Francis Bacon (1909-1992)


Wenn man das erste Mal vor seinen Bildern steht,
drängt sich unweigerlich die Frage auf: Wer ist der Mensch, der solche verstörenden Bilder malt? Wie bloss kommt jemand auf solche Schrecken einflössende Horrorfiguren und deformierte Gesichter?

 

 

Francis Bacon, Selfportrait, 1971.

Centre Pompidou Paris.

 

 

In seinem letzten Interview – drei Monate vor seinem Tod 1992 – sagt Bacon: «Es gab so viel Krieg in meinem Leben». Das mag erklären, wieso in vielen seiner Werke der blanke Horror vorkommt. Fantasiemonster, Fratzen statt Gesichter, verstümmelte Körper, Todesschreie. Vielleicht sind sie ein Spiegel seines Lebens.

 

Francis Bacon kommt 1909 in Dublin (Irland) zur Welt, als Sohn englischer Eltern. Sein Vater soll sehr autoritär und zuweilen auch gewalttätig gewesen sein. Er war im Ersten Weltkrieg im Kriegsministerium in London tätig. Die Kriegswirren und ständig wechselnde Wohnsitze haben zur Folge, dass Francis kaum eine regelmässige Schulbildung bekommt und grösstenteils sich selbst überlassen ist.

 

Für eine weitere Verwirrung sorgt, dass er sich schon als Teenager seiner Homosexualität bewusst wird – worauf hin sein Vater aus dem Haus wirft. Francis geht als 17-jähriger auf Reisen, ist in Nordafrika unterwegs, lebt ab 1927 in Berlin und in Paris. Dort beginnt er sich für Kunst zu interessieren – und wird Autodidakt.

 

 

Francis Bacon 1927 auf dem Balkon des
Hotel Ritz in London. Foto©The Estate
of Francis Bacon. >Quelle

 


Eines seiner ersten bekannten Werke ist die abstrakte «Kreuzigung» von 1933, die er in London ausstellt. 1936 lehnt man seine Bilder für eine Surrealisten-Ausstellung ab, weil man sie als «zu wenig surrealistisch» taxiert. In der Folge gerät er in eine längere Schaffenskrise und zerstört viele seiner bisherigen Werke.

 

Nach dem Krieg, 1945, schockiert er dann Publikum und Kritiker mit seinem Triptychon «Drei Studien zu Figuren am Fusse einer Kreuzigung». Das macht ihn bekannt. Ab jetzt wird er von einer Londoner Galerie portiert.

 

1949 verhilft ihm seine erste Einzelausstellung in der Hannover Gallery in London zum Durchbruch. Dort zeigt er eine Gemäldereihe unter dem Titel «Heads». Schreiende Päpste und verformte Köpfe. Eine erste Retrospektive bekommt er 1955 im Londoner Institute of Contemporary Arts – da ist er als Künstler bereits anerkannt und erfolgreich.

 

1961 bezieht er ein – für seine inzwischen gewachsene Bekanntheit relativ bescheidenes – Atelier an der Londoner Adresse Reece Mews 7 (wo er bis zu seinem Tod arbeiten wird). 1961 stirbt sein Lebensgefährte Peter Lacy. Ein Jahr später lernt er George Dyer kennen, der sein neuer Lover wird und von dem er eine ganze Serie Porträts erstellt. Zehn Jahre später verliert er auch ihn: Dyer nimmt sich 1971 das Leben.


1968 bekommt Bacon seine erste Einzelausstellung in NewYork: in der Marlborough-Gerson Gallery. Jetzt wird er auch in den USA berühmt.

 

1971 stirbt seine Mutter und im gleichen Jahr nimmt sich sein Partner George Dyer in einem Pariser Hotelzimmer das Leben. Bacon verarbeitet den Suizid Dyers in Werken wie «In Memory of George Dyer». Zu sehen in der Fondation Beyeler in Riehen-Basel.


In den 1980er-Jahren finden Retrospektiven in Tokio, London, Washington und New York (1990) statt. Sie zementieren Bacons Aufstieg zum weltberühmten und höchst erfolgreichen Künstler. Jetzt gehört er zu den Top-Ten der bedeutendsten lebenden Künstler der Welt.

