Milano: Das Castello Sforzesco


Wenn man vor den gewaltigen Mauern dieser Festung steht, kann man sich nur schwer vorstellen, dass sich dahinter jede Menge von Kunst versteckt. Aber das ursprüngliche Festungswerk beherbergt tatsächlich nicht weniger als vierzehn (!) Spezialmuseen.

 

 

Die Festungsmauer des Castello Sforzesco.

 

Mittelturm «Filarete», benannt nach dem
Architekten.

 

Innenhof des Kastells.

 

 


Die kunstaffinen Herzöge Mailands sammelten alles, was mit Geschichte und Luxus zu tun hat: Ägyptische Kunst, griechisch-römische Kunst, Statuen und Büsten, Sarkopharge, feinste Keramik- und Glasarbeiten, wertvolle Musikinstrumente, prächtige Möbel und Wandteppiche, Gemälde berühmter Künstler aus der Renaissance. Das ist heute alles in den eindrucksvollen herzöglichen Räumen und Spezialmuseen untergebracht und dem Publikum zugänglich.

 

Im Museo d'Arte Antica werden Skulpturen von der Antike bis zur Renaissance gezeigt, auch eine Sammlung ägyptischer Kunstschätze. Es befindet sich in der Corte Ducale, wo auch die Pinacoteca untergebracht ist, eine Galerie italienischer Gemälde vom 15. bis zum 18. Jahrhundert.

 

 

Michelangelos letztes Werk: Die Pietà

Rondanini aus dem Jahr 1564 im Museum
des Castello Sforzesco in Mailand.

 

 

Seit kurzem ist Michelangelos unvollendetes Werk in einem separaten Museum des Castellos zu sehen – mit eigenem Zugang an der Südwestseite des Ehrenhofes. Es heisst, dass der Künstler diese spezielle Kreuzabnahme – sowohl Maria als auch Jesus stehend – für sein eigenes Grab schaffen wollte. Das Werk gehört heute der Stadt Mailand.

 

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Die Regierungszeit der Familie Sforza war erstaunlich kurz. Sie dauerte nicht einmal ein Jahrhundert, von 1450 bis 1535. Nach ihrem Untergang waren die Spanier am Zug und ab 1706 herrschten hier die österreichischen Habsburger, bis dann 1796 Napoleon in Italien einmarschierte.

 

Unter Napoleons Herrschaft (1796-1814) wurde das Kastell teilweise neu aufgebaut und durch einen grossen Park erweitert – typisch Napoleon. Da durfte natürlich auch sein Triumphbogen nicht fehlen. Der Bau begann 1807, die Fertigstellung 1838 hat der Kaiser nicht mehr erlebt, er starb 1821 auf St. Helena.

 

 

Napoleons Triumphbogen (1807-1838),

heute «Arco della Pace».

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Titelbild

Das Castello Sforzesco aus der Luft.

Foto Google Earth.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geschichtlicher Überblick

 

Francesco I Sforza
(1401-1466), Herzog von Mailand ab 1450

 

Galeazzo Maria Sforza (1444-1476) Herzog von Mailand ab 1466

 

Ludovico «il moro» (1452-1508)

 

 

 

 

 

Napoleons Triumphbogen, heute «Arco della Pace» im Castello-Park.

 

Francesco I Sforza, Herzog von Milano

 

Nach ihm ist das Castello benannt. Als 1424 sein Vater Muzio Sforza starb, übernahm er dessen Soldaten und etablierte sich als geschickter und erfolgreicher Heerführer. Als kluger Taktiker wechselte er ständig die Seiten. Mal kämpfte er auf der Seite der Venezier, mal gegen sie. Mal unterstützte er den Papst, mal führte er Krieg gegen ihn. 1441 heiratete er die Tochter des Herzogs von Mailand, Filippo Visconti. Als dieser 1447 starb, war Sforza am Zug.

 

1450 zog er als Herzog von Mailand in die Stadt ein und wurde Herrscher über die Lombardei. Er liess die Festung «Porta Giovio» wieder aufbauen – die Vorläuferburg des heutigen Castello Sforzesco.

