Ernst Barlach (1870-1938)


Bekannt und berühmt ist der deutsche Bildhauer für seine expressionistischen Plastiken aus Holz und Bronze – aber er war auch Schriftsteller und verfasste Romane, Dramen und Schauspiele.

 

 

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Ernst Barlach, Selbstportrait 1928.

Foto: wege-zu-barlach.de

 

 

Ernst Heinrich Barlach kommt 1870 in Wedel (Schleswig-Holstein) zur Welt, als erster Sohn eines Arztes. Mit 18 beginnt er seine Ausbildung zum Zeichenlehrer an der Gewerbeschule in Hamburg, dann wechselt er in die Bildhauerklasse von Theodor Richard Thiele und macht dort Anatomie-, Akt- und Gewandstudien. 1891 geht er an die Königliche Akademie der bildenden Künste nach Dresden, wo er sich besonders für die Skulpturensammlung des >Albertinums interessiert. Als Abschlussarbeit präsentiert er 1894 die Plastik «Krautpflückerin».

 

Es folgt ein einjähriger Studienaufenthalt in Paris. Barlach bezieht ein Atelier neben dem Symbolisten Alphonse Osbert. Barlach studiert an der Académie Julian und setzt sich mit dem Jugendstil auseinander. Erste Prosatexte und der Roman «Reise des Humors und des Beobachtungsgeistes» entstehen.

 

Nach seiner Rückkehr arbeitet er 1897 mit dem Hamburger Bildhauer Carl Garbers (1864-1943) am Bürgermeistersaal des Hamburger Rathauses.

 

1901 zieht er nach Hamburg und fertigt mit Garbers eine monumentale Neptun-Gruppe für das Verwaltungsgebäude der Hamburg-Amerika-Linie.
1904 übernimmt er ein Lehramt für Zeichnen, Malen und Modellieren an der Königlichen Keramischen Fachschule. Zwischen 1901 und 1904 unternimmt er auch erste literarische Versuche im Bereich der Dramatik.

 

1905 übersiedelt er nach Berlin. Es geht ihm nicht gut. Er hat künstlerische Zweifel und Depressionen, die ihm – nach seinen Worten – das Leben zur «täglichen Hölle» werden lassen.


1906 reist er in die Ukraine und schreibt sein «Russisches Tagebuch». Die Begegnung mit russischen Bauern und Bettlern gibt ihm wichtige Impulse für sein künstlerisches Schaffen. Schon ein Jahr später werden in der Berliner Secession «Blinder Bettler» und «Russische Bettlerin» ausgestellt. Barlach wird Mitglied der Berliner Secession.

 

Finanziell geht es 1908 aufwärts, als er mit dem bekannten Galeristen und Verleger Paul Cassirer einen Vertrag abschliessen kann und von diesem ein fixes Jahresgehalt erhält. Durch ihn kann er sich auch einen Studienaufenthalt in Florenz leisten. Später reist er mit Cassirer und dessen Ehefrau – der Schauspielerin Tilla Durieux – nach Holland, wo sich die drei mit Rembrandt & Co befassen. 1908 entstehen Barlachs erste Holzskulpturen. 1909 wird Jury-Mitglied der >Berliner Secession.

 

Den Ersten Weltkrieg 1914-1918 übersteht er schadlos und ohne Fronteinsatz. Er erhält zwar eine Soldatenausbildung, doch seine Malerkollegen Max Slevogt und >Max Liebermann reichen beim Kriegsministerium eine Petition ein und erreichen so seine Freistellung.

 

Noch zu Kriegszeiten (1917) bekommt er im Salon von Paul Cassirer seine erste Einzelausstellung.

 

Gesundheitlich geht es ihm nicht gut. Er leidet an einer chronischen Herzkrankheit und an Depressionen. Er wendet sich mehr seinen literarischen Arbeiten zu und beendet sein fünftes Drama «Die Sindflut». Diese wird 1924 in Stuttgart uraufgeführt.

 

1926 begeht sein Galerist und Mäzen Paul Cassirer Selbstmord. Barlach beginnt eine Liebesbeziehung zu Marga Böhmer (1887-1969) – selbst eine Bildhauerin – und zieht zu ihr ins Haus in der Nähe von Güstrow. Sie wird nach seinem Tod die Verwalterin seines Nachlasses.