 

Anfangs der 90er kämpft Francis Bacon vermehrt mit gesundheitlichen Problemen. Während einer Reise nach Madrid verschlechtert sich sein Zustand drastisch. Er erleidet am 28. April 1992 einen Herzschlag und stirbt in einem Spital in Madrid. Alleinerbe seines Vermächtnisses wird sein Lebensgefährte John Edwards.

 

 

>Biography Francis Bacon

 

 

 

 

 

 

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Bacon auf dem Kunstmarkt

 

Francis Bacon zählt heute zu den teuersten Künstlern weltweit. Milliardäre wie Roman Abramowitsch ersteigern sich Bacon-Werke zu Millionenbeträgen. So an einer Auktion von 2008, als er das Werk «Triptych 1976» für 86.3 Mio US-$ erwirbt.

 

 

Francis Bacon (1909-1992). Three Studies of
Lucian Freud, 1969. Foto©Christie's.

 

 

Noch höher hinaus geht es am 12. November 2013:
Für Bacons Werk «Three Studies of Lucian Freud (Triptychon)» aus dem Jahr 1969 werden bei Christie’s in New York sogar 142.4 Mio US-$ hingeblättert. Käufer oder Käuferin unbekannt.

 

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Francis Bacon (1909-1992). Three Studies for
Figures at the Base of a Crucifixion, 1944.

74 x 94 cm. Tate Britain, London.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Francis Bacon (1909-1992). Painted Screen, 1929. Tate Britain London.

 

 

1927: Erste Versuche als Autodidakt

 

Er ist als 18-jähriger in Paris unterwegs, als er in einer Ausstellung der Galerie Paul Rosenberg Zeichnungen von Picasso zu sehen bekommt. Das weckt sein Interesse an der Kunst. Jetzt beginnt er zu malen – als Autodidakt.

 

Zurück in London verdient Bacon seinen Lebensunterhalt als Möbeldesigner und Dekorateur. 1930 nimmt er an einer kleinen Gruppenausstellung von Surrealisten und Kubisten teil. So richtig erfolgreich ist er aber in dieser Zeit weder als Designer noch als Maler.

 

Francis Bacon (1909-1992). Crucifixion, 1933. WikiArt FairUse.

 

1933: Harziger Start als Künstler

 

Eines seiner ersten eigenständigen Werke ist das 1933 gemalte Crucifixion. In diesem Jahr zeigt er seine Bilder an einer Gruppenausstellung in der Londoner Mayor Gallery. Die Kritiken sind mässig.

 

Auch eine selbst organisierte Einzelausstellung ein Jahr später wird zum Misserfolg und Bacon malt immer weniger. 1936 verweigert man ihm zudem die Teilnahme an der International Surrealist Exhibition mit der Begründung, das Gezeigte sei «zu wenig surrealistisch». Das stürzt ihn in eine Schaffenskrise. Es folgt eine unproduktive Phase, die bis in die 40er-Jahre andauert. Er zerstört viele seiner Werke.

 

 

Francis Bacon (1909-1992). Three Studies for Figures at the Base of a Crucifixion, 1944.
74 x 94 cm. Tate Britain, London.

 

Mittelteil des Triptychons.

 

 

1945: Ein Triptychon lanciert die Karriere


Eigentlich heisst es «Drei Studien für Figuren an der Basis einer Kreuzigung» – aber da ist weit und breit keine Kreuzigung zu erkennen.

 

Dafür schreckeinflössende Eumeniden (=Furien, Rachegöttinnen), wie sie in der griechischen Tragödie «Orestie» von Aischylos (525 - 456 v. Chr.) vorkommen. Bacon lässt seiner Fantasie freien Lauf und malt skurrile, zähnefletschende Mischwesen.

 

Als das Werk 1945 in London ausgestellt wird,

sind sowohl das Publikum als auch die Kunstkritiker geschockt. Ein Triptychon, das eine Kreuzigung ansagt – und dann das! Immerhin wird Bacon damit auf einen Schlag bekannt. Ein Lover Bacons, Eric Hall, kauft das dreiteilige Werk. Nun werden auch die Galeristen auf ihn aufmerksam. Er kommt in der Londoner Galerie Lefevre unter. Jetzt nimmt seine künstlerische Karriere Form an.

