Nein, natürlich darf man keinen kompletten Überblick auf Goyas Lebenswerk erwarten. Das schafft keine Ausstellung. Aber seine berühmtesten Gemälde wie «die nackte Maja» oder die «Erschiessung der Aufständischen» oder die «pinturas negras» – die vermisst man schon. Diese verlassen ihre «Heimat» wohl nie – heisst: Das Museo del Prado in Madrid trennt sich nicht von ihren Perlen, auch wenn sie die Exhibition zusammen mit der Fondation Beyeler ausrichtet.
Trotzdem ist diese Ausstellung in Riehen eine Reise wert, denn sie zeigt aussergewöhnliche und selten gesehene Werke aus spanischem Privatbesitz und aus renommierten Museen dieser Welt.
Ausstellungsplakat.
Was man (auch) nicht zu sehen bekommt, sind Goyas berühmte Porträts von Königsfamilien. Diese sind ja deshalb berühmt, weil sich der Künstler auch bei königlichen Aufträgen an den Grundsatz hielt, die «Natur abzubilden» – selbst dann, wenn der König, seine Gemahlin oder seine Kinder sackhässlich sind. Goya mochte nichts schöner machen als es ist. Dafür wurde er gehasst und geliebt.
Francisco de Goya (1746-1828). Selbstbildnis
vor der Staffelei, 1790-95. Ausschnitt.
Museo de la Real Academia de Bellas Artes
de San Fernando, Madrid.
Goyas Qualitäten als Porträtmaler kann man an dieser Ausstellung aber dennoch erleben, wie zum Beispiel beim Porträt von Manuel Godoy, mehreren Selfies oder beim 1810 entstandenen Abbild der hübschen Marquesa de Montehermoso mit dem klingenden Namen Maria Amalia de Aquirre y Acedo.
Francisco de Goya (1746-1828).
Maria Amalia de Aquirre y Acedo,
Marquesa de Montehermoso, 1810.
Privatsammlung.
Die Ausstellung zeigt rund siebzig Gemälde und eine grosse Anzahl von Zeichnungen und Grafiken (so genannte >Caprichos). Sie wurde in Zusammenarbeit mit dem Museo Nacional del Prado, Madrid, organisiert und von Isabela Mora und Sam Keller entwickelt.
Titelbild (Ausschnitt)
Francisco de Goya (1746-1828).
Corrida de toros en un pueblo, 1810-16.
Museo de Bellas Artes de San Fernando, Madrid.
Francisco de Goya (1746-1828). Las floreras oder La Primavera, 1786. Galeria Caylus, Madrid.
El cacharrero (Töpferwaren-verkäufer), 1778-79. Museo del Prado, Madrid.
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Fröhliche Motive aus dem Alltag
In seinen Frühwerken herrscht noch Lebensfreude – wie auf diesem farbenfrohen Gemälde, das den Frühling verkörpert. In dieser Phase malt der Künstler gerne Szenen aus dem spanischen Alltag, bildet «normale» Menschen ab, noch keine Königsfamilien.
1778: El cacharrero
In diesem dynamischen Gemälde geht es vor allem um den Töpferwarenverkäufer (el cacharrero) – die im Hintergrund vorbeifahrende königliche (oder aristrokatische) Kutsche kommt da nur «zufällig» vor. Der Verkäufer hat seine Töpfe am Boden ausgebreitet, zwei junge Frau scheinen sich für seine Produkte zu interessieren, während eine betagte Dame unbeteiligt da sitzt.
Das Gemälde ist ein Entwurf für einen Teppich, bestimmt für ein Schlafgemach im nördlich von Madrid gelegenen Palast des Prinzen von Asturien, dem späteren König Carlos IV und seiner Gemahlin Maria Luisa. |
Francisco de Goya (1746-1828). Das Wunder des hl. Antonius von Padua, 1798. Sammlung Colomer, Madrid.
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Sakrale Werke
Biblische Szenen sind in Goyas Repertoire eher selten. «Das Wunder des heiligen Antonius von Padua» ist eine Ölskizze für das Kuppelfresko der Kirche San Antonio de la Florida in Madrid. Es zeigt den heiligen Antonius von Padua, der gerade dabei ist, einen Mann zum Leben zu erwecken. An den nicht fertig gemalten Figuren lässt sich erkennen, dass es sich um eine Skizze handelt. Im richtigen Fresko in der Kirche kehrt der Künstler den Aufbau um: Dort platziert er die schwebenden Engel unten im Kirchenraum, und das Wunder passiert oben.
>mehr über den hl. Antonius von Padua
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Francisco de Goya (1746-1828). Vuelo de brujas (Hexenflug), 1797-98. Museo del Prado Madrid.
