Er heisst Dante und Rossetti – aber ist Engländer. Rossetti heisst er, weil sein Vater aus Italien stammt, und Dante heisst er, weil ihm sein Vater, Dichter und Dante-Experte, diesen Namen verpasst hat.
Dante Gabriel Rossetti, 1855.
Selbstporträt. Fitzwilliam Museum,
Cambridge.
Rossetti lebt in einer Zeit, als das Britische Imperium in der Hochblüte steht und die halbe Welt regiert – von Kanada bis Australien. Im «viktorianischen Zeitalter», benannt nach >Queen Victoria, die 63 Jahre lang Königin war, bis 1901.
Der junge Rossetti hätte auch Dichter werden können, begabt wie er ist. Aber er hat noch andere Stärken. Zeichnen und Malen. Soll er sich nun das Leben mit Schreiben oder mit Malen verdienen? Die Antwort erhält er vom arrivierten Schriftsteller Leigh Hunt. Der meint, es sei leichter, mit Malen ans Geld zu kommen als mit Gedichten.
Also Malen. Aber was? Mit ein paar Kollegen ist er sich einig, dass «die britische Kunst dem Verfall nahe» sei. Und zu sehr den herrschenden Konventionen folge, die noch von Raffael geprägt sei. Kurzerhand gründen die fünf Freunde 1848 die «Präraffaelitische Bruderschaft» und setzen sich zum Ziel, wieder mehr nach der Natur zu malen. Aber die Gruppe übersteht keine fünf Jahre.
Und auch Rossetti selbst löst sich schon bald von den Idealen der «prä-raffelitischen Bewegung». Er verliert die Lust an der genauen Ausführung von Details und entscheidet sich vielmer für mythologische und literarische Motive – und für romantische Frauenbilder.
1858 malt er zusammen mit anderen jungen Künstlern den Sitzungssaal der Oxford University mit Szenen rund um die Sage von König Artus aus.
Rossetti kann seine Gemälde und Aquarelle gut verkaufen – nicht zuletzt dank des wohlwollenden Kritikers John Ruskin, der ihn hoch lobt und weit herum bekannt macht.
1860 heiratet Rossetti seine Muse und langjähriges Modell Elizabeth Eleanor Siddal. Das Eheglück hält aber nicht lange. Nach einem Jahr bringt sie ein totes Kind zur Welt und begeht 1862 Suizid.
Witwer Rossetti zieht in den Londoner Stadtteil Chelsea, danach lebt und arbeitet er zwischen 1871 und 1874 im Landhaus seines engen Freundes William Morris in Kelmscott Manor, Oxfordshire. Mit dessen Gattin Jane beginnt er eine Affäre. Sie dauert jahrelang und belastet alle Beteiligten.
In dieser Phase erleidet der Künstler einen Nervenzusammenbruch und unternimmt einen Selbstmordversuch, der aber scheitert. Er leidet an Depressionen und flüchtet sich in Alkohol und Drogen.
Zurück in London geht es ihm gesundheitlich schlecht. Sein exzessiver Alkohol- und Drogenkonsum zeitigt Folgen. Er leidet an Wahnvorstellungen und hat so zittrige Hände, dass er kaum noch malen kann. Jane Morris bricht 1876 die Beziehung zu ihm ab. Rossetti wird mehr und mehr zum Exzentriker. Krank, depressiv und vorzeitig gealtert, verlässt er nur noch selten sein Haus in West Sussex in Südengland.
Am 9. April 1882 stirbt Dante Gabriel Rossetti während eines Urlaubaufenthaltes in Birchington-on-Sea bei Kent im Alter von nur 53 Jahren.
Titelbild (Ausschnitt)
Dante Gabriel Rossetti (1828-1882).
Reverie, 1868. Ashmolean Museum,
Oxford. WikiArt.
Eines der grossen Vorbilder für eine naturalistische Abbildung:Jan van Eyck (1390-1441). The Arnolfini Portrait, 1434. National Gallery London. |
Der Prä-Raffaelist
Dante Gabriel Rossetti ist der Kopf einer Gruppe, die sich PRB nennt (Pre-Raphaelite Brotherhood) und 1848 gegründet wird. Die weiteren Mitglieder sind: sein Bruder William, John Everett Millais, William Holman Hunt, Frederic George Stephens, Thomas Woolner und James Collinson.
Die PRB findet, die akademische Malerei seit Raffael (1483-1520) produziere «Wachsfiguren» und keine lebenden Wesen.
Das Ziel der Gruppe ist es, in der Malerei die Natur detailgetreu abzubilden. Als Vorbilder erküren sie Künstler, die vor Raffael gelebt haben, wie zum Beispiel >Jan van Eyck (1390-1441).
Die Gruppe überlebt allerdings kaum fünf Jahre und bricht auseinander, als John Everett Millais sich 1853 zum Mitglied der Royal Academy wählen lässt.
