Er gilt als «Malerfürst», führender Kopf der Moderne und als bedeutendster Vertreter des deutschen Impressionismus.
Max Liebermann kommt in einer Zeit zur Welt, in der die Juden in Deutschland noch erfolgreiche Unternehmer sein dürfen. Das vom Grossvater gegründete Textilunternehmen macht die Familie wohlhabend. Die Liebermanns sind Millionäre und zeigen das auch. Vater Louis erwirbt an bester Lage in Berlin ein prächtiges Palais – direkt neben dem Brandenburger Tor.
Max Liebermann,
Selbstporträt
1929. Albertinum Dresden.
Max erhält noch in seiner Schulzeit Malunterricht. Seine Eltern sind zwar von den künstlerischen Ambitionen ihres Sprösslings nicht begeistert, aber sie hindern ihn auch nicht daran. Zumal Max' älterer Bruder schon als Nachfolger für den Textilbetrieb bestimmt ist.
Die Matura macht Liebermann im gleichen Gymnasium, in dem auch die Söhne Bismarcks lernen. Dann studiert er Chemie. Offiziell – um dem Vater zu gefallen. Aber statt die Vorlesungen zu besuchen, ist er im Tiergarten unterwegs und malt. Er gibt das Studium auf und geht an die Kunstschule von Weimar. Dort wird er Schüler von Ferdinand Pauwels, einem belgischen Historienmaler.
1873 zieht er nach Paris und richtet sich in Montmartre sein Atelier ein. Bei den französischen Künstlern kommt er aber schlecht an – die Franzosen müssen zuerst noch die schwere Kriegsniederlage gegen die Preussen von 1870/71 verdauen.
In der berühmten >Schule von Barbizon im Wald von Fontainebleau kommt er 1874 mit den Impressionisten in Kontakt. Die «plein-air»-Malerei fasziniert ihn, und langsam löst er sich vom naturalistischen Stil. Die wenigen impressionistischen Bilder, die er in Paris malt, finden aber kein Echo.
Es folgen Abstecher nach Venedig und München. In den Niederlanden – ab 1880 – entstehen dann die Werke, die Liebermann zum Durchbruch verhelfen: Es ist seine neuartige «Lichtmalerei». Die findet sogar in Paris Anerkennung.
1884 kehrt er in seine Heimatstadt Berlin zurück und heiratet, wird Mitglied im Verein Berliner Künstler und nimmt auch wieder an der Ausstellung der Akademie der Künste teil.
Nun etabliert er sich als führender Kopf der Moderne. In der aufmüpfigen «Künstlervereinigung der XI», die 1892 gegründet wird. Ab 1898 ist er Präsident der >Berliner Secession, ab 1914 führt er die >Freie Secession an. Alle diese Gruppierungen richten sich gegen das Establishment der alten Kunst.
Doch dann wechselt er die Fronten erneut. Besinnt er sich seiner gutbürgerlichen Herkunft? Jedenfalls nimmt er 1920 eine Berufung zum Präsidenten der Preussischen Akademie an – jener Gesellschaft, die er jahrelang in diversen Sezessionen bekämpft hat. Der Malerfürst ist auf dem Höhepunkt. Er wird sogar Ehrenbürger von Berlin.
Aber nachdem 1933 die Nazis an die Macht kommen, nützen ihm alle seine Verdienste als anerkannter und gefeierter Künstler nichts mehr. Jetzt wird er nur noch als Jude behandelt und geächtet. Die Nazis erteilen dem inzwischen 85-jährigen Arbeits- und Ausstellungsverbot.
Max Liebermann stirbt am 8. Februar 1935
im Alter von 87 Jahren in Berlin.
Titelbild (Ausschnitt)
Max Liebermann (1847-1935).
Münchner Biergarten, 1884.
Neue Pinakothek München.
Das Palais am Pariser Platz 7 |
Palais Liebermann am Brandenburger Tor
Die schwerreichen Liebermanns wohnen in einem prächtigen Palais am Pariser Platz in Berlin, direkt neben dem Brandenburger Tor. Vater Louis, ein erfolgreicher jüdischer Textilunternehmer, hat die repräsentative Liegenschaft 1859 erworben.
Max Liebermann selbst wird später ein herrschaftliches Haus mit grossem Park am Wannsee erwerben.
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Die Gänse-rupferinnen,1871-72. Alte NationalgalerieBerlin. |
1871: Die schmutzigen Gänserupferinnen
Liebermanns erstes grosses Gemälde. Er malt es noch ganz in naturalistischem Stil. Sein damaliger Lehrer, der belgische Historienmaler Ferdinand Pauwels, ist zufrieden: «Nun kann ich ihm nichts mehr beibringen».
