Gemäss der katholischen Kirche war Simon Petrus der erste Bischof von Rom und somit der erste Papst. Die Kirche geht davon aus, dass Petrus in Rom starb und dort beerdigt wurde, wo heute der >Petersdom steht.
Schon im Mittelalter kamen Zweifel auf. Der Reformator >Martin Luther warf die Frage auf, ob Petrus wirklich in Rom starb. Seine Begründung: Nirgends in der Bibel steht, dass Petrus je in Rom unterwegs war, geschweige denn, dass er hier gepredigt oder den Märtyrertod gefunden hätte.
Die Annahme, Petrus habe in Rom gelebt und gepredigt, stammt von einem römischen Bischof aus dem Jahr 190. Ein Zeitzeuge kann dieser Bischof Irenäus allerdings nicht sein: zu seiner Lebzeit war Petrus schon 130 Jahre lang tot. Gesichert ist hingegen, dass der Apostel Paulus in Rom predigte. Bischof Irenäus vereinte in seinen Schriften die Apostel Paulus und Petrus und erklärte sie beide zu Kirchengründern.
Dass Petrus' Grab in Rom lag, daran glaubte auch Konstantin der Grosse (ca. 280-337), der römische Kaiser, der als erster das Christentum anerkannte. Er liess 324 die erste Petersbasilika erbauen – an jener Stelle, an der heute der >Petersdom steht. Von Konstantins Basilika sind heute nur noch Mauern tief unter dem Petersdom erhalten.
Kaiser Konstantin der Grosse.
Kapitolinische Museen, Rom.
>mehr über Konstantin den Grossen
Anderthalb Jahrtausende lang ging die Kirche also davon aus, dass unter Konstantins Petersbasilika und später dann unter dem heutigen Petersdom das Grab Petri schlummerte – aber sicher war man nicht.
Papst Pius XII gab 1940 erstmals grünes Licht, der Sache auf den Grund zu gehen. Er bewilligte archäologische Grabungen unter dem Petersdom. Man fand unter der zugeschütteten Konstantin-Petersbasilika aus dem vierten Jahrhundert Reste eines kleinen Mausoleums aus dem 2. Jahrhundert. Die Grabungsarbeiten dauerten zehn Jahre. 1951 gaben die Archäologen bekannt, dass sie das «Petrusgrab entdeckt hätten». Noch waren aber Zweifel angebracht.
Papst Pius XII (Papst 1939-1958)
bewilligt 1940 Ausgrabungen im
Petersdom.
1953 erlaubte der Vatikan weitere Grabungen. Man fand unter dem Säulenmonument ein schlichtes Erdgrab aus dem späten 1. Jahrhundert mit Knochenfragmenten.
Schliesslich fand die Archäologin Margherita Guarducci auf einer Mauer hinter dem Monument Inschriften. Eine enthielt die Buchstaben PETR EN I (Petrus ist hier). Für Wissenschaftler waren damit aber noch keine Beweise erbracht – solche Graffiti gab es auch an vielen anderen Ausgrabungsstätten in Rom. Sie besagten ja lediglich, dass es dort Christen gegeben haben musste, die Petrus verehrten.
Immerhin ergab 1958 eine Knochenanalyse, dass die Gebeine von einem einzigen älteren Mann aus dem ersten Jahrhundert stammen könnten. Vielleicht Petrus?
Wissenschaftliche Beweise stehen noch aus. Solche dürften so schnell auch nicht erbracht werden, solange der Vatikan Untersuchungen mit den modernsten Analysemethoden (DNA) verweigert. Für die Kirche ist die Sache indessen klar: Man hat die Gebeine Petri gefunden und sein Grab liegt unter dem Petersdom.
Im Jahr 2019 verschenkt Papst Franziskus
einige Petrus-Reliquien an den orthodoxen
Patriarchen Bartholomaios von Konstantinopel.
Titelbild (Ausschnitt)
Fra Angelico (1395-1455). St. Petrus predigt in Anwesenheit des heiligen Markus.
Peter Paul Rubens (1577-1640). Christus übergibt dem hl. Petrus die Himmelsschlüssel, 1613-15. Gemäldegalerie Berlin.
