Louise Bourgeois (1911-2010)


Ihr berühmtestes Werk steht heute vor dem Museum >Guggenheim in Bilbao: Es ist eine Monsterspinne von fast zehn Metern Höhe, die in ihrem Körper Eier aus Marmor trägt. Bourgeois erschafft «Maman» 1999 aus Stahl für die Tate Modern in London. Als Bronzeabgüsse geht ihr Monumentalwerk auf eine weltweite Reise – von Paris bis New York und von Mexiko bis Tokio. Zu ihrem 100. Geburtstag, den die Künstlerin knapp nicht mehr erlebt, reist «Maman» 2011 auch in die Schweiz, nach Zürich, Bern, Riehen und Genf.

 

Woher kommt Louise's Affinität zu Spinnen?
Es heisst, die vielen Spinnen in ihrem künstlerischen Werk symbolisierten ihre Mutter. Die – genauso wie Spinnen – auch als Weberin tätig war.

 

 

Louise Bourgeois. Foto Wikipedia.

 

 

Louise Joséphine Bourgeois kommt am Weihnachtstag 1911 in Paris zur Welt, wo ihre Familie eine Galerie für historische Textilien und Teppiche führt. In der dazu gehörenden Werkstatt werden alte Stoffe restauriert. Die junge Louise ist dabei künstlerisch involviert und fertigt Zeichnungen an, die es für die Ergänzung fehlender Textilteile braucht.

 

Zu ihrem Vater hat sie ein gespanntes Verhältnis, weil dieser die Mutter mit dem englischen Kindermädchen betrügt. Von diesem lernt Louise immerhin Englisch. Sie wendet sich aber mehr und mehr von ihrem Vater ab – und ihrer Mutter zu. Diese wird ihre beste Freundin. Als die Mutter im Sterben liegt, kümmert sich Louise um sie. Aber Mutters Tod 1932 belastet sie so stark, dass sie einen Suizid-Versuch unternimmt.

 

Dann beginnt sie ein Mathematikstudium an der Pariser Sorbonne, doch wechselt sie schon bald zu Kunst und Kunstgeschichte. Sie besucht die Académie de la Grande Chaumière, die École du Louvre sowie das Atelier von >Fernand Léger. Dieser soll sie ermutigt haben, als Bildhauerin zu arbeiten. Die Grundkenntnisse dafür holt sie sich an der >École des Beaux-arts in Paris.

 

Ihre traumatischen Erfahrungen mit Vater und Mutter beeinflussen sowohl ihr Leben als auch ihr Werk. Sie führen zu ungewöhnlichen Installationen wie «Destruction of the Father» (Zerstörung des Vaters) oder «The Retincent Child» (das verschlossene Kind). Generell wird Kunst für Louise immer mehr zu einer Art Aufarbeitung ihrer Kindheit. Sie bezeichnet deshalb Kunst auch als «Segen und Erleichterung».

 

1938 – da ist sie 27-jährig – zieht sie mit ihrem Mann Robert Goldwater nach New York, der dort einen Lehrauftrag als Kunsthistoriker annimmt. 1940 kommt ihr Sohn Jean-Louis zur Welt, 1941 folgt Alain. In New York City lebt und arbeitet Louise Bourgeois bis zu ihrem Tod im Jahr 2010 – sie wird fast 99 Jahre alt.

 

In den 1940er Jahren arbeitet die Künstlerin noch mit Farbe und Papier. Schon jetzt spielt die Spinne eine bedeutende Rolle. Fünfzig Jahre später wird Bourgeois ihre gigantischen Spinnenfiguren aus Stahl und Bronze fertigen, ihre «Mamans».

 

 

Bronzeabguss der «Maman» vor dem
Guggenheim-Museum Bilbao.

 

 

Louise Bourgeois befasst sich im Laufe ihres langen künstlerischen Lebens mit zahlreichen Materialien und Techniken. Auf einigen Gebieten nimmt sie sogar eine Pionierrolle ein: So ist sie eine der ersten Künstlerinnen, die mit Installationen arbeitet.

 

Berühmt sind ihre Skulpturen in «Käfigen».

«Cells» nennt sie diese. Sie bestehen teilweise aus Drahtgitter, in denen Installationen aufgebaut werden. Bis zu ihrem Ableben 2010 fertigt sie rund sechzig solcher «Cells».

 

Ihren Durchbruch als anerkannte Künstlerin schafft Louise Bourgeois allerdings sehr spät. Erst 1982 bietet ihr das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) eine Retrospektive – da ist ist schon 71. Dann ziehen weitere US-amerikanische Museen nach, und ab 1989 finden ihre Werke auch in Europa Anklang. Ihr Meisterstück gelingt ihr 1999, als sie für die Londoner Tate Modern ihre Monumentalspinne «Maman» erschafft.

 

Louise Bourgeois stirbt am 31. Mai 2010 im New Yorker Stadtteil Chelsea im Alter von 98 Jahren.

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Die gigantische, zehn Meter hohe Bronzeskulptur «Maman», die vor dem Guggenheim-Museum in
Bilbao steht.

 

 

 

 

 

 

Louise Bourgeois (1911-2010). Woman-House, 1947. Wiki FairUse.

 

 

Frühwerke auf Leinwand und Papier

 

Mit ihren berühmten Skulpturen beginnt Bourgeois erst in den späten 1940er-Jahren. Bis dahin beschäftigt sie sich mit Gemälden und Drucken. Auffallend oft kommt in diesen das Thema «Woman-House» vor, eine Verschmelzung von Frauenkörpern mit Gebäuden in verschiedensten Variationen.

 

Von 1945 bis 1955 fertigt sie vornehmlich Skulpturen in Holz, die sie «Personnages» nennt.