 

Einer seiner Söhne, Galeazzo Sforza, wurde 1466 sein Nachfolger als Herzog von Mailand. Er liess das Castello grosszügig und aufwändig zur Residenz ausbauen. Berühmte Architekten wie Leonardo da Vinci, Filarete und Bramante wurden dafür beauftragt. Galeazzo Sforza war bekannt für seine Affinität zu Kunst und Musik, aber auch für seinen grausamen Charakter und seine Neigung zum Sadismus. Und für seine Wollüstigkeit. 1467 verteidigte er erfolgreich Mailand gegen venezianische Attacken. 1476 wurde er ermordet – von drei Adligen, in der Basilica di Santo Stefano Maggiore in Mailand.

 

Ludovico «il moro» (il moro nannte man ihn vermutlich wegen seiner dunklen Hautfarbe) übernahm 1494 den Titel des Herzogs von Mailand. Er war ein Gönner von Leonardo da Vinci und Auftraggeber für dessen «Cenacolo» >mehr

 

1499 wurde er vom französischen König Louis XII aus Mailand vertrieben und im Jahr 1500 als Gefangener nach Frankreich ins Château Loches deportiert, wo er 1508 in Gefangenschaft starb. >mehr Mit Ludovicos Sohn Francesco II endete die Herrschaft der Sforza in Mailand 1535.

 

1535 folgte eine spanische Herrschaft; 1706 kamen die österreichischen Habsburger an die Macht. Dann war es 1796 Napoleon, der das Castello weiter ausbauen und dahinter einen grossen Park anlegen liess – samt Triumphbogen. Begonnen wurde dieser noch 1807, also in der Zeit, in der Napoleon Sieg an Sieg reihte und halb Europa besetzt hielt. Das Denkmal konnte aber erst 1838 fertig gestellt werden, lange nach Napoleon, weshalb man es umbenannte in Arco della Pace.

 

Zehn Jahre später stand das Castello erneut im Blickpunkt: Diesmal, als 1848 im Zuge des Risorgimento (die Bildung von Italiens Einheit) das Volk die Anlage stürmte, um die österreichischen Habsburger zu verjagen. Die Einheit Italiens wurde 1870 erreicht, unter König Viktor Emanuel II.

 

 

 

Künstlerische Highlights in den Castello-Museen

 

Monumento sepolcrale di Bernabò Visconti, 1363. Castello Sforzesco Milano.

 

Deckengemälde in der Cappella Ducale.

 

 

 

Deckenfresko mit Sternen.

 

Geschichte der Griselda.

 

 

Vierzehn Museen im Castello Sforzesco

 

Im Castello sind nicht weniger als vierzehn (!) Museen untergebracht. Ein prähistorisches, ein ägyptisches, ein antikes, eines für angewandte Kunst, für Rüstungen, Musikinstrumente, Münzen, Möbel, Keramik, Glas und so weiter – was immer die kunstaffinen Herzöge so alles gesammelt haben. Dazu eine Bibliothek mit alten Büchern und eine beachtliche Gemäldesammlung, die Pinakothek.

 

Im Museum für antike Kunst ist die Marmorstatue mit Ross und Reiter des Bildhauers Bonino da Campione (1350-1390) ausgestellt. Diese wurde im Auftrag von Bernabò Visconti erstellt, dem Herrn über Bergamo, Brescia und Mailand. Sie befand sich ursprünglich in der Kirche San Giovanni in Conca in Mailand. Der künstlerisch fein ausgestaltete Sarkophag kam zwanzig Jahre später dazu.

 

In der Cappella Ducale gibt es die prächtigsten Deckengemälde mit Engelscharen zu bewundern; im Museum für dekorative Künste die schönsten Wandteppiche mit historischen Darstellungen aus dem Leben der Herzöge.