 

Zu seinem 60. Geburtstags (1930) bietet man ihm Ausstellungen in der Preussischen Akademie der Künste in Berlin, im Museum Folkwang Essen, in der Kunsthalle zu Kiel und in der Galerie Flechtheim. Mit dem Galeristen Alfred Flechtheim schliesst er einen Vertrag über den Nachguss früherer Werke ab.

 

Unter dem Druck der Nazis, die 1933 an die Macht kommen, verfügt der Kirchgemeinderat die Entfernung des Magdeburger Ehrenmals aus dem Dom.

 

1937 kommt es noch schlimmer. Nun werden rund 400 Werke Barlachs aus deutschen Museen entfernt. Der Künstler wird zum Austritt aus der Preussischen Akademie gezwungen und die Nazis erteilen ihm ein Ausstellungsverbot.

 

1938 verschlechtert sich sein Gesundsheitzustand. Nach dem Aufenthalt in einer Privatklinik verstirbt Ernst Barlach am 24. Oktober 1938 in Rostock an einem Herzinfarkt. Er wird 68 Jahre alt und seinem Wunsch entsprechend in Ratzeburg beigesetzt.

 

 

 


 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Ernst Barlach (1870-1938).

Der Flüchtling, 1920. Kunsthaus Zürich.

 

 

 

 

 

 

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Ernst Barlach (1870-1938). Die Krautpflückerin, 1894. Foto ab Postkarte Barlach Museumsshop.

 

 

1894: Abschlussarbeit für die Akademie

 

1891 beginnt Barlach sein Studium an der Kunstakademie in Dresden und wird Meisterschüler beim Bildhauer Robert Diez. Als Abschlussarbeit präsentiert er seine erste Skulptur, die 59 cm hohe «Krautpflückerin».

 

Ab 1897 arbeitet er zunächst als freischaffender Künstler, abwechselnd in Hamburg und Berlin. 1898 beteiligt er sich erstmals an der Grossen Berliner Kunstausstellung. Dort zeigt er auch seine Krautpflückerin.

 

 

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Ernst Barlach (1870-1938). Russische Bettlerin mit Schale, 1907. Albertinum Dresden.

 

 

1907: Eindrücke aus Russland

 

Ein Jahr zuvor geht Barlach auf eine Russlandreise in die (heutige) Ukraine. Die dort gewonnen Eindrücke der einfachen Bevölkerung fliessen in sein Werk ein. Er fertigt eine ganze Serie davon. Die Skulptur aus Steinkeramik «Russische Bettlerin mit Schale» ist die herausragende Arbeit dieser Werkgruppe, obwohl sie nur 30 cm klein ist. An der Ausstellung der Berliner Secession 1907 findet die Bettlerin grosse Anerkennung.


 

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Ernst Barlach (1870-1938). Der Berserker, 1910. Ernst Barlach Haus, Hamburg.

 

1910: Der Berserker

 

Erst Barlach wird im Jahr 1910 in den Vorstand der >Berliner Secession gewählt. An deren 21. Ausstellung ist er mit acht Skulpturen vertreten. Eine davon ist der «Berserker». Sie ist aus solidem Nussbaum gefertigt und soll einen Moment im Klassenkampf zwischen den verarmten Bauern und dem russischen Zaren darstellen. Dieser Kampf gipfelt 1917 in der Russischen Revolution, in welcher die zaristische Herrschaft zu Ende gehen wird und die Sowjetunion entsteht.

 

 

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Ernst Barlach (1870-1938). Der Flüchtling, 1920. Kunsthaus Zürich.

 

>Details

 

 

1920: Der Flüchtling

 

Zeitlebens engagiert sich Barlach mit seiner Kunst für Soziales. Mit dem «Flüchtling» von 1920 greift er ein Thema auf, das seiner Zeit voraus ist. Die ganz grossen Flüchtlingsströme werden den weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts bestimmen, vor allem während und nach dem Zweiten Weltkrieg.

 

Die dynamische Plastik aus Lindenholz ist eine Mischung aus Naturalismus und Expressionismus und zeigt symbolhaft einen panikartig fliehenden Menschen, eingehüllt in einen einfachen Umhang und mit einem Päckchen in der Hand – seiner ganzen verbliebenen Habe.