Aber als Liebermann das Bild an einer Hamburger Kunstausstellung präsentiert, stösst es auf harsche Kritik, weil es «hässliches, gemeines Volk» zeige. Man beschimpft den Künstler als «Schmutzmaler». Einen Käufer findet das grosse Gemälde aber dennoch: Es geht an den Eisenbahn-Millionär Bethel Strousberg.
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Altmännerhaus |
1880: Die Liebermann'schen Sonnenflecken
So nennen die Kunstexperten die neue Technik der Lichtgestaltung, die Liebermann beim Malen im niederländischen Dongen 1880 «erfunden» hat. Er verarbeitet die Wirkung, die Sonnenstrahlen durch ein Laubdach (oder durch Baumkronen) erzeugen und für einen ganz speziellen Effekt sorgen: den impressionistischen Luminarismus.
Mit diesem Gemälde schafft Liebermann es, am >Pariser Salon eine «ehrenvolle Erwähnung» zu bekommen – als erster Deutscher.
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Schuster-werkstatt, 1881.
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1880: Die Schusterwerkstatt
Noch ein Beispiel von Liebermanns Lichtmalerei. Das Gemälde wird nicht nur gefeiert, es wird auch gekauft: Von Jean-Baptiste Faure, einem französischen Opernsänger und Manet-Fan.
Und der Kunstsammler Ernest Hoschedé schreibt begeistert an Edouard Manet: «Sie haben uns die Geheimisse des Freilichts offenbart, aber Liebermann versteht es, das Licht in geschlossenem Raum zu belauschen».
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Flachsscheuer in Laren, 1887. Alte Nationalgalerie Berlin. |
1887: Die Flachsscheuerinnen
Der Millionärssohn Liebermann interessiert sich immer wieder (und immer noch) für Szenen aus dem Arbeiterleben. Hier sind es Arbeiterinnen, die aus Rohleinen Flachs gewinnen. Die Kritiker finden die «Bauernweiber in ihren verschlissenen Schürzen» der Kunst nicht würdig.
Der bedeutende naturalistische Maler Adolf Menzel hingegen lobt das Werk und schreibt: «Liebermann ist der einzige, der Menschen macht und keine Modelle».
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Martha Liebermann, Gattin des Künstlers, 1898. Schloss Weimar.
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1898: Porträt seiner Gattin Martha
Martha Marckwald wird 1884 die Ehefrau des Künstlers. 1885 kommt ihr einziges Kind zur Welt, Käthe. 1904 bekommt Martha Brustkrebs, sie überwindet ihn aber.
Nach dem Tod ihres Gatten im Februar 1935 beschlagnahmen die Nazis ihr Vermögen, ihr Palais in Berlin und ihr Haus am Wannsee. Tochter Käthe flieht mit ihrem Mann in die USA.
1943 soll Martha Liebermann ins KZ Theresienstadt deportiert werden. Sie entzieht sich der Verhaftung durch die Einnahme einer Überdosis Veronal und stirbt ein paar Tage später im Jüdischen Krankenhaus Berlin.
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Führender Kopf der Moderne?
Ja und nein. Max Liebermann gilt als der wichtigste Vertreter des deutschen Impressionismus. Zudem präsidiert er diverse Künstlergruppen, die sich für moderne Kunst einsetzen, wie die >Berliner Secession und die >Freie Secession
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Emil Nolde |
Aber wenn es um Expressionismus geht, dann hat er seine Vorbehalte. Besonders, wenn der Künstler Emil Nolde heisst. Dessen Kunst findet er schlicht «Dreck». Er kann nicht verstehen, wie man so malen kann. Mit Farben, die mit der Natur nichts zu tun haben, mit verzerrten Körpern und Gesichtern.
Für Nolde dagegen ist Liebermanns Kunst ktischig und veraltet. Die beiden werden erbitterte Feinde. Zumal Nolde auch noch die antisemitische Karte spielt.
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An der Alster in Hamburg, 1910. Albertinum Dresden. |
1910: In Hamburg an der Alster
Nicht umsonst wird Max Liebermann als der bedeutendste Vertreter des deutschen Impressionismus bezeichnet.
Mit diesem Gemälde, das heute in der Sammlung «Neue Meister» im Albertinum Dresden hängt, zeigt der Künstler, dass er mit den besten Franzosen mithalten kann.
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Reiter in einer
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1929: Reiter in einer Allee
Und hier sind sie noch einmal, die «Liebermann'schen Sonnenflecken», die er vor dreissig Jahren in den Niederlanden entwickelt hat (Bild von 1880, das «Altmännerhaus in Amsterdam»). Jenes ist allerdings noch detailliert ausgearbeitet und trägt noch kaum Züge des Impressionismus.
Sein Bild «Reiter in einer Allee», das er mit 82 Jahren malt, enthält dagegen alle Zutaten, die den Impressionismus ausmachen: Schnelle, grobe Pinselstriche und geniales Licht.
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Fotos chronologisch geordnet
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