 

In der Camera Picta gibt es einen Bilderzyklus über die Geschichte der Griselda aus dem 14. Jahrhundert. Griselda ist eine fiktive Figur, erfunden vom italienischen Dichter Giovanni Boccaccio, (1313-1375), beschrieben in seiner Novellensammlung «Decamerone». Griselda ist die hübsche Tochter eines armen Bauern, die von einem Fürsten geheiratet wird. Der Fürst will wissen, ob ihm seine Frau bedingungslos ergeben ist. Um das heraus zu finden, demütigt er sie, lässt ihr das Kind wegnehmen, droht ihr mit Scheidung und so fort. Und sie lässt alles über sich ergeben – die perfekte Frau...

 

>mehr über die Geschichte von Griselda

 

 

   

Highlights aus der Gemäldesammlng (Pinacoteca)

 

Canaletto (1697-1768). Il Molo verso la riva degli Schiavoni con la colonna di San Marco, 1742. Pinacoteca Castello Sforzesco Milano.

 

Canaletto: Gemälde wie Fotografien

 

Die Fotografie gab es damals noch nicht, aber Bilder, die wie Fotografien aussehen schon. Der Venezier Giovanni Antonio Canal malte seine Heimatstadt so realistisch, dass man ihm den Namen Canaletto verpasste. Seine Werke wirken vor allem deshalb so perfekt, weil die Perspektive immer stimmt. Um das zu erreichen, verwendete er eine so genannte >Camera obscura um die Motive zu zeichnen und sie hinterher im Atelier zu Gemälden zu verarbeiten. Die Pinacoteca im Castello zeigt zwei grossformatige Werke des berühmten Vedutenmalers.

 

>mehr über Canaletto

 

 

Filippo Lippi (1406-1469). Madonna col Bambino, Santi e Angeli, 1429-32. Detail.

 

 

Giovanni Bellini (1432-1516). Madonna con il Bambino, 1460-65.
Detail.

 

 

Die aussergewöhnlichen Jesuskinder

 

Auch in der Pinacoteca des Castello Sforzesco wimmelt es von biblischen Werken und von Madonnenbildern «col Bambino», genau so wie in der berühmten >Brera Milano.

 

Hier in der Pinacoteca des Castello fallen zwei Werke besonders auf. Nicht wegen der hübschen Marien, sondern weil die Jesuskinder so speziell abgebildet sind – sie lassen einen schmunzeln.

 

Eines stammt von Filippo Lippi aus dem Jahr 1429 und zeigt den kleinen Jesus mit extrem rundem «Mutschlikopf». Und mit einem Heiligenschein, den das Jesuskind wie eine Mütze trägt.

 

Noch eindrücklicher malt Giovanni Bellini 1460 sein Jesuskind. Eigentlich hat das Bild eine symbolische Bedeutung. Der Kleine hält die «Frucht der menschlichen Sünde» in der Hand, was die Vorahnung auf seine Passionsgeschichte symbolisieren soll. Aber der Kleine ist mit seinem goldenen «Spielzeug» so unzufrieden, dass er ein richtig saures Gesicht macht – und dabei seine Mutter wegstösst.

 

Giovanni Bellini ist berühmt für seine Madonnen, die Emotionen zeigen. Diesmal lässt er auch die Gefühle des kleinen Jesus rüberkommen.

 

>mehr über Giovanni Bellini

 

 

Montalto (Giovanni Stefano Doneda, 1612-1690). Erodiade presenta la testa del Battista a Erode, 1635.

 

Die angewiderte Herodias

 

Noch ein Gemälde, das aus der Norm fällt. Es zeigt Herodias, die ihrem Gatten Herodes Antipas den abgeschlagenen Kopf von Johannes präsentiert. Herodias zeigt sich völlig angewidert von dieser Handlung – dabei war sie es doch, die ihre Tochter Salome dazu aufgefordert hatte, den Kopf von Johannes dem Täufer zu fordern...

 

Aussergewöhnlich ist aber auch, dass der Kopf durch Herodias selbst präsentiert wird. Alle anderen Künstler zeigen sonst ihre Tochter Salome mit dem noch blutenden Kopf auf dem Tablett.

 

>mehr über Herodias und Herodes

 

 

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Fotos / Diashow