Jean-Honoré Fragonard (1732-1806)


Er zählt zu den «drei Grossen» des französischen >Rokoko – neben >Boucher und >Watteau. Seine Spezialität sind frivole Werke, wie sie in der Zeit vor der Revolution beliebt und gesucht waren. Er malt zwar – inspiriert von den Niederländern – auch Landschaften, biblische und mythologische Bilder, aber berühmt wird er mit seinen erotischen und «galanten» Werken.

 

 

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Jean-Honoré Fragonard,

Selbstporträt um 1800.

Musée du Louvre Paris.

 

 

Er kommt 1732 als Jean-Honoré Nicolas Fragonard in Grasse zur Welt – in den Hügeln nördlich von Cannes. Sein Vater ist ein Handschuhmacher. Als Jean-Honoré sechs ist, zieht die Familie nach Paris. Dort wächst er als Einzelkind auf, und in Paris verbringt er auch den grössten Teil seines Lebens. Seine künstlerische Begabung wird rasch entdeckt. Mit 14 wird er Lehrling bei >François Boucher (1703-1770). Bei diesem lernt er zunächst, grosse Meister zu kopieren.

 

Sein biblisch-historisches Werk «Jéroboam sacrifiant aux idoles» von 1752 bringt ihm den prestigeträchtigen «Prix de Rome» ein und alles spricht dafür, dass er eine Karriere als Historienmaler einschlagen würde. Fragonard geht denn auch 1756 an die «Académie de France» nach Rom. Dort lebt er bis 1761 und kommt mit der Barockmalerei von >Tiepolo in Kontakt, sieht darin aber keine Zukunft. Dafür lernt er seinen künftigen Mäzen und Sponsor kennen: Jean-Claude Richard de Saint-Non. Dieser ist selbst auch Maler und wird später Werke Fragonards als Drucke verlegen.

In Paris eröffnet Fragonard seine Werkstatt im Louvre – wo er auch lebt und die Apollo-Galerie ausmalt. 1765 schafft er es mit dem Historiengemälde «Coresus und Callirhoé», am Salon de Paris aufgenommen zu werden. Seine Freude, mit diesem historischen Bild Erfolg zu haben, hält sich aber in Grenzen. Lieber würde er erotische Bilder malen, zumal diese zur Zeit gesucht sind. Also nimmt er sich mehr und mehr diesem Genre an. 1767 stellt er nochmals im Salon aus, verzichtet dann aber auf weitere Aktivitäten, die seine akademische Karriere fördern könnten.

 

1769 heiratet er Marie-Anne Gérard (1745-1823), eine Miniaturmalerin, ebenfalls aus Grasse. Im selben Jahr wird ihre erste Tochter Rosalie geboren.

 

1773 bietet ihm Graf Bergeret de Grandcourt an, ihm als Führer für eine Italienreise und nach Mitteleuropa zu Diensten zu sein (Wien, Prag, Dresden, Frankfurt). Die ausgedehnte Reise bringt ihm weitere Impulse für sein Schaffen.

 

Allerdings bereitet ihm dann die aufkommende französische Revolution von 1789 grosse Probleme. Sowohl die privaten Sammler wie auch seine Gönner tauchen ab – oder werden hingerichtet. 1790 verlässt er deshalb Paris und kommt bei seinem Cousin in seiner Heimatstadt Grasse unter.

 

Im gleichen Jahr – 1790 – gründet der Starmaler >Jacques-Louis David die «Commune des Arts», die rund 300 freie Künstler zusammenbringt. David setzt sich auch für die Abschaffung der Akademie ein, was 1793 geschieht. Im gleichen Jahr wird Fragonard Mitglied der «Commune des Arts» und dann später von der Nationalversammlung mit Unterstützung von David zu einem der Kuratoren des Louvre ernannt.

 

Fragonards Künstlerleben ist aber durch die Revolution stark beeinträchtigt: Das Verschwinden der Aristokratie und seiner Gönner ist ein schwerer Schlag für ihn und führt dazu, dass er sein Vermögen verliert und nun in Armut leben muss.