 

1949 bekommt sie eine Einzelausstellung in der Peridot Gallery in New York, die diese Personnages zeigt. Es sind abstrakte Werke mit eigenwilligen Rundungen und Spalten.

 

Nach Aussage der Künstlerin sollen diese Werke als Vehikel dienen, um ihre Erinnerungen an Menschen aus ihrer Kindheit in Frankreich am Leben zu halten.

 

 

Louise Bourgeois (1911-2010). Harmless Woman, 1969. Foto
Wiki FairUse.

 

1960er-Jahre: Bronze und Marmor


Nach ihrer ersten Einzelausstellung in New York im Jahr 1949 weitet Bourgeois ihre Kunst in neue Richtungen aus. In den 1950er Jahren tauchen häufig Spiralen in ihren Skulpturen auf. Für die Künstlerin wird die «verdrehte Form» ein zentrales Motiv in vielen ihrer späteren Skulpturen. Sie sieht darin gleichzeitig «Kontrolle und Freiheit».

 

In den 1960er-Jahren beginnt Bourgeois, für ihre Skulpturen Gips, Bronze und Marmor zu verwenden. Die meisten der nun entstehenden Werke basieren auf der menschlichen Anatomie. Sie reichen von Körperfragmenten über Gliedmassen bis hin zu einzeln dargestellten Brüsten und Penissen.

 

 

 

Louise Bourgeois (1911-2010). Cell (Eyes and Mirros), 1993. Wiki FairUse

 

 

 

 

1980er-Jahre: Bourgeois' Käfig-Kunst

 

Nach der erfolgreichen Retrospektive, die ihr 1982 das Museum of Modern Art (MoMA) New York bietet, bespielt Bourgeois ein neues Thema: den Käfig. Ab 1989 arbeitet sie an einer ganzen Serie von Werken, die sie «Cells» (Zellen) nennt.

 

Es handelt sich um eine Art Käfige, in denen mehrere dreidimensionale Elemente zu einer Installation zusammengefügt werden: Skulpturen, Möbel, Teppiche und Alltagsgegenstände bis hin zu Kleidungsstücken. Mit diesen Cells versucht die Künstlerin, Isolationszustände spürbar zu machen.

 

 

 

Louise Bourgeois (1911-2010). Maman, 1999. Guggenheim Museum Bilbao.

 

 

Louise Bourgeois (1911-2010). Marmor-Eier.

 

 

Louise Bourgeois (1911-2010). Maman, 2011 Bürkliplatz Zürich. Foto WikiCommons.

 

1999: «Maman», ihr Meisterstück

 

Schon 1947 zeichnet und malt Bourgeois Spinnen, zu denen die Künstlerin eine besondere Beziehung hat. Das soll auf ihre Mutter zurück gehen, von der sie sagt: «Sie war überlegt, klug, geduldig, beruhigend, vernünftig, zierlich, subtil, unverzichtbar, ordentlich und so nützlich wie eine Spinne...».

 

Nun, in ihren späten Jahren – sie ist jetzt über 80 – macht sie sich an ihr berühmtestes Werk: Die Monumentalskulptur einer Spinne aus Stahl, fast zehn Meter hoch. «Maman» nennt sie sie.


Die «Maman» schafft sie für das grosse Eröffnungsfest der Londoner Tate Modern im Jahr 2000 und sorgt damit für eine Sensation. Die Besucher können unter der achtbeinigen und fast zehn Meter hohen Kreatur zirkulieren und ehrfurchtsvoll nach oben blicken – zu ihrem Körper und dem Beutel, in dem das Spinnenmonster ihre Eier trägt – aus Marmor.

 

Eigentlich besteht das Werk aus Stahl. Das Original im Besitz der Tate Modern. Von diesem werden acht Bronzeabgüsse erstellt. Der Bekannteste davon steht vor dem Guggenheim-Museum in Bilbao, weitere Abgüsse befinden sich in Ottawa, St. Petersburg, Tokio, Seoul, Iowa, Kansas und in Doha (Katar).

 

Zum 100. Geburtstag der Künstlerin – den sie knapp nicht mehr erlebt, sie wird «nur» 98 – reist 2011 «Maman» auch in die Schweiz und wird dort in Zürich (Bürkliplatz), Bern (Bundesplatz), in Genf und in der Fondation Beyeler, Riehen-Basel, gezeigt.

 

 

 

Louise Bourgeois (1911-2010). Just hanging, 2010. Foto Wiki FairUse.

 

Louise Bourgeois (1911-2010). Sexy Mothers (It doesn't end), 2010. Foto Wiki FairUse.

 

 

Sexbetontes Spätwerk

 

In ihrem letzten Jahrzehnt, ab 2000, fallen Werke auf, die mit Geburt, Schwangerschaft, Verkrüppelung und Sex zu tun haben. Dazu gehören rote Stoffpuppen mit extrem ausladenden weiblichen Rundungen, mit Darstellungen von Gruppensex («Seven in Bed, 2001») und kopulierenden Paaren.

 

Aus ihrem letzten Lebensjahr – 2010 – stammen mehrere Aquarell-Arbeiten, die sich ganz dem Sex widmen. Mit Titeln wie «A million ways to cum» oder «Sexy Mothers». Ziemlich bemerkenswert für eine Frau, die da 98 Jahre alt ist.

 

Hat sie jetzt im hohen Alter das Gefühl, in Sachen Liebe zu kurz gekommen zu sein? Eine reine Vermutung – die Antwort kennt nur die Künstlerin selbst. Aber wenn man sich ihre allerletzten Werke wie «I wanted to love you more» oder «It doesn't end» zu Gemüte führt, könnte man durchaus zu diesem Schluss kommen.

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Werke chronologisch geordnet