
Otto Dix (1891-1969).

Otto Dix (1891-1969). Matrosen-braut, 1921. Kunsthaus Zürich.

Otto Dix (1891-1969). Die Barrikade, 1922. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen.

Otto Dix (1891-1969). Randegg im Schnee mit Raben, 1935. Kunst-museum Stuttgart.
|
Otto Dix und die Neue Sachlichkeit
Otto Dix kommt 1891 in Thüringen als Sohn eines Eisenformers und einer Näherin zur Welt. Sein Vater ist engagierter Sozialdemokrat. Er besucht die Kunstgewerbeschule Dresden. Im Ersten Weltkrieg (1914-18) wird er MG-Schütze und kämpft an der Somme und später an der Ostfront. 1918 wird er verwundet. Er überlebt den Krieg und bringt aus diesem eine ganze Reihe von Zeichnungen nach Hause.
>mehr über Otto Dix
Neue Sachlichkeit – was ist das?
Sie entwickelt sich in Deutschland in den 1920er- Jahren und sucht die Abkehr vom gefühlsbetonten Expressionismus. Stattdessen soll eine realistische, sachliche und detaillierte Darstellung der Wirklichkeit erreicht werden. Den Begriff Neue Sachlichkeit prägt Gustav Friedrich Hartlaub nach einer Ausstellung 1925 in Mannheim.
Zur Gattung der Neuen Sachlichkeit gehören nicht nur sachlich-nüchternde und realistische Werke, sondern auch karikierende Darstellungen, die bis zur Verfremdung reichen können. Für solche ist Otto Dix bekannt.
Otto Dix gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Ab den frühen 1920er-Jahren entwickelt er einen kritischen Realismus, der sich (auch) durch schonungslose Gesellschaftskritik auszeichnet. In vielen seiner Werke – Porträts und Darstellungen von Gesellschaft und Krieg – kritisiert er die Zustände nach dem Ersten Weltkrieg, oftmals karikierend.
Dix verstand sich als «Augenmensch». Er wollte die Dinge so zeigen, wie sie sind. Das war auch ein zentrales Anliegen der Neuen Sachlichkeit. In kunsthistorischen Analysen wird Dix regelmässig als Hauptvertreter oder sogar als Begründer dieser Stilrichtung genannt.
Auch nach 1933 malte er im Stil der Neuen Sachlichkeit, aber mit Rücksicht auf die politische Lage insbesondere Landschaften.
|

Adolf Dietrich (1877-1957).

Adolf Dietrich (1877-1957). Vater, die Zeitung lesend, 1913. Kunstmuseum Thurgau.

Adolf Dietrich (1877-1957). Frühling in der Stadt (Ludwigs-hafen), 1923. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen.

Adolf Dietrich (1877-1957). Mädchen mit roter Korallenkette, 1932. Kunst-museum Thurgau. |
Adolf Dietrich – naive Kunst oder
Vorreiter der Neuen Sachlichkeit?
Dietrich stammt aus Berlingen (Thurgau). Dort kommt er 1877 zur Welt. Er wächst in ärmlichen Verhältnissen auf – als siebtes Kind einer Kleinbauernfamilie. Seinem Primarlehrer fällt auf, wie gut Adolf schon als Kind zeichnet. Er schlägt den Eltern vor, ihn eine Lehre als Lithograf machen zu lassen – doch die können sich das nicht leisten. Adolf muss Geld verdienen und zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Also arbeitet er in der Trikotfabrik von Berlingen und zuhause als Maschinenstricker. Mit Malerei beschäftigt er sich nur nebenbei. Erst 1937 schafft er den Durchbruch als Künstler und kann Werke an Ausstellungen der Naiven Malerei in Paris, London und New York zeigen.
Sein künstlerisches Schaffen beginnt um die Jahrhundertwende, also um etwa 1900, als er erste Skizzen und Ölbilder fertigt. Sein Malstil gilt zunächst als naiv, aber schon 1913 entsteht ein Gemälde, das die Neue Sachlichkeit in sich trägt: «Vater,
die Zeitung lesend».
Mit diesem «frühreifen» Werk wird er zu einer Art Vorrreiter der Neuen Sachlichkeit, die in Deutschland erst im Laufe der 1920er-Jahre zur Entwicklung gelangt.
International wird Dietrich aber erst viel später wahrgenommen. Erst 1937 – da ist er schon 60 – kann er seine Werke an Ausstellungen in Paris, London und New York zeigen.
Allerdings versteht man im Ausland den Schweizer immer noch als Künstler des naiven Malstils. 1941 wird dann endlich sein Heimatkanton Thurgau auf den berühmten Sohn aufmerksam: Man kauft ihm ein Werk für 250 Franken ab. Welches Gemälde das war, ist unbekannt, vermutet wird, dass es sich um ein Landschaftsbild handelt.
Fazit: Adolf Dietrich – vierzehn Jahre älter als Otto Dix – ist als Künstler etwas früher aktiv als dieser, und vor allem zeigen Dietrichs Werke schon früh eine realistische, detailgenaue Darstellung, ganz im Sinne der Neuen Sachlichkeit.
Als Künstler der Neuen Sachlichkeit wird Adolf Dietrich in Deutschland aber erst zur gleichen Zeit wie Otto Dix wahrgenommen, also in den 1920er-Jahren.
>mehr über Adolf Dietrich
|