 

1805 werden die Pariser Künstler durch ein Dekret Napoleons aus dem Louvre verbannt – auch Fragonard. Er ist niedergeschlagen, wird depressiv und

stirbt am 22. August 1806 an einer Gehirnblutung. Er wird 74 Jahre alt und auf dem alten Friedhof von Montmartre beigesetzt.

 

Seine Werke geraten zunächst in Vergessenheit und erhalten erst ein halbes Jahrhundert später als Perlen des Spät-Rokoko ihre Bedeutung zurück.

 

 

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Titelbild (Ausschnitt)

Jean-Honoré Fragonard (1732-1806).
Psyche showing her Sisters her Gifts
from Cupid, 1753. National Gallery London.

 

 

 

 

 

 

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Jean-Honoré Fragonard (1732-1806). Jéroboam sacrifiant aux idoles, 1752. Beaux-Arts de Paris (Université).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1752: Start mit Historienmalerei

 

Diese Kunst erlernt der junge Fragonard bei seinem Lehrmeister >François Boucher (1703-1770).

 

Mit dem Bild Jeroboam opfert seinen Idolen landet er seinen ersten grossen Erfolg: Er gewinnt damit den «Prix de Rome». Das ermöglicht ihm, an die «Académie de France» in Rom zu gehen und dort zu studieren.

 

Was steckt hinter der Geschichte, die aus
dem Alten Testament stammt? Jeroboam ist der erste König des nördlichen Israel. Er fürchtet, dass das Volk ihre Opfer nach wie vor in Jerusalem darbringen will. Deshalb lässt er zwei goldene Kälber anfertigen und in Bethel und Dan aufstellen, wo das Volk sie verehren und Opfer darbringen soll. Das ist die Sünde Jeroboams. Allen nachfolgenden Königen des Nordreichs Israel wird vorgeworfen, an ihr festgehalten zu haben. Sie habe schliesslich zur Zerstörung Israels geführt.

 

 

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Jean-Honoré Fragonard (1732-1806). Coresus opfert sich, um Callirhoe zu retten, 1765. Musée du Louvre Paris.

 

1765: Noch eine Opfergeschichte

 

Hier geht es um den Hohepriester Coresus, der dem Altar ein Opfer bringen soll – das Mädchen namens Callirhoe. Dumm nur, dass er in diese Frau verliebt ist. Er kann sie nicht töten, also bringt er sich selbst um, opfert sich an ihrer Stelle.

 

Mit diesem Gemälde schafft es Fragonard in den >Salon de Paris von 1765. Es kommt so gut an, dass es ihm auch noch die Mitgliedschaft in der Académie Royale bringt. Und es kommt noch besser: König Louis XV kauft das Bild.

 

Bei so viel Erfolg müsste man annehmen, dass der Künstler sich weiter mit historischen und biblischen Themen befassen würde – aber das tut er nicht. Er möchte lieber Erotisches, Galantes und Frivoles malen. Dafür gibt es zur Zeit eine hohe Nachfrage von wohlhabenden Privatkunden. Allerdings existiert auch noch eine andere Begründung für den Richtungswechsel: Der königliche Hof soll sehr schlecht oder gar nicht bezahlt haben.

 

 

 

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Jean-Honoré Fragonard (1732-1806). Junge Frau, mit Hund spielend, 1765-72. Fondation Cailleux, Paris.

 

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Jean-Honoré Fragonard (1732-1806). Die Schaukel, 1767-68. Wallace Collection London.

 

Erotisches, Galantes, Frivoles

 

Der französische Königshof unter Louis XV lehnt Fragonards Werke zwar als «zu freizügig» ab – aber bei wohlhabenden Privatkunden sind sie beliebt und gefragt.

 

Wer das Gemälde «Junge Frau, mit Hund spielend» in Auftrag gegeben hat, ist unbekannt.