 

 

Francis Bacon (1909-1992). Painting 1946.
198 x 132cm.
MoMA New York.

 

 

Rembrandt
(1609-1669). Geschlachteter Ochse, 1655. Musée du Louvre, Paris.

 

Der gekreuzigte Ochsenkadaver


Religiöse Motive finden sich in Bacons Werk häufig – allerdings meist in despektierlicher Form. In diesem Gemälde Painting 1946 ist zwar eine Kreuzigung zu erkennen, aber der Gekreuzigte ist nicht Jesus, sondern ein Ochsenkadaver.

 

Das Werk nimmt auch Bezug auf die düstere Zeit des Zweiten Weltkriegs. Die entstellte Figur unter dem Regenschirm könnte den britischen Premierminister Neville Chamberlain darstellen, der mit seiner «Friedenspolitik» Hitler auf den Leim kroch. Seine berühmte Rede von 1939 enthielt den Satz: «My good friends, for the second time in our history, a British Prime Minister has returned from Germany bringing peace with honour. I believe it is peace for our time... Go home and get a nice quiet sleep.»

 

Kunsthistoriker sehen im gekreuzigten Ochsen auch eine Anlehnung an Rembrandts «geschlachteten Ochsen» von 1655. Was all die übrigen symbolischen Andeutungen sollen – man müsste den Künstler fragen können.

 

Bacons Werk Painting 1946 wurde von Erica Brausen von der Hanover Gallery erworben. Danach im Musée d’art moderne in Paris ausgestellt (heute Centre Pompidou) und 1948 vom New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) erworben.

 

 

Francis Bacon (1909-1992). Three Studies of the Male Back (Triptych), 1970. Kunsthaus Zürich.

 

Bild links.

 

Bild mitte.

 

Bacons Begeisterung fürs Triptychon

 

Das Triptychon kommt in der Regel in Altarbildernmit aufklappbaren Seitenflügeln zur Anwendung, aber für Bacon wird es zum Stilmittel.

 

Bacon: «Ich sehe Bilder in Serien. Ich könnte weit über das Triptychon hinaus gehen und fünf oder sechs Bilder nebeneinander stellen. Das Triptychon halte ich aber für eine ausbalancierte Einheit.»

 

Ab den 1960er-Jahren arbeitet er vermehrt mit Triptychonen. Es gibt da noch eine Aussage von ihm, die eine weitere Erklärung für seine Triptychon-Neigung enthält: Bacon sagt, das Breitwandkino mit seinem Cinemascope-Format habe ihm die Idee dazu geliefert.

 

Eine dritte Variante lautet: Weil das Triptychon für die Dreifaltigkeit steht, bietet es dem Künstler die Möglichkeit, seinen Bildern einen religiösen Touch zu verleihen, ohne diesen Bezug explizit darlegen zu müssen.

 

Die stilistisch-künstlerische Erklärung Bacons lautet so: Im Triptychon bekommt der Betrachter die Chance, seinen Blick wandern zu lassen. Und der Künstler erhält durch die Aneinanderreihung mehrerer Bilder auch die Möglichkeit, eine Art Bewegung, eine Motion, darzustellen.

 

Francis Bacon (1909-1992). Head VI, 1949. 93x76cm. Arts Council of Britain, London.

 

Francis Bacon (1909-1992). Study after Velazquez' Portrait of Pope Innocent X, 1953. 153x118cm. Des Moines Art Center, Iowa.

 

 

1949: Head VI – der schreiende Papst

 

Dieses Porträt des verzerrten und schreienden Papstes Innozenz X gehört zu Bacons bedeutendsten Werken. Als Vorlage dient ihm das Gemälde von Diego Velazquez (1599-1660), das sich in Rom befindet >Palazzo Doria Pamphilj.

 

Es heisst, Francis Bacon hätte Velazquez' Original nie selbst gesehen und sein Werk «Head VI» des Papstes nach einer Fotografie erstellt.

