Ausstellung im Kunstmuseum Bern
«Johannes Itten – Kunst als Leben»
vom 30.8.19 - 2.2.2020.
Der Berner Oberländer hat sich vor allem als Kunsttheoretiker und Begründer der Farbtypenlehre einen Namen gemacht. Er war lehrender Meister am Bauhaus in Weimar und zählt zur den >Zürcher Konkreten.
Itten kam 1888 in einem kleinen Dorf bei Thun als Sohn eines Lehrers zur Welt. Mit 16 besuchte er das Lehrerseminar in Bern und war kurz als Lehrer tätig. 1909 schrieb er sich an der Ecole des Beaux-Arts in Genf ein, war aber vom dortigen akademischen Lehrbetrieb wenig begeistert und kehrte nach Bern zurück, wo er sich zum Sekundarlehrer ausbilden liess.
1913 zog er nach Stuttgart. Hier zündete der Funke, als er die Farbenkontrastlehre des Adolf Hölzels kennen lernte. Mit dieser experimentierte er und entwickelte sie weiter. Während des Ersten Weltkriegs übersiedelte er nach Wien und gründete dort seine eigene Kunstschule.
In Wien lernte er 1919 >Walter Gropius kennen, der ihn ans Staatliche Bauhaus nach Weimar holte. Dort wurde Itten «Formmeister» mehrerer Werkstätten und machte sich mit der Schaffung seiner esoterisch verklärten «Vorkurse» einen (umstrittenen) Namen. Und handelte sich Ärger mit Chef Gropius ein, weil dieser nicht duldete, dass Itten seine Schüler religiös beeinflusste. >Mazda hiess sein Gott.
Johannes Itten, 1921. Als Jünger
der Mazdaznan-Religion.
Foto Paula Stockmar.
Zu Ittens kunsttheoretischen Hauptwerken zählt die Publikation «Kunst der Farbe», die 1961 erschien. Die darin ausgearbeitete Theorie «Sieben Farbkontraste» fand weltweit Beachtung und wird auch heute noch an diversen Kunsthandwerk- und Kunsthochschulen gelehrt.
Als Künstler konnte Itten internationale Erfolge feiern, besonders an seiner Einzelausstellung in New York 1948 und bei den beiden Retrospektiven im Stedelijk Museum Amsterdam 1957 sowie im Kunsthaus Zürich 1964.
Ausstellung Kunstmuseum Bern
vom 30.8.2019 bis 2.2.2020.
Johannes Itten starb am 25. März 1967 in Zürich
im Alter von 79 Jahren.
Seit 1992 besteht eine Johannes-Itten-Stiftung, die von Anneliese Itten gegründet wurde, der Witwe des Künstlers. Präsidentin der Stiftung ist eine Tochter Ittens: Marion Lichardus-Itten, geboren 1941, von Beruf Prähistorikerin.
Das Stiftungsgut ist im Kunstmuseum Bern deponiert und umfasst mehr als hundert Werke des Künstlers und vor allem auch seine Tagebücher und Arbeiten seiner Schüler aus dem Unterricht. Viele dieser Tagebücher sind an der Ausstellung zu sehen.
Titelbild (Ausschnitt)
Johannes Itten (1888-1967).
Kinderbild, 1921-22. Kunsthaus Zürich.
Porträt einer Frau vor Blau, 1912. KM Bern. |
1909-1912: Ecole des Beaux-Arts Genève
Sein Kunststudium beginnt er an der Genfer Hochschule für Kunst. Konventionell, akademisch. Offenbar begeistert ihn das nicht besonders. Er kehrt nach Bern zurück und studiert dort Sekundarlehrer. Für das Wintersemester 1912/13 ist er erneut in Genf. Diesmal besucht er einen Kurs, der geometrische Formelemente und Farbkontraste zum Inhalt hat. Dieser trifft den Nerv des inzwischen 25-jährigen. |
Mann in blauem Kittel, 1914.
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1913-1916: Hölzel-Schüler in Stuttgart
Itten trifft die Entscheidung «Ich will Maler werden» und macht sich zu Fuss (!) auf nach Stuttgart. Weil er nicht sofort in die Akademie aufgenommen wird, lässt er sich von einer Schülerin Hölzels – Ida Kerkovius – Privatstunden geben. Es entstehen kubistisch angehauchte Werke.
Dann kommt er mit Adolf Hölzels Lehre in Kontakt, die sich mit geometrisch-abstrakten Formen befasst. Auf Hölzels Anregung hin beginnt Itten seine künstlerischen und kunsttheoretischen Überlegungen in einem Tagebuch systematisch aufzuzeichnen.
Es entstehen einige seiner geometrisch-abstrakten Schlüsselwerke wie «Horizontal-Vertikal» (1915), «Begegnung» (1915) und «Tiefenstufen» (1915). In diesen Werken erprobt Itten die Prinzipien des Zusammenwirkens von Form und Farbe.
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Akt mit Blau, 1918. KM Bern.
Seite aus dem Tagebuch.
Komposition in Blau, 1918. KM Bern.
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1916-1919: Wien – eigene Kunstschule
In Wien knüpft er rasch Kontakte mit der einheimischen Avantgarde – es sind Maler wie Carl Moll, Architekten wie Adolf Loos, Schriftsteller wie Franz Werfel, Pädagogen wie Rudolf Steiner. Vor allem seine freundschaftliche Beziehung zum Komponisten Josef Matthias Hauer eröffnet ihm neue Horizonte: Er findet zu einer auf Farbharmonien beruhenden «Begründung der Abstraktion».
Auch hier – wie schon in Stuttgart – hält er seine kunsttheoretischen Entdeckungen akribisch in Tagebüchern fest. Diese dienen ihm dann als Grundlage für seine eigene Kunstschule, die er zunächst in seiner Wohnung einrichtet, um einzelne Schüler zu unterrichten. Der Andrang ist gross. In einem geräumigen Lokal erteilt er nun Klassenunterricht in Rhyhmus und Harmonik, Ausdrucksform, Polaritäten- und Farbenlehre.
Seine Tagebücher sind erhalten geblieben und belegen auch, wie sich Itten in seiner Wiener Zeit mit esoterischen und theosophischen Schriften befasst. Er beginnt hier, sich in die >Mazdaznan-Lehre zu vertiefen. Das ist eine Mischreligion aus >zarathustrischen, christlichen und hinduistisch-tantrischen Elementen.
Für seinen beruflichen Werdegang ist vor allem die Begegnung mit >Alma Mahler-Gropius von grosser Bedeutung. Über sie lernt er >Walter Gropius kennen, der ihm einen Lehrerposten im 1919 gegründeten Bauhaus in Weimar anbietet.
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Kinderbild, 1921-1922. Kunsthaus Zürich.
Mensch im Farbkreis, 1919. KM Bern.
Die Farbenkugel-tafel, 1919. KM Bern. |
1919-1923: Meister am Bauhaus Weimar
Anfangs 1919 holt Walter Gropius Itten als einen der ersten Meister an das Staatliche Bauhaus in Weimar. Itten bezieht sein Atelier im so genannten Tempelherrenhaus, einem neugotischen Gebäude im Weimarer Park. Hier entstehen bedeutende Hauptwerke wie sein Turm des Feuers/Lichts (1920) und das berühmte Kinderbild (1921-22), aber auch kunsttheoretische Aufzeichnungen. In Skizzen stellt er seine Vorstellung von der farbigen Aura des Menschen dar («Mensch im Farbkreis», 1919) und analysiert die Form «magischer Quadrate».
Ittens eigenwillige «Vorkurse»
Itten schlägt Gropius vor, die Schüler ein Semester lang einen Vorkurs absolvieren zu lassen, in denen «schöpferische Kräfte freigemacht» werden, indem man die Schüler nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch formt. «Es galt, den Menschen in seiner Ganzheit als schöpferisches Wesen aufzubauen, ein Programm, das ich auch im Meisterrat immer wieder vertreten habe», schreibt Itten.
>Walter Gropius ist mit Ittens Vorstellungen nicht ganz einverstanden. Es stört ihn vor allem, dass Itten bei der Unterrichtung der Bauhäusler seine weltanschaulichen, esoterischen und religiösen Ideen einfliessen lässt.
Im März 1923 trennen sich ihre Wege. Itten zieht in die Schweiz – nach Herrliberg an den Zürichsee.
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Otoman Zar- |
1923-1925: Itten in der Mazdaznan-Tempelgemeinschaft
In Herrliberg lässt sich Itten in der Internationalen Mazdaznan-Tempelgemeinschaft nieder. Er vertieft sich in dieser Religion.
Mit einer ehemaligen Bauhausstudentin gründet er in Herrliberg die Ontos-Werkstätten für Handweberei und Smyrnateppichknüpferei.
Ittens Zeichnung zeigt Otoman Zar-Adusht Ha’nish, den (persischen?) Begründer der Mazdaznan-Religion.
>mehr über die Mazdaznan-Religion
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Perlmutt- |
1925-1934: Ittens Kunstschule in Berlin
Auch in Berlin hält Itten Mazdaznan-Vorträge, aber mehr Gewicht legt er nun auf seine neue Schule.
Die entwickelt sich zum Konkurrenzunternehmen des >Bauhauses, das inzwischen in Dessau tätig ist. Zumal auch bei Itten jetzt Architekten, Designer und Fotografen ausgebildet werden.
Aber auch Ittens Privatschule überlebt die Machtergreifung der Nazis nicht: sie wird im April 1934 geschlossen.
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Vögel am Meer, 1935. KM Bern.
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1934-1967: Krefeld, Amsterdam, Zürich
In Krefeld übernimmt er die Leitung der Fachschule für Textilkunst. Die textile Ornamentik hinterlässt Spuren bei seiner Malerei: sie wird abstrakter. Beispiel «Vögel am Meer», 1935.
Die Münchner Ausstellung >Entartete Kunst von 1937 zeigt auch Bilder von Itten. 1938 erhält er die Kündigung in Krefeld. Er reist zunächst nach Amsterdam und dann in die Schweiz. In Zürich wird er 1938 Leiter der Kunstgewerbeschule. Ab 1949 ist er mit dem Aufbau des Museums Rietberg beschäftigt, das 1952 eröffnet wird.
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Fotos / Diashow
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