21. Mai bis 10. September 2023

 

«Common Ground» –

die 8. Biennale im Weiertal


Einst, in Urzeiten, gehörte der Planet Erde allen: Allen Tieren, allen Menschen. Das war im wahrsten Sinne des Wortes «Common Ground». Heute sind die wichtigsten Gründe mit den wertvollsten Bodenschätzen im Besitz einiger grosser und global vernetzten Firmen. Das führt zu ökologischen und sozialen Ungerechtigkeiten. Die von Sabine Rusterholz Petko kuratierte Biennale 2023 versucht sich mit dieser Problematik auseinander zu setzen.

 

 

Plakat 8. Biennale Weiertal 2023.

 

 

Wieviel Land braucht ein Mensch, um sich selbst zu versorgen? Wie sieht ein harmonischer Umgang mit der Natur aus? Wie kann der Mensch Tieren Raum wieder zurück geben, den man ihnen entzogen hat? Wie kann ein Raum möglichst gemeinschaftlich genutzt werden? und so weiter. Zwölf Künstlerinnen und neun Künstler liefern – nein, natürlich keine Lösungen für die Rettung dieses Planeten, aber immerhin künstlerische Denkanstösse zu brennenden Fragen der heutigen Zeit.

 

 

Maja von Meiss, die Gastgeberin im

Kulturort Weiertal. Organisatorin
und Gesamtleiterin der Biennalen
Weiertal seit 2009.

 

 

 

 

>Website Kulturort Weiertal

 

 

 


>2024 Hortus Conclusus – Garten der Sinne

 

>2023 Biennale Weiertal 8 Common Ground

 

>2022 Ausstellung «Von Wegen»

 

>2021 Biennale Weiertal 7 «Vorüber_gehend»

 

>2019 Biennale Weiertal 6 «Paradise Lost»

 

 

 

 

Titelbild:
The Songs of Resistance, 2023. Von Ishita
Chakraborty (1989).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Reto Pulfer (1981). Nesselschlange (Regenwurm), 2022.
 

 

Die Aufwertung des Unkrauts

 

Der 1981 in Bern geborene Künstler ist auch Autor, Musiker, Performer und – Gärtner. Im Weiertal legt er eine ovale Fläche aus künstlichem Kies an. Darin lässt er ein Beet schlängeln, in dem Brennesseln und Goldruten wachsen dürfen – also Pflanzen, die als Unkraut gelten oder einen schlechten Ruf haben, weil sie als unerwünschte «invasive Neophyten» eingestuft werden – dabei sind sie keineswegs wertlos, sondern nützlich. Zum Beispiel für Insekten und dank ihrer heilenden Wirkung auch für Menschen.

 

Pulfers Nesselschlange (Regenwurm) spielt auch in seinem Roman «Gina» eine Rolle, einem ökologischen Science-Fiction-Werk um fantastische Mischwesen zwischen Mensch, Pflanze und Tier in einer post-apokalyptischen Welt.

 

 

Dunja Herzog (1976). HUM, 2022-23. Bast, Kuhdung, Lehