Ausstellung «Füssli. Mode - Fetisch - Fantasie»
Kunsthaus Zürich vom 24.2. bis 21.5.2023

 

Füssli ganz schön erotisch


Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich präsentiert rund sechzig Zeichnungen, die Füsslis «Frauenbild» zum Thema haben. Dieses hebt sich vom damaligen Mainstream bemerkenswert ab: Füssli sieht Frauen nicht als Anhängsel des Mannes, vielmehr als selbstbewusste und verführerische Personen, die Männer dominieren können.

 

Die Werke stammen aus mehreren internationalen Museen, vor allem aus britischen. Die Ausstellung wird in Zusammenarbeit mit dem Somerset House der >Courtauld Gallery London ausgerichtet, wo die Ausstellung zuerst zu sehen war.

 

Hintergrund: Im Somerset House London war Füssli ab 1799 als Professor für Malerei tätig.

 

 

Ausstellungsplakat.

 

 

Johann Heinrich Füssli (1741-1825) ist mit 22 Pfarrer in Zürich. Von hier muss er aber flüchten – er hat ein Pamphlet mitverfasst, das einem Landvogt Korruption vorwirft. So kommt er nach London, wo er eine grosse Karriere als Zeichner und Maler hinlegt. In London nennt man ihn Henry Fuseli – oder auch «the wild Swiss».

 

Den Ruf als «wild Swiss» handelt sich Henry Fuseli
mit berühmten Werken wie «Nightmare» ein, die zwischen Mythologie, Fantasie und Träumen (oder besser: Albträumen) pendeln. Skandalträchtig waren sie aber vor allem wegen ihrer erotischen Ausstrahlung.

 

 

Johann Heinrich Füssli (1741-1825).
Nightmare, 1781. Detroit Institute of Arts.

 

 

Johann Heinrich Füssli (1741-1825). Die
Sünde vom Tode verfolgt. 1794-96.
Kunsthaus Zürich.

 

 

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Johann Heinrich Füssli (1741-1825).
Frau mit langen Zöpfen, eine in einem
Brunnen gefangene Person neckend,
1817-1822. Staatliche Kunstsammlung

Dresden.

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Johann Heinrich Füssli (1741-1825). Allegorie der Eitelkeit, 1811. Auckland Art Gallery.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johann Heinrich Füssli (1741-1825). Sophia mit Hut, schlafend, 1795. Auckland Art Gallery.

 

mit Lockenfrisur, 1796. Ausschnitt. Kunsthaus Zürich.

 

mit grossen Haarwickeln, 1790. Kunsthaus Zürich.

 

 

Sophia Rowlins – Modell, Muse, Ehefrau

 

Als Füssli die bildschöne Sophia Rowlins 1788 in London kennenlernt, ist sie 25, er selbst bereits 47. Sie wird zunächst sein Modell, dann seine vergötterte Muse und schliesslich seine Ehefrau. Auch als Gattin stellt er sie als Verführerin dar.

 

Aus seinen Zeichnungen lässt sich unschwer des Künstlers Frauenbild ablesen: Er sieht das weibliche Geschlecht keineswegs als untergeordnet, sondern ganz im Gegenteil als dominant, bestimmend und dem Mann überlegen.

 

Im Gegensatz zu Malergrössen wie >Boucher oder >Fragonard, die ihre erotische Ader in Aktbildern verpacken, die die Frauen als «leichte Beute» und Objekte für Männerfantasien zeigen, bildet Füssli seine weiblichen Figuren selbstbestimmt, stolz und unabhängig ab – sogar Prostituierte (die er ehrfürchtig «Kurtisanen» nennt).

 

Eine grosse Rolle scheint für Füssli auch die Mode gespielt zu haben. Das kommt in seinen Zeichnungen zum Ausdruck: Aufwändige Frisuren, turmhohe Lockengebilde und üppiger Kopfschmuck dominieren seine Arbeiten, aber auch enge Taillenbänder, Mieder, Rüschen und Schlaufen. All diese Attribute tragen zur Steigerung der Eleganz und der Attraktivität seiner abgebildeten Frauen bei.

 

Der Untertitel der Ausstellung «Mode – Fetisch – Fantasie» ist nicht grundlos gesetzt: Füssli-Forscher gehen davon aus, dass dieser Modekick als Fetisch des Künstlers verstanden werden kann.

 

 

Johann Heinrich Füssli (1741-1825). Narr an der Angel einer Metze, 1757-59. Kunsthaus Zürich.

