Nein, er ist kein Fälscher im klassischen Sinn.
Er nimmt keine Picasso-Postkarte, kopiert sie und verkauft das Bild als echt. Er macht alles viel, viel raffinierter.
So raffiniert, dass er die gesamte Kunstwelt jahrzehntelang an der Nase herum führen konnte. Bis ihm ein klitzekleiner Fehler unterlief und man ihm, dem Genie, auf die Schliche kam. Er hatte bei einem seiner Bilder ein Titanweiss verwendet, das «zu jung» war. Farbmaterial, das es noch nicht gab zur Zeit, in der das Gemälde angeblich entstanden war. Der Fehler kostete ihn ein paar Jahre Gefängnis.
Das Geniale an seiner Trickserei bestand darin, dass er keine bekannten Gemälde kopierte. Und dass er sich nicht mit Picassos und Rembrandts befasste – da wäre schnell ein Verdacht auf Fälschung aufgekommen. Nein, er nahm sich die «Mittelklasse» unter den Modernen vor, die aber auch schon begehrt war und gute Preise erzielte.
Er studierte Originalverzeichnisse der Künstler und suchte nach Gemälden, die zwar registriert, aber «verschollen» waren. Dann machte er sich daran, diese Gemälde zu erfinden. Und weil er sich gut in diese Künstler hineindenken und ihren Stil perfekt imitieren konnte, ahnte niemand den Betrug. Alle Kunstexperten und Sachverständigen waren sich «sicher», dass die nun «wieder aufgetauchten» Bilder echt waren.
Ganz so einfach, wie das nun klingt, war es aber nicht. Beltracchi konnte ja nicht jahrzehntelang ein Bild nach dem anderen als «wieder aufgefunden» präsentieren. Also brauchte er im Hintergrund Komplizen. Einen Kunsthändler und Sammler, den er zwischenschalten konnte. Zum Team mit einer ganzen Menge krimineller Energie gehörte auch seine Frau Helene, die alles mitmachte. Und sogar als ihre eigene Grossmutter auftrat um zu «beweisen», dass gewisse Gemälde schon «zu Grossmutters Zeiten» existierten.
Alle mussten sie schliesslich ins Gefängnis. Der Fälscher, seine Frau, der Kunsthändler. Beltracchi wurde 2011 zu sechs Jahren Haft im offenen Vollzug verknurrt (tagsüber zuhause, nachts im Gefängnis), Helene zu vier und Otto Schulte zu fünf Jahren.
Alle wurden vorzeitig aus der Haft entlassen. Wolfgang und Helene Beltracchi sind seit 2015 lebende Legenden und werden von Talkshow zu Talkshow geschleppt. Er malt wieder und verkauft seine Bilder mit zunehmendem Erfolg.
Seine LifeStory ist ein Renner. Niemand scheint dem «Verbrecher» böse zu sein. Weil er ja bloss geldgierige Kunstsammler um ein paar Millionen erleichtert hat.
Wolfgang Beltracchi.
Fotoquellen: Alle Bilder auf dieser Seite
stammen aus den TV-Sendungen vom
5.3.16 «Bettina und Bommes», ARD,
und 4.6.16 «Spiegel Geschichte HD».
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Wolfgang Fischer alias Beltracchi
Geboren 1951 in Geilenkirchen (Nordrhein/Westfalen). Sein Vater restaurierte Kirchenbilder und kopierte grosse Meister. Für Wolfgang war malen und kopieren also normal. Er begann schon als Kind damit. Die Kunstschule langweilte ihn, er wurde zum Hippie und machte mit seiner Harley auf Easy Rider.
Ab 1978 malte er eigene Werke im surrealistischen Stil und konnte davon einige verkaufen.
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Keine Kopien, sondern Schöpfungen
In den 80er-Jahren startete er seine Karriere als Fälscher. In alten Verzeichnissen der Künstler suchte er nach Gemälden, die als verschollen galten. Diese malte er dann – sozusagen in Vertretung des Künstlers. Täuschend echt.
So gut, dass alle Kunstexperten und Sachverständigen von deren Echtheit überzeugt waren. Wie in diesem Fall hier: Ein «Werk von André Derain», das er für 370'000 Dollar verkaufen konnte.
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Wolfgang und Helene Beltracchi. |
Helene Beltracchi, seine treue Komplizin
1992 lernte er Helene kennen, die er sofort in seine luschen Geschäfte einweihte. Sie war davon (und von ihm) begeistert. Bei der Heirat übernahm er ihren Familiennamen.
Zusammen professionalisierten sie ihr Business und suchten einen geeigneten Kunsthändler für den Vertrieb der gefälschten Bilder. Diesen fanden sie in der Person von Otto Schulte-Kellinghaus.
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Helene posiert als ihre eigene Grossmutter. |
«Sammlung Werner Jägers» – frei erfunden
Werner Jägers gab es tatsächlich. Er war der Grossvater von Helene. Ihm dichteten die Beltracchi eine Kunstsammlung an, die er über einen Kunsthändler namens Flechtheim erworben habe.
Zum «Beweis» lieferten die Beltracchi eine Foto der «Grossmutter von Helene», die vor der Sammlung Jägers posiert. Die Foto – natürlich auch gefälscht – zeigt aber in Wirklichkeit die auf alt gestylte Helene selbst...
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Ein Werk von Max Ernst?
Natürlich nicht. Es ist ein echter Beltracchi. Der aber für rund eine Million über den Tisch ging. Aufgrund seiner Flucht in die USA im Jahr 1941 war Max Ernst ein idealer Künstler für Beltracchi. Fast schon logisch, dass eines seiner verschollenen Bilder irgendwann mal wieder auftauchen würde..., da schöpfte kein Mensch Verdacht.
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So malte Kees van Dongen (1877-1968)
«Keine Frage, das ist sein Stil, der ist echt», meinten die Experten. Der in Rotterdam geborene van Dongen war ab 1905 Mitglied der >Fauves um Henri Matisse, hatte also einen guten Namen. Deshalb brachte auch dieses Bild «Dame mit Hut» stolze 1.5 Millionen.
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300 gefälschte Bilder...
Nach eigenen Angaben (Talkshow vom 31.1.2014) hat Beltracchi innert 40 Jahren etwa 300 Bilder gefälscht. Verurteilt wurde er für gerade mal 14 Fälschungen. Die Staatsanwaltschaft schätzte die erzielten Gewinne «der Bande» auf rund 16 Mio Euro.
Wieviele der gefälschten Bilder heute noch im Umlauf sind, ist nicht bekannt. Sie dürften inzwischen auch als «echte Beltracchi» ihren Wert haben.
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>Der ehrliche Fälscher». Auszug aus Berner Zeitung 2014.
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