Emil Nolde (1867-1956)


Einer der führenden deutschen Expressionisten. Er heisst eigentlich Hans Emil Hansen und kommt in Nolde in Schleswig-Holstein zur Welt – nach seinem Geburtsort Nolde nennt er sich dann auch.

 

 

selbstporträt_nolde

Emil Nolde (1867-1956).
Selbstporträt, 1917.
Brücke Museum Berlin.

 

 

Er stammt aus einer Bauernfamilie. Seine Jugendjahre sind geprägt von kargem Leben und harter Arbeit. 1884 besucht er die Kunstgewerbeschule in Flensburg, lässt sich dort als Zeichner und Schnitzer ausbilden. 1892 übernimmt er einen Posten als Zeichenlehrer in St. Gallen – im Gewerbemuseum. 1898 wird ihm hier gekündigt. Fortan lebt er als freier Künstler, malt Landschaften und lässt davon Postkarten drucken.

 

Seine nächste Station ist München, aber dort wird ihm eine Aufnahme in die Kunstakademie verwehrt. Mit der Malerin Emmi Walther zieht er nach Paris, wo er sich in der Académie Julian anmeldet. Um 1900 hat er sein erstes Atelier in Kopenhagen. Dort heiratet er die dänische Schauspielerin Ada Vilstrup. Er malt jetzt vor allem Blumenbilder. Die Künstlergruppe >Die Brücke lädt ihn 1906 zur Mitgliedschaft ein – dort bleibt er aber nur ein Jahr.

 

1909 wird er Mitglied der >Berliner Secession, aber dort will man den Expressionisten nicht. Nach einem Streit mit dem Impressionisten >Max Liebermann wird Nolde ausgeschlossen. Nun schliesst er sich der «Neuen Secession» an, die 1910 eine Ausstellung unter dem Titel «Zurückgewiesene» ausrichtet.

 

In Berlin malt Nolde religiöse Bilder und Szenen aus dem Berliner Nachtleben.

 

1926 zieht er mit seiner Frau Ada nach Seebüll, einem Ortsteil von Neukirchen an der dänischen Grenze. Dort baut er eine leer stehende Warft zu Wohnhaus, Atelier und Garten um. Es ist mehr als ein Garten – es ist Noldes Kunstwerk. Heute ist dort das historische Noldehaus, ein Museum.

 

Seine expressionistischen Gemälde und Aquarelle entsprechen zwar in keinster Weise der geltenden Kunstnorm, trotzdem gibt er sich als Anhänger der «germanischen Kunst». 1934 tritt er in die NSDAP ein. Seine politische Einstellung ist klar antisemitisch. Er polemisiert gegen jüdische Künstler wie Max Liebermann oder Kunsthändler wie Paul Cassirer.

 

Nazigrössen wie Joseph Goebbels und Albert Speer förden den gleichgesinnten Nolde anfangs, aber Hitler mag seine Kunst nicht. Nach dessen Machtübernahme 1933 wendet sich das Blatt. 1937 werden Noldes Arbeiten als «entartet» eingestuft, viele seiner Werke beschlagnahmt. Nolde fällt aus allen Wolken, kann es nicht glauben. Er schreibt an Goebbels, er, Nolde, sei doch «der einzige deutsche Künstler im offenen Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Kunst». Vergebens, man lässt ihn fallen.

 

Trotzdem bleibt er erfolgreich, kann seine Gemälde weiter gut verkaufen, erzielt bis zu 20'000 Reichsmark für einzelne Werke und wird wohlhabend. Finanziell gehört Nolde zu den erfolgreichsten deutschen Künstlern während der Nazizeit.

 

Eine Parkinson-Erkrankung beendet dann seine Karriere. Er stirbt am 13. April 1956 in Seebüll, wo er neben Gattin Ada in der Gruft seines Gartens die letzte Ruhestätte findet.

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

1920-Emil Nolde (1867-1956).

Tänzerinnen, 1920.

Staatsgalerie Stuttgart.

 

sonne

Emil Nolde
(1867-1956).
Die Wintersonne, 1908. Albertina
Wien.

 

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Tanz um das goldene Kalb, 1910. Pinakothek der Moderne München.

 

 

 

 

1906: Mitglied «Die Brücke»

 

Von der Dresdner/Berliner Künstlergruppe «Die Brücke» wird er eingeladen, Mitglied zu werden.

Die Gruppe will der Malerei einen neuen Stil verpassen – weg vom akademischen Stil. Drei Mitglieder der >Brücke gelten als Wegbereiter des deutschen Expressionismus: Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff.

 

Nolde passt mit seinen expressionistischen Werken eigentlich gut in diese Gruppe. Aber mit Schmidt-Rottluff versteht er sich nicht, es kommt zum Streit. Nolde beendet seine aktive Mitgliedschaft schon ein Jahr später.