Adolf Dietrich (1877-1957). Eislauf auf dem Untersee, 1925. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen.

Otto Dix
(1891-1969). Schlittschuhläufer auf dem Bodensee, 1941. Otto Dix Stiftung Vaduz.
|
Dietrich und Dix – zwei Winterbilder
Adolf Dietrich malt sein Leben lang mit Begeisterung Winterbilder. Insbesondere der vereiste Untersee hat es ihm angetan. Zwischen 1900 und 1957 war der Untersee über zwanzig Mal geforen. Dietrichs Winterdarstellungen sind aber nicht nur Zeitzeugen der Natur. Jene, die in den 1930er-Jahren entstanden sind, sind auch Symbole der politischen «Eiszeit» während des Nazi-Regimes in Hitler-Deutschland.
Zwar beschäftigt sich auch Dix mit Landschaften, seit er ab 1933 in seinem «Exil» am Bodensee lebt. Aber für ihn, den Grossstadtmenschen aus Dresden, ist die ländliche Idylle eher eine psychische Belastung. Seine Winterbilder wirken seelenlos, distanziert. Eines der berühmtesten Zitate von Otto Dix lautet:
«Ein schönes Paradies. Zum Kotzen schön.
Ich müsste in die Grossstadt! Ich stehe vor der Landschaft wie eine Kuh». |

Otto Dix
(1891-1969). Eisgang, 1942. Kunstmuseum Stuttgart.

Otto Dix (1891-1969). Der heilige Christophorus V, 1944. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen.
|
Otto Dix' Werke im Exil am Bodensee
Bis 1933 ist Dix Professor an der Dresdner Kunstakademie. Dann erteilen ihm die Nazis ein Berufsverbot, er wird entlassen. Man erklärt ihn zum «entarteten» Künstler, beschlagnahmt 260 seiner Werke aus deutschen Museen und verkauft oder zerstört sie.
>mehr über entartete Kunst
Um weiteren Repressionen zu entgehen, zieht Dix mit seiner Familie nach Hemmenhofen am Bodensee. Es ist kein freiwilliges Exil für den Künstler, eher eine Strafe. Dix passt sich den Umständen an, malt jetzt Landschaften, um politisch nicht anzuecken. Es sind keine lieblichen Bilder, eher stürmische. Er malt um zu überleben – im eigentlichen Sinne, aber auch politisch.
Dennoch bleibt seine Kunst auch in dieser Zeit kritisch und symbolisch aufgeladen. In einigen Werken aus dem Exil sind subtile Anspielungen auf die Zeitumstände und seine innere Haltung gegenüber dem Nazi-Regime zu erkennen. Die Landschaftsbilder dienen ihm als Tarnung. Im Verborgenen arbeitet er weiterhin an gesellschafts-kritischen und allegorischen Motiven. Während der Zweite Weltkrieg tobt, malt er auch biblische Motive.
>mehr über Otto Dix
|