Die moderne Kunst – besser: die Gegenwartskunst – ist in Frankfurt in drei Häusern untergebracht. In der Altstadt gleich zweimal: in einem stattlichen Museum und im «Zollamt», direkt neben dem Dom. Dann im Taunusturm ganz in der Nähe des berühmten Aussichtsturmes Maintower.
Museum MMK in der Altstadt...
Das Haupthaus besteht seit 1981. Weil das dreistöckige Gebäude eine dreieckige Form hat, wird es von den Frankfurtern liebevoll «Tortenstück» genannt.
Es soll mehr als 4500 Kunstwerke von über 400 Künstlern enthalten, die den Zeitraum 1960 bis heute abdecken. Alle Gattungen sind vertreten: Zeitgenössische Kunst aus Malerei, Skulptur, Video, Fotografie, Licht- und Klanginstallationen sowie Werke der Performance der nationalen und internationalen Kunstszene. Bei meinem Besuch im Juli 2021 war das Haus für längere Zeit geschlossen.
Museum Tower MMK im Taunusturm.
Ein Teil der Sammlung war dagegen in der «Filiale» Taunusturm zu entdecken, ganz in der Nähe der Frankfurter Touristenattraktion Nummer 1: dem Aussichtsturm «Maintower».
Gerhard Richter (1932). Fussgänger, 1963. MMK Frankfurt. |
Gerhard Richter (1932) – die Fussgänger
«Es macht mir nichts aus, zuzugeben, dass all die tragischen Typen, die Mörder, Selbstmörder und die Gescheiterten, die ich gemalt habe, etwas mit mir zu tun haben», soll er einmal gesagt haben. Für seine Ölgemälde verwendet Richter oft Amateur- und Illustriertenfotos als Vorlage. Dieses hier stammt von einer Foto, die 1963 in der «Neuen Illustrierten» abgedruckt war. Sie zeigt einen Kommissar, der Elisabeth Lüers zum Verhör führt. Lüers war die Gefährtin des «Mörders von Britz», der 1962 in Berlin ein Liebespaar ermordet hatte.
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Andy Warhol (1928-1987). Green Disaster #2 (Green Disaster Ten Times), 1963. MMK Frankfurt. |
Andy Warhols Green Disaster
Ein typischer Warhol. Man nehme ein Bild, verfremde es und vervielfältige es x-fach. In seinem «grünen Desaster» verabeitet er eine Fotografie eines grauenvollen Autounfalls, auf dem nicht nur das total zerstörte Fahrzeug, sondern auch noch der tote Fahrer in einer völlig verrenkten Stellung zu erkennen ist. Und weil ihm ein Bild davon zu wenig ist, repetiert er es auf seiner Lithographie zehnmal.
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Cameron Rowland (1988). Group of 8 used Bikes, Item 1284-018213, 2018. Rental at cost. MMK Frankfurt. |
Velos an einer Wand – Kunst?
Was sollen diese gebrauchten Fahrräder an einer bunten Wand? Es ist eine Installation. Um das (als Kunst) zu begreifen, muss man sich anhand der Begleitbroschüre der Sammlung schlau machen. Also: Es geht um die offenbar in den USA übliche Praxis, bei gewissen straffälligen Vergehen keine Bussen auszusprechen, sondern Eigentum zu beschlagnahmen. Dieses wird dann versteigert und spült so Geld in die Kasse der Polizei. Wie kam es zu diesem Gesetz? Es geht auf das englische Navigationsgesetz von 1660 zurück, das damals erlassen wurde, um den Handel zwischen England und seinen Kolonien zu regeln.
Was dem Künstler sauer aufstiess, ist die Tatsache, dass nicht nur Dinge beschlagnahmt werden konnten, sondern auch Sklaven – diese wurden gleich wie Dinge behandelt. Also konnte der Staat auch Sklaven beschlagnahmen und sie versteigern lassen. Und kassieren. Und was hat das mit den Velos an der Wand zu tun? Sie stellen ein Beispiel dar: Acht gebrauchte Fahrräder, Item 1284-018213, beschlagnahmt 2018 und versteigert für 104 Dollar.
Zu diesem Preis vermietet der Künstler nun seine Installation für fünf Jahre dem MMK Frankfurt. «Rental at cost» nennt sich das...
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Thomas Ruff (1958). Anderes Porträt, 1994-95 MMK Frankfurt
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Anderes Porträt – Mann und/oder Frau
Eine eigenwillige fotografische Aussage macht der Düsseldorfer Thomas Ruff. Er nimmt aus seinem Fundus zwei Porträts – eine Frau und ein Mann – und verschmilzt diese mithilfe einer «Minolta-Montage-Unit» zu einem Gesicht. Er will damit das Fliessende der Geschlechtszuschreibung zeigen. Damit griff er schon früh (die Arbeit stammt aus 1994-95) ein Thema auf, das in den heutigen Genderdebatten einen grossen Stellenwert bekommen hat.
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Thomas Bayrle (1937). Rosaire, 2012. Citroën
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Der Döschwo mit dem Kirchensound
Thomas Bayrle hat eine ganz spezielle Affinität zu Autos und Technik. In diesem Werk verwendet er einen aufgesägten Citroën 2 CV-Motor, bei dem er die «beiden Pferde» im Rhythmus zu christlichen Kirchenritualen und Gesängen arbeiten lässt. Vielleicht möchte der Künstler mit seiner Arbeit damit zeigen, dass das Sakrale an der Technik noch nicht ausgedient hat und dass Automobile für viele Menschen heute eine Art Heiligtum sind.
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Fotos / Diashow
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