960er-Jahren kauft Miró auf Flohmärkten auch billige Bilder von Landschaften. Diese übermalt er dann mit schwarzen und farbigen Linien. Manchmal übermalt er das alte Bild aber nicht nur, sondern ergänzt zum Beispiel menschenleere Landschaften mit Figuren, die allerdings nicht der Natur entsprechend dargestellt sind – abstrakt.

 

In diesem Werk «Figur bei Sonnenaufgang am Ufer eines Flusses» von 1965 scheint ihm der Inhalt des gekauften Bildes ziemlich egal gewesen zu sein: Er stellt die Landschaft auf den Kopf und verpasst dem Bild undefinierbare Kreise, Striche und Linien. Und wo findet ein Sonnenaufgang statt? Das weiss nur der Künstler – oder auch nicht.

 

 

 

Joan Miró (1893-1983). Liebespaar mit Mandelblüten spielend, 1975. Modell für Skulpturengruppe bei La Défense, Paris. Fundació Joan Miró, Barcelona.

 

 

 

Pop-Art für die Öffentlichkeit

 

Die an der Berner Ausstellung gezeigte monumentale
Figurengruppe ist das Modell für eine Skulptur im öffentlichen Raum in Paris. Die Arbeit steht seit 1978 im Pariser Finanz- und Wirtschaftsquartier La Défense, in einem Quartier, das aus modernen Glas- und Stahlgebäuden besteht.

 

Mirós Liebespaar mit Mandelblüten spielend kontrastiert diese kühle Architektur mit seinen pop-artig gestalteten bunten Figuren prächtig.

 

Werke für öffentliche Plätze und Räume gehören zu seinem Spätwerk. Kunst versteht der Künstler nicht als elitäres Werk für Museen und Galerien, sondern soll Teil der Gesellschaft und des Alltaglebens sein.

 

 

Joan Miró (1893-1983). Frauen und Vögel III, 1969. Fundacio Joan Miró Barcelona.

 

Frauen und Vögel II, 1969.

 

Fasziniert von Frauen und Vögeln

 

Ein ständig wiederkehrendes Thema des Künstlers – an der Ausstellung in Bern sind gefühlt 80% der Werke mit «Frau und Vogel» betitelt. Zwar sind in seinen Bilder meistens weder Frauen noch Vögel zu erkennen – aber diese beiden Begriffe scheinen für ihn eine symbolische Bedeutung zu haben.

 

Mit seinen Frauen symbolisiert Miró das Leben und die Fruchtbarkeit, sie stehen auch für Mutter Erde.

 

Die Vögel stehen nicht nur für die Kunst des Fliegens, sondern für die generelle Freiheit, die durch das Überwinden der Schwerkraft durch das Fliegen erreicht wird.

 

Joan Miró (1893-1983). Landschaft (Leere), 1968. Fundacio Joan Miró Barcelona.

 

Japanische Einflüsse

 

In der westlichen Kunsttradition hat die Leere keine grosse Bedeutung – in Japan und im Zen-Spiritualismus dagegen schon. Hier hat die Leere die gleich hohe Bedeutung wie ein dargestellter Gegenstand oder eine Figur. In diesem Gemälde Landschaft von 1968 setzt Miró die Leere dafür ein, die Wirkung eines Bildelementes zu steigern – in diesem Fall jene des blauen Punktes.

 

Dazu der Künstler: «Es hat mich eine enorme Anstrengung, eine grosse innere Anspannung gekostet, um jene Leere zu erreichen, die ich haben wollte.»

 

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Joan Miró (1893-1983). Gemälde, 1933. Kunstmuseum Bern.

 

Vorlage.

 

 

Wie Mirós skurrile Figuren entstehen

 

Diese Präsentation in der Berner Miró-Ausstellung birgt eine gewaltige Überraschung: Wer hätte sich je vorstellen können, dass der Künstler seine Figuren nicht «einfach so» auf die Leinwand bringt, sondern indem er sich zuerst eine vorbereitende Komposition erstellt?

 

Tatsächlich liegt diesem Werk «Gemälde» von 1933 eine Vorlage zugrunde, die sich der Künstler aus Zeitungsausschnitten zusammen gebastelt hat – aus Abbildungen von Alltagsgegenständen. Danach kreiert er dann seine Figuren. Die ursprünglichen Objekte sind allerdings nicht mehr erkennbar.

 

>mehr über diese Arbeitstechnik

 

 

 

   

 

Joan Miró (1893-1983). Verbrannte Leinwand, 1973. Fundació Joan Miró Barcelona.

 

Rückseite.

 

Brennen der Leinwand.

 

 

 

Pollock zeigt neue «Freiheiten» auf

 

Während einer USA-Reise kommt Miró mit Werken von Jackson Pollock (1912-1956) in Kontakt und ist von diesen beeindruckt.

 

«Es zeigte mir die künstlerischen Freiheiten, die wir uns herausnehmen können, und wie weit wir gehen können, über die Grenzen hinaus. In gewissem Sinn hat es mich befreit», meint Miró später.

 

Diese Befreiung wird in seinem späten Schaffen sichtbar: Miró wagt sich jetzt nicht nur an grössere Formate – er beginnt nun auch, mit der «Pollock-Technik» zu experimentieren: Er spritzt und schüttet direkt Farbe auf die Leinwand, lässt sie auf dieser entlang fliessen.

 

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In seinem Werk von 1973 experimentiert Miró auch mit Feuer. Er zündet die Farbe des fertig gemalten Bildes an und überlässt es dem Zufall, was daraus mit der Leinwand entsteht.

 

 

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Fotos Miró-Ausstellung «Neue Horizonte»