 

1909 tritt er der >Berliner Secession bei, aber dort steht ihm Max Liebermann im Weg, der den Expressionismus kategorisch ablehnt. Nolde wechselt zu den «Abgewiesenen» in die «Neue Secession», die den Refusierten die Möglichkeit bietet, eigene Ausstellungen auszurichten.

 

 

pfingsten

Emil Nolde
(1867-1958). Pfingsten, 1909. Nationalgalerie Berlin.

 

Erbitterte Feindschaft mit Max Liebermann

 

Wie religiös Nolde war, ist unbekannt. Seine biblischen Werke scheinen ihm aber viel bedeutet zu haben. In drei Gemälden verarbeitet er die wichtigsten Stationen der christlichen Passionsgeschichte vom Abendmahl über die Kreuzigung hin bis zum Ende, Pfingsten. Es folgt eine neunteilige Serie «Das Leben Christi». Seine extremen Werke sind heftig umstritten.

 

Das Gemälde «Pfingsten» ist der Anlass zum Zerwürfnis mit >Max Liebermann, der Noldes Expressionismus ablehnt und dessen Kunst als «Dreck» bezeichnet. Er, als Verfechter der Abbildung nach der Natur – wenn auch impressionistisch – kann nicht verstehen, wie man so malen kann. Mit Farben und Formen, die mit der Natur nichts gemein haben, mit verzerrten Körpern und Gesichtern.

 

Nolde dagegen hält Liebermanns Kunst für «kitschig und veraltet» – und verkündet das auch lautstark. Die beiden werden erbitterte Feinde. Zumal Emil Nolde auch gegen alles polemisiert, was von Juden kommt.

 

 

nachtleben

Am Weintisch, 1911. Nolde Stiftung Seebüll.

 

 

1911: Das Berliner Nachtleben

 

Ab 1904 lebt Nolde mit seiner Frau Ada in Berlin. Dort pflegt sie Kontakte und sorgt dafür, dass ihr Gatte gut vernetzt ist.

 

1910/11 malt Nolde eine Folge von 17 Gemälden aus dem Berliner Nachtleben, und in den folgenden Jahren entstehen weitere 300 Aquarelle, Tuschpinselzeichnungen und Radierungen zu diesem Thema.

 

taenzerinnen

Tänzerin und Harlekin, 1920. Nolde Stiftung
Seebüll.

 

 

1920: Tänzerin und Harlekin

 

Besuche in Berlins Varietés hinterlassen Spuren. Noldes expressionistische Werke werden immer ungehemmter, die Figuren immer exzessiver. Seine Kreaturen sind schon fast surrealistisch, die Körper gekrümmt, die Gesichter zu Fratzen verzerrt. Der Harlekin und seine barbusige Tänzerin vewandeln ihren Pas de Deux in Akrobatik.

 

 

seebüll

Noldehaus mit
Garten in Seebüll
bei Neukirch.
Foto Dirk Ingo
Franke,
WikiCommons.

 

blumen

Herbstblumen-
garten, 1934.
Albertina-Batliner
Wien.

 

 

1927: Das Noldehaus in Seebüll

 

Seebüll liegt in Schleswig-Holstein an der dänischen Grenze. Dort baut Nolde 1927 nach eigenen Plänen sein Haus und sein Atelier, im Stil der damals hoch im Kurs stehenden Bauhaus-Architektur. Die passt zwar nicht ganz in die Architektur der Gegend, wo Reetbedachung die Norm ist. Aber dafür verpasst er seinem Garten-Kunstwerk ein Gartenhäuschen mit Reetdach und nennt es liebevoll «Seebüllchen».

 

Heute ist die ganze Anlage sein Museum. Die Wohnräume im Erdgeschoss sind noch original möbliert, im ehemaligen Atelier zeigt man seine religiösen Bilder (das Hauptwerk, der neunteilige Zyklus «Das Leben Christi» von 1911/12).

 

Die Begräbnisstätte von Ada und Emil Nolde befindet sich in einem ehemaligen Erdschutzbunker, der 1946 in eine Gruft umgewandelt wurde.

 

>Link zum Nolde-Museum in Seebüll

 

 

 

familie

Glückliche
Familie, 1947. Brücke Museum Berlin.

 

1947: Glückliche Familie

 

Nolde übersteht das Naziregime im Grossen und Ganzen unversehrt, obwohl seine Werke als «entartet» eingestuft werden. Hitler hat ihm zwar den Rücken gekehrt – er mag Noldes Kunst gar nicht – aber der Künstler wird nicht wirklich verfolgt und kann auch während des Krieges weiter arbeiten und seine Werke sehr gut verkaufen.

 

Nach dem Krieg unternimmt Nolde alles, um die antisemitischen Passagen aus seiner Autobiographie zu tilgen. Und dann malt er weiter, es entstehen bis 1951 noch über 100 Gemälde. Darunter auch die «Glückliche Familie».

 

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Fotos / Diashow

 

 

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