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Dante Gabriel Rossetti (1828-1882). The Annuciation, 1850. Tate Britain. |
1850: Der realistische Naturalimus
In einem seiner frühen Werke beweist Rossetti, dass er die Ziele der Prä-Raffaeliten durchaus ernst nimmt. Er setzt sie sogleich um.
Im Gemälde «Verkündigung» bildet er eine Maria ab, die natürlicher nicht sein könnte und sich von den biblisch-idealisierenden Jungfrauabbildungen des Madonnenkönigs >Raffael deutlich abgrenzt.
Rossetti zeigt seine Maria erschreckt und verstört, als ihr der Engel Gabriel verkündet, dass sie vom heiligen Geist schwanger sei und Jesus gebären werde. Ihr Gesicht scheint auszudrücken: «Ohmeingott, was kommt da auf mich zu...»
Viele naturalistisch-realistische Bilder malt Rossetti allerdings nicht. Er löst sich bald von den Idealen der Prä-Raffaeliten und produziert träumerisch-romantische Frauenporträts.
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Elizabeth Siddal,
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1850: Elizabeth Eleanor Siddal
1849 oder 1850 lernt der Künstler Elizabeth Siddal kennen. Sie ist eine zierliche, fragile Schönheit mit langem, kupferfarbigem Haar und dient den Präraffaeliten als willkommenes Modell; ab 1852 nur noch für Rossetti.
1860 heiraten die beiden. Ein Jahr danach bringt Lizzie ein totes Kind zur Welt und erleidet einen Nervenzusammenbruch.
1862 nimmt sie sich mit einer Überdosis Laudanum das Leben. Rossetti ist am Boden zerstört. Aus Trauer über ihren Tod lässt er sein einziges Gedicht mit ihr begraben.
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Beata Beatrix,
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1864: Elizabeth als Beate Beatrix
Es ist ein Porträt seiner verstorbenen Elizabeth in der Figur von Beatrice. Beatrice ist Dantes Ideal in der «Göttlichen Komödie» >mehr.
Rossetti malt sie soft-transzendental in einer Haltung der Ekstase, die gefalteten Hände vor sich und mit geöffneten Lippen. Seine Liebe zu ihr wird durch die rote Taube symbolisiert, und der Schlafmohn, den der Vogel im Schnabel trägt, steht für die Überdosis an Drogen, mit der sie sich das Leben genommen hat.
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Lady Lilith, 1866. Delaware Art Museum.
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1866: Lady Lilith
Eine Auftragsarbeit des Reeders Frederick Richards Leyland, der bei Rossetti insgesamt 18 Gemälde bestellt. Lilith kostet 472 Pfund und zeigt nicht die mythologische Figur aus dem alten jüdischen Testament, sondern eine moderne Lilith – aber genau so verführerisch und Männer betörend wie die biblische. Sie betrachtet ihre eigene Schönheit im Handspiegel. Das Gemälde gehört zu einer Reihe von Rossetti-Gemälden solcher «Spiegelbilder». Seine Lady Lilith gilt als Inbegriff dieser Art.
>mehr über die biblische Lilith
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Ritratto di Jane Morris, 1868-74. Galleria Nazionale d'Arte Moderna, Roma.
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1868: Die Affäre mit Jane Morris
Rossetti beschäftigt mehrere Modelle. Nach seiner Ehefrau Elizabeth ist es Fanny Cornworth, die sich nicht nur um seinen Haushalt kümmert, sondern auch seine Geliebte ist. Da er sehr gut verdient, kann er sich ein weiteres Modell leisten, Alexa Wilding.
Und dann ist da noch Jane Morris, die Frau seines engen Freundes William Morris. Rossetti und Jane führen eine jahrelange Affäre – unter den Augen Williams. Der lässt das zu, weil er weder gegen seine Frau noch gegen seinen Freund einschreiten will oder kann.
Jane Morris ist es schliesslich, die die Affäre beendet. Aber erst 1876, als Rossetti wegen seines Alkoholproblems unausstehlich geworden ist.
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Proserpina, 1874. Tate Britain, London.
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1874: Proserpina
Rossetti beginnt 1871 mit der Arbeit an diesem Gemälde und malt davon mindestens acht Versionen. Die letzte wird erst 1882 fertig, im Jahr seines Todes. Modell steht Jane Morris.
Und wer ist Proserpina? Sie ist das römische Pendant zur griechischen Persephone und wird von Pluto geraubt und in die Welt der Toten entführt...
Rossetti hat die Proserpina gewählt, weil er in ihr symbolisch die Notlage «seiner» Jane Morris sieht, die auch zerrissen ist zwischen ihrem Geliebten (Rossetti) und dem Ehemann und Vater ihrer beiden geliebten Töchter.
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Fotos / Diashow
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