 

 

>mehr über das Werk «Der Flüchtling»

 

 

 

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Ernst Barlach (1870-1938). Schwebender Engel, 1927-53. Güstrower Dom. Foto Jens Burkhardt-Plückhahn, WikiCommons.

 

 

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Ernst Barlach (1870-1938). Schwebender Engel, 1927-53. Dom Güstrow. Foto Bundesarchiv Koblenz.

 

 

 

 

1927: Der schwebende Engel von Güstrow

 

Schon 1922 fertigt Barlach für die Kieler Nikolaikirche sein erstes Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges: Die Holztafel «Schmerzensmutter».

 

Sein bedeutendstes Mahnmal an den Krieg ist die Grossplastik für den Dom von Güstrow «Der schwebende Engel», die 1927 entsteht. Es heisst, Barlach habe im Schwebenden die Gesichtszüge seiner Künstlerkollegin Käthe Kollwitz (1867-1945) verarbeitet. Zu Kollwitz hat er einen besonderen Draht – die beiden verehren sich gegenseitig.

 

1937 wird die Original-Bronze von den Nazis als «entartete Kunst» aus dem Dom entfernt und 1941 im Rahmen der «Metallspende des deutschen Volkes» eingeschmolzen.

 

Damit ist das Werk aber nicht zerstört, denn Barlach-Freunde lassen 1939 einen Zweitguss anfertigen, den sie bis zum Kriegsende versteckt halten. 1952 wird dieser in Köln in der Antoniterkirche wieder aufgehängt – und gleichzeitig in seiner Bedeutung aufgewertet. Eine Steinplatte unter dem Engel trägt jetzt die Jahreszahlen der Nazi-Herrschaft (1933-1945) und wird so vom Kriegs- zum Friedensmal.

 

Der Zweitguss dient dann als Vorlage für eine neue Gussform. Aus dieser entsteht die Skulptur, die 1953 erneut im Dom von Güstrow platziert wird.

 

Die Gussform gelangt danach in den Besitz des Nachlasses des Künstlers. 1987 wird davon ein weiterer Bronzeguss angefertigt, der heute im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte auf Schloss Gottorf in Schleswig zu sehen ist.

 

 

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Ernst Barlach (1870-1938). Magdeburger Ehrenmal, 1929. Magdeburger Dom. Foto Chris73, WikiCommons.

 

 

1929: Magdeburger Ehrenmal

 

Barlach nennt sein Werk Denkmal des Krieges und hält es für sein «verantwortungsreichstes plastisches Werk». Den Auftrag dafür hat er vom Preussischen Staat bekommen. Es wird 1929 im Magdeburger Dom aufgestellt – aber die Plastik wird von Anfang an von der Kirchgemeinde angefeindet.

 

Als dann 1933 die Nazis an die Macht kommen und gegen den Künstler eine Rufmordkampagne starten, entfernt man das Mahnmal wieder. Es kommt in die Berliner Nationalgalerie und wird 1937 von den Nazionalsozialisten beschlagnahmt – im Rahmen der «Aktion» >entartete Kunst.

 

Das gleiche Schicksal erleiden die Werke «Geistkämpfer» in Kiel und «Der Schwebende» im Dom von Güstrow, ebenso das Relief «Trauernde Mutter mit Kind» in Hamburg.

 

 

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Ernst Barlach (1870-1938). Der Durstige, 1933 (Holz, Gips), 1936 Guss Bronze. Kunstmuseum Basel.

 

1933: Der Durstige

 

1933 ist das Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Als der inzwischen 63-jährige Künstler an dieser Plastik arbeitet, kann er nicht ahnen, was in wenigen Jahren auf ihn – und auf viele Künstler der modernen Kunst – zukommen wird. Sicher wird er sich auch nicht vorstellen können, dass man seine Werke dereinst als «entartet» diffamieren, aus Kirchen und Museen entfernen und einschmelzen wird.

 

Der Entwurf des «Durstigen» wird 1933 fertig, der entsprechende Bronzeguss erfolgt 1934. Ins Kunstmuseum Basel gelangt das Werk als Neuzugang 2010 – dank einer Schenkung der Gattin von Kampe Teelmann zu dessen Andenken.

 

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Fotos / Diashow

 

 

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