Detail Schlüsselübergabe. |
Warum ist der heilige Petrus so bedeutsam?
Simon Petrus – so nannte ihn Jesus – war der «Lieblingsjünger» von Jesus Christus. Ihn ernannte er zu seinem Nachfolger. Petrus gilt als Leiter der Jerusalemer Urgemeinde der Christen und damit als Gründer des Christentums. Auf der Liste der Patriarchen von Antiochien (heute Türkei) steht er an oberster Stelle und hatte dieses Amt von 45 bis 53 n.Chr. inne – man bezeichnet ihn deshalb auch als ersten Bischof und ersten Papst. Alle Päpste werden seither als «Nachfolger Petri» bezeichnet.
Petrus kam in Bethsaida in Galiläa zur Welt, wann genau, ist nicht bekannt – die Stadt selbst ist seit tausend Jahren verschollen. Petrus soll Fischer gewesen sein. Drei Jahre lang folgte er Jesus und wurde in dieser Zeit zu seinem wichtigsten Apostel. «Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Kirche bauen», soll Jesus zu ihm gesagt haben.
>Jesus ernannte ihn zum Führer der christlichen Gemeinde und übergab ihm die Schlüssel zum Himmel. Dieses Motiv wurde von zahlreichen Künstlern der Renaissance gemalt, unter ihnen auch Peter Paul Rubens.
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Carl Bloch |
Wie war das noch mit der Verleugnung?
Eine berühmte Geschichte, in der Jesus zu Petrus sagt: «Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen». Petrus entgegnet: Niemals werde ich dich verleugnen!
Doch am Tag vor der Kreuzigung tritt Petrus zusammen mit dem gefangenen Jesus auf. Petrus wird erkannt. «Du warst doch auch dabei! Haben wir dich nicht mit Jesus gesehen? Sprichst du nicht auch den Dialekt dieser Galiläer?».
Petrus aber leugnet, dass er zu Jesus gehört. «Nein, nein! ihr irrt euch, ihr verwechselt mich, ich kenne diesen Jesus gar nicht, ich habe mit dem nichts zu schaffen!». Und das gleich drei Mal.
Eine üble Geschichte – und dennoch wird Petrus bis heute ohne Einschränkung verehrt – ganz im Gegensatz zum Verräter Judas.
Die Dinge unterscheiden sich aber grundsätzlich:
Petrus' Verleugnung dagegen schadete niemandem, sie diente nur dazu, Petrus' eigenes Leben zu retten. Er war feige, ja. Aber das macht ihn menschlich. Letztlich verhielt er sich wie alle Menschen, die in einem solchen Moment schwach werden und alles tun, ihr Leben zu retten. So wurde er zum Sünder, in dem sich viele Menschen selbst erkennen können.
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Guido Reni (1575-1642). Kreuzigung des Heiligen Petrus, 1604-05. Pinacoteca Vaticana.
Caravaggio (1571-1610). Kreuzigung des hl. Petrus, 1600. Kirche Santa Maria del Popolo, Rom.
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Wann, wo und wie starb Petrus?
Historisch belegbare Quellen gibt es dafür nicht. Es finden sich jedoch Aufzeichnungen, die darauf hindeuten, dass er in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts gestorben ist.
Daneben gibt es eine Reihe von Legenden und Überlieferungen. Die bekannteste davon besagt, dass Petrus um das Jahr 64 n. Chr. in Rom den Märtyrertod am Kreuz gestorben sei.
In jenem Jahr 64 wütete in Rom ein Grossbrand.
Es heisst, dass Petrus darum gebeten habe, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt zu werden, da er sich für unwürdig hielt, auf die gleiche Weise wie Jesus gekreuzigt zu werden. Diese Kreuzigung wurde zum beliebten Motiv zahlreicher Künstler der Renaissance.
Eine andere Darstellung von Petrus' Tod schildern die so genannten «Petrusakten» aus dem 2. Jahrhundert. In diesen heisst es, Petrus sei auf der Via Appia geflohen. Dort habe er Jesus getroffen. Dieser habe ihn davon überzeugen können, den Märtyrertod zu sterben. Petrus sei dann gekreuzigt worden, aber nicht im Rahmen der Massentötungen von Kaiser Nero, sondern in einem separaten Prozess.