 

Diego Velazquez (1599-1660).
Papst Innozenz X, 1649-50. Palazzo Doria Pamphilj, Rom.

 

 

Head VI stammt aus einer Reihe von Porträts von Päpsten. Auch das 1953 entstandene Werk «Studie nach Velazquez' Porträt von Papst Innozenz X» zeigt den Stellvertreter Gottes in verzerrter, angsterfüllter und schreiender Form. Man geht davon aus, dass der Künstler damit auf Horror, Tod und Gebrechlichkeit hinweisen will. Auf jeden Fall wirken seine Papstbilder verstörend.

 

 

 

Francis Bacon (1909-1992). Study of a Nude, 1952-53. © The Estate of Francis Bacon.

 

1952: Study of a Nude

 

In den 1950er-Jahren geht es mit Bacons Karriere steil aufwärts. 1953 hat er in New York seine erste Einzelausstellung. In dieser Zeit befasst er sich auch mit Akten wie Study of a Nude, 1952-53.

 

1957 folgt in der Galerie Rive Droite seine erste Einzelausstellung in Paris. Die erste Ausstellung in der Londoner Galerie Marlborough Fine Art 1960 ist ein grosser Erfolg und Bacon kann sich als erfolgreichen Künstler etablieren.


 

Francis Bacon (1909-1992). In Memory of George Dyer, 1971. Mitte. Sammlung Beyeler.

 

 

1971: In Memory of George Dyer

 

Das Jahr 1971 hält für den Künstler gleich zwei Schicksalsschläge parat: Im April 1971 stirbt seine Mutter in Südafrika und im Oktober nimmt sich sein Lebenspartner George Dyer (1934-1971) in einem Pariser Hotelzimmer mit einer Überdosis Tabletten und Alkohol das Leben.

 

Bacon verarbeitet den Suizid Dyers in dreiteiligen Werken wie «In Memory of George Dyer», 1971. Zu sehen in der Fondation Beyeler, Riehen-Basel. Im Bild: Mittelteil des Triptychons.


 

Francis Bacon (1909-1992). Study of the Human Body, 1981-82. Centre Pompidou Paris.

 

1980er: Auf dem Höhepunkt

 

Anfangs der 80er-Jahre finden weltweit Einzelausstellungen und Bacon-Retrospektiven statt. Darunter in Madrid, Barcelona, Tokio, London, Moskau, Washington. Nun gehört Bacon zu den erfolgreichsten lebenden Malern der Welt.


Nach dem Erreichen seines 70. Lebensjahrs widmet er sich auch Landschaften. Wie «Sand Dune» von 1981, zu sehen in der Fondation Beyeler Riehen.

 

Seinen Stil entwickelt er weiter, aber dieser wird nicht freundlicher – es bleiben verstörende Werke.

 

Den menschlichen (bzw. männlichen) Körper verkürzt er nun auf Rumpf und Beine wie zum Beispiel in Study of the Human Body, 1982. Oder lässt den Körper ganz weg und bildet nur noch eine Blutlache auf dem Boden ab. Wie in «Blood on the Floor» von 1986.

 

 

Francis Bacon (1909-1992). Portrait of John Edwards, 1988. Foto©francis-bacon.com
 

 

1992: John Edwards – Bacons Erbe

 

Mitte der 1970er-Jahre lernt der 66-jährige Bacon den rund vierzig Jahre jüngeren John Edwards kennen, der fortan sein Modell und Lebensgefährte wird. Von ihm malt Bacon rund zwanzig Porträts.

 

Nach Bacons Tod 1992 wird Edwards sein Erbe. Der Künstler hinterlässt ihm sein gesamtes Vermögen und das Studio in South Kensington inklusive aller Werke. Mit erst 52 erkrankt Edwards an Krebs und stirbt 2002. Noch vor seinem Tod organisiert er die Schenkung des Bacon-Studios samt Inhalt an die Hugh Lane Municipal Gallery of Modern Art in Dublin.

 

 

Alles über Francis Bacon:

>https://www.francis-bacon.com

 

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