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Gegen den Aberglauben
«Vuelo de brujas» (Hexenflug) heisst dieses kleinformatige Werk aus den Jahren 1797-98. Es gehört zu einer Serie von sechs Gemälden, die die Hexerei zum Thema haben. Hier entführen gerade drei Hexen – sie tragen den kegelförmigen Schandhut, die «Ketzermita» – einen nackten Mann. Unten zwei Bauern, die versuchen, den Hexen zu entkommen.
Mit diesem und ähnlichen Gemälden übt der Künstler Kritik an dem zu jener Zeit noch weit verbreiteten Aberglauben, dass Hexen tatsächlich existieren und unschuldige Menschen ins Verderben stürzen.
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Francisco de Goya (1746-1828). Maria del Pilar Teresa Cayetana de Silva y Alvarez de Toledo, XIII duquesa de Alba, 1795. Museo del Prado Madrid.
Francisco de Goya (1746-1828). Die bekleidete Maja, 1800-05. Museo del Prado Madrid.
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Ist sie das Modell für die «nackte Maja»?
Das Gemälde zeigt die Herzogin von Alba, von der viele glauben, sie sei dem Künstler bei einem seiner berühmtesten Werke, der «nackten Maja», Modell gestanden.
Maria del Pilar galt als «Erste Dame Spaniens» – natürlich nach der Königin. Dieses Portrait soll im Madrider Atelier des Künstlers entstanden sein. Es zeigt sie allerdings am herzöglichen Sommersitz am Atlantik in Sanlucar. Bei näherer Betrachtung entdeckt man links unten im Sand die für sie angebrachte Widmung: «Der Herzogin von Alba Fr(ancisco) de Goya, 1795».
Das Bild der «nackten Maja» ist in der Ausstellung nicht zu sehen – dieses leiht der Prado wohl nicht aus, denn es ist das Starbild des Museums. Dafür hat man Beyeler die «bekleidete Maja» zur Verfügung gestellt. Auch das ist schon eine grosse Ehre und ein Erfolg für Riehen, schliesslich hängen im Normalfall die Nackte und die Bekleidete schön vereint im Museo del Prado...
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Francisco de Goya (1746-1828). Tampoco, 1810-1814. Radierung aus «Desastres de la Guerra», 1863. Galerie Kornfeld Bern.
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Umfangreiche Sammlung von Caprichos
In mehreren Sälen zeigt die Ausstellung Goyas Druckgrafiken, die «Caprichos». Die ersten stammen aus den 1790er-Jahren und sind im wesentlichen als Gesellslchaftskritik gedacht.
Eine weitere Serie kommt 1810 dazu und nennt sich «Los desastres de la Guerra». In 82 Blättern beschreibt Goya die Schrecken und die Gräuel des Krieges, ausgelöst durch die französische Besetzung Spaniens ab 1808. Als Drucke erschienen die «Desastres» allerdings erst Jahrzehnte nach dem Tod des Künstlers: 1863.
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Francisco de Goya (1746-1828). Prozession der Flagellanten, 1810-16. Detail. Bellas Artes de San Fernando, Madrid. |
Kritik an den Glaubensfanatikern
Das Bild zeigt eine Karfreitagsprozession von so genannten «Flagellanten», von Büssern, die sich selbst geisseln. Zum Zeichen ihrer Bruderschaft tragen sie den Spitzhut. Zwar ist die Selbstgeisselung in Spanien seit 1777 verboten, aber sie hat noch immer ihre Anhänger.
Goya, der sich gegen jede Art von Aberglauben stellt, kritisiert auch diesen Brauch als hysterisches Massenereignis.
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Francisco de Goya (1746-1828). Escena de Inquisicion, 1810-16. Bellas Artes de San Fernando, Madrid. |
Kritik an Kirche und Monarchie
Kaum sind die Franzosen 1814 aus dem Land vertrieben, kommt König Fernando VII wieder an die Macht und errichtet zusammen mit dem Klerus eine neue Schreckensherrschaft. Zudem führt er die «heilige Inquisition» wieder ein, eine furchtbare Foltereinrichtung zur Verfolgung von «Ketzern».
Auch Goya selbst bekommt es mit der Inquisition zu tun. Man wirft ihm vor, eine nackte Frau gemalt zu haben – seine berühmte «nackte Maja», die 1797 entstanden ist. 1815 – unter König Fernando VII – bedrängt man ihn nun mit der Frage, wer der Auftraggeber des «obszönen Bildes» sei. Zu einer Verurteilung des Künstlers kommt es zwar nicht, aber der Prozess kostet Goya den Titel als königlichen Hofmaler >mehr
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Ausstellung «Goya» 2021
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