Was stimmt, wird man wohl nie herausfinden.
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Papstaltar mit Baldachin im Petersdom – direkt über dem Grab Petrus'. Von Borromini und Bernini.
Papst Franziskus präsentiert die Petrus-Reliquien
Eine der Hauptattraktionen im Petersdom für Pilger und Touristen: die Bronzestatue des hl. Petrus. Von Arnolfo di Cambio. |
Reliquien als Beweis für Petrus' Grab?
Im Zentrum des Petersdoms steht der 28 Meter (!) hohe bronzene Papstaltar mit Baldachin, den Bernini zwischen 1624 und 1633 im Auftrag von Papst Urban VIII erschuf – zusammen mit dem Architekten Borromini.
Zehn Meter darunter befinden sich die Confessio und ein altes Grabmonument aus dem 2. Jahrhundert, das man 1940 bei Ausgrabungen entdeckte. Man forschte weiter und fand 1953 hinter einer Mauer Knochenresten. Eine Analyse ergab, dass sie aus dem 1. Jahrhundert stammten und einem etwa 60 bis 70jährigen Mann zugeordnet werden konnten. Das sprach für Petrus.
1964 verkündete Papst Paul VI den sensationellen Fund. 2013 wurden die Knochen dann in Rom von Papst Franziskus der Öffentlichkeit präsentiert – als Reliquien Petrus' und zum Beweis, dass sich hier unter dem Petersdom das Grab des berühmten Apostels befindet.
Allerdings gab es fast parallel dazu weitere Knochenfunde, von denen man annahm, sie könnten von Petrus stammen, zumal diese Gebeine in Gefässen lagerten, die mit seinem Namen beschriftet waren. Fundort: eine kleine, unbedeutende Kirche in Rom, die Santa Maria in Cappella.
Natürlich wollten die Forscher nun wissen, ob diese Knochenreste zu Petrus passen könnten. Aber zu einer weiteren Analyse kam es nicht. Der Vatikan verweigerte die Zustimmung.
Verständlicherweise – denn was wäre aus den Reliquien aus dem Petersdom geworden, wenn jene aus der Santa Maria in Cappella sich als die «echten» erwiesen hätten? Dieses Risiko war dem Papst wohl zu gross.
Anderseits: Im Mittelalter war es durchaus normal, dass Gräber mit Knochen geplündert wurden. Reliquien waren so begehrt, dass man sie aufteilte und dann gleichzeitig an verschiedenen Orten zeigte – als Attraktion für Pilger. Es ist also durchaus denkbar, dass auch Petrusknochen an mehreren verschiedenen Orten zu finden sind.
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Papst Urban II ruft 1095 zum ersten Kreuzzug auf. Stich aus dem 18.Jht.
Die Kirche Santa Maria in Cappella, Rom.
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Warum sind Petrus-Reliquien so wichtig?
Petrus gilt als «Nachfolger» Jesus'. Wenn ein Papst im Besitz von Petrus-Reliquien ist, dann kann er damit beweisen, dass er der legitime «Erbe Petri» und damit das Oberhaupt der Kirche ist.
Der berühmte Papst Urban II (berühmt ist er vor allem, weil er 1095 zum ersten Kreuzzug aufrief) soll sich Petrus-Reliquien beschafft haben, um seinen Machtanspruch gegenüber dem Gegenpast Clemens III geltend zu machen.
Wo Urban II diese Reliquien «beschafft» hat, ist unbekannt. Aber man vermutet, dass er sie in der kleinen Kirche Santa Maria in Cappella in Rom untergebracht hat. Urban II starb 1099 – «seine» Petrus-Reliquien entdeckte man in der Santa Maria in Cappella allerdings erst im 20. Jahrhundert. Ob sie echt sind, war nicht zu beweisen.
Wo immer auch Reliquien in Gotteshäusern lagern, da pilgern die Gläubigen hin, um näher bei ihren Heiligen zu sein. Die Reliquien waren (und sind es heute noch) ein Marketinginstrument, um Pilger anzulocken. Mehr Pilger heisst letztlich mehr Geld. Mit diesem konnte man die Kirchen prunkvoll ausstatten.
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