 

Die Schaukel ist das berühmteste Werk Fragonards. Auftraggeber soll ein Baron St-Julien gewesen sein, der sich als Verehrer (vorne links) outet und soar abbilden lässt. Die Dame in ihrem prächtigen Kleid ist das Hauptmotiv. Sie sitzt auf einer Schaukel und schwingt vergnügt. Im Übermut verliert sie sogar einen Schuh.

 

Ihr Verehrer hat sich unter ihr platziert und scheint sich über den sich ihm bietenden Anblick zu erfreuen – er guckt unter ihren Rock. Der ältere Mann – es soll der Gatte der Dame sein – rechts aussen im Bild «assistiert» ihn, indem er der Lady zu noch mehr Schwung verhilft – und dem jungen Galan zu noch mehr Einblicken.

 

Eine frivole Spielerei, die zur Ikone des Rokoko dieser Phase geworden ist.

 

 

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Jean-Honoré Fragonard (1732-1806). L'Armoire, 1778. Metropolitan Museum of Art, New York.

 

Der Liebhaber im Schrank

 

Fragonards beliebteste und bekannteste Radierung. Im «Journal de Paris» 1778 angekündigt, wird sie zum Renner. Die im Stil einer Karikatur gehaltene Zeichnung zeigt ein wütendes Elternpaar, das auf den Lover ihrer Tochter los geht. Der hat sich offensichtlich im Schrank versteckt und verlässt diesen nun zerknirscht – die heikle Stelle mit seinem Hut verdeckend. Neben dem Schrank die untröstlich weinende Geliebte, im Hintergrund ein zerwühltes Bett und Bedienstete, die das Geschehen verängstigt verfolgen.

 

 

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Jean-Honoré Fragonard (1732-1806). Le verrou, 1778. Musée du Louvre Paris.

 

 

Lovestory oder Vergewaltigung?

 

Es existieren zahllose Versuche, diese dramatische Liebesszene zu interpretieren – aber es gibt keine definitiv gültige Erklärung. Das Gemälde zeigt einen in Unterwäsche bekleideten Mann, der eine Frau bedrängt und gleichzeitig versucht, die Türe zu verriegeln. Wehrt sich die Frau? Oder versucht sie leidenschaftlich, ihn zurückzuhalten? Das bereits zerwühlte Bett im Hintergrund lässt eher auf einen Liebesakt denn auf eine Vergewaltigung schliessen. Sicher ist nur, dass Fragonard mit diesem Werk Furore macht.

 

 

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Jean-Honoré Fragonard (1732-1806). The Stolen Kiss, 1788. Eremitage St. Petersburg.

 

Der gestohlene Kuss

 

Das Gemälde entsteht kurz vor der französischen Revolution von 1789 und lässt noch einmal diese von Erotik und Voyeurismus geprägte Epoche aufblitzen – nach der Revolution ist dieses Thema weitgehend passé. Das Bild zeigt ein Liebespaar, das sich aus einer Gesellschaft herausgeschlichen hat, um sich in einem Nebenraum zu küssen. Vielleicht hat sich der junge Mann auch von aussen über die Balkontür eingeschlichen.

 

Käufer des Bildes ist der polnische König Stanisław Poniatowski. Später gelangt es in den Besitz des russischen Zars Alexander I; heute ist es im Museum >Eremitage St. Petersburg zu sehen.

 

 

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Jean-Honoré Fragonard (1732-1806). The Fountain of Love, 1785. The Wallace Collection London.

 

 

Der Liebesbrunnen

 

Mit solchen klassisch angehauchten Werken bringt sich der Künstler für die Zeit nach der Revolution in Stellung: Schon ein paar Jahre zuvor beginnt er mit einer Reihe von Gemälden, die die Allegorien der Liebe auf weniger frivole Weise abbilden, ohne aber ganz auf Erotik zu verzichten.

 

Das Bild zeigt den legendären Liebesbrunnen, dessen Wasser Herzen mit Liebe entflammen kann. Ein junges Paar stürmt auf den Brunnen zu, in dem sich bereits Putten tummeln. Einer davon reicht den Liebenden ein Gefäss mit dem wundersamen Getränk.

 

 

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