 

Mann als Fisch an der Angel

 

Eindeutiger lässt sich Füsslis Vorstellung von der Frauendominanz über die Männer wohl nicht darstellen. Die Federzeichnung ist ein Frühwerk des Künstlers (1757-59) – als er diese Zeichnung anfertigt, ist er noch ein Teenager.

 

Er nennt sein Werk Narr an der Angel einer Metze. Metze steht hier für Dirne. Diese hat mir ihrer Angelrute einen Mann gefangen. Jetzt liegt er ihr zu Füssen, als Opfer, wie ein Fisch an Land. Bei genauer Betrachtung erkennt man die «teuflische Frau» – hat sie nicht zwei Hörnchen auf dem Kopf?

 

 

Johann Heinrich Füssli (1741-1825). Erotische Zeichnung, drei Frauen und ein Mann, 1809-10. Victoria and Albert Museum London.

 

 

 

Deftige Erotikszene mit drei Frauen

 

Auch in dieser Zeichnung sieht der Künstler die drei Frauen als Dominante, den Mann dagegen in der passiven Rolle. Das dürfte der damaligen Sittenwelt und dem Männerverständis kaum entsprochen haben.

 

Die beiden Frauen links bedienen sich aktiv der dargebotenen «Männlichkeit», während der Kopf des Mannes im Schoss der Frau rechts versinkt. Auch hier fällt auf, wie Füssli die Attraktivität der «Damen» durch aufwändige Kunstfristuren aufmotzt.

 

 

Johann Heinrich Füssli (1741-1825). Kallipyga, 1790-1792. Privatsammlung Schweiz.

 

Schöner Hintern und Phalli am Schminktisch

 

Der Titel Kallipyga (griechisch «schöner Hintern») nimmt Bezug auf klassische Statuen der Aphrodite. Die Frau – auch hier wieder mit aufwändigem Kopfschmuck – präsentiert ihn ganz prominent. Ob die Zeichnung damals öffentlich gezeigt wurde, ist nicht bekannt. Sie hätte vermutlich zu Protesten geführt.

 

Phallische Formen tauchen in Füsslis erotischen Zeichnungen häufig auf. In dieser hier treten sie als Stützen des Frisiertischs in Erscheinung, aber auch als Elemente des dekorativen Musters auf dem Boden, das sie abwechselnd mit einem an weibliche Geschlechtsteile erinnernden Motiv zeigt.

 

 

Johann Heinrich Füssli (1741-1825). Kurtisane mit Federbusch, 1800-1810. Kunsthaus Zürich.

 

Johann Heinrich Füssli (1741-1825). La Débutante, 1807. Tate London.

 

 

Füsslis attraktive Kurtisanen

 

Füssli zeigt seine Kurtisanen – wie man damals in gehobenen Kreisen Prostituierte bezeichnete – als verlockende, verführerische Personen, deren Schönheit mit aufwändigen Frisuren und modischen Accessoires aufgemotzt wurde. Er zeigt sie niemals unterwürfig, sondern selbstbewusst und selbstbestimmt.

 

 

Anfängerin oder Aschenputtel?

 

Für diese Zeichnung stehen zwei Interpretationen zur Auswahl. Die erste: Drei erfahrene Frauen eines Bordells sind mit der Einführung einer Anfängerin, einer Débutante, beschäftigt, die sie «überwachen» und anleiten.

 

Die «harmlose Variante» ist eine Interpretation des Märchens von Aschenbrödel. In diesem Fall wäre Aschenbrödel das junge, an die Wand gefesselte Mädchen, das unter den wachsamen Augen der bösen Stiefmutter und ihrer zwei Töchter gezwungen wird zu arbeiten.

 

Auch in dieser Zeichnung fällt wieder der üppige und fantasievolle Kopfschmuck auf. Was wohl eher für die erste Version spricht.


 

Johann Heinrich Füssli (1741-1825). Dame vor Laokoon, 1800-05. Recto. Kunsthaus Zürich.

 

Die Dame vor Laokoon

 

Füssli zeigt die Begegnung einer Kurtisane mit dem nackten Muskelprotz Laokoon, der sich vor Schmerzen krümmt. In der Kunst wird Laokoon oft als ästhetische Verkörperung des Schmerzes dargestellt.

 

Wer ist Laokoon? Ein trojanischer Priester, der die List Odysseus' durchschaut (die Geschichte vom trojanischen Holzpferd). Um zu beweisen, dass das Pferd hohl ist, schiesst er einen Speer auf das Holzpferd. Das gefällt der Göttin Athene aber nicht. Sie schickt Schlangen, die Laokoon und seine zwei Söhne töten...

 

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Fotos Ausstellung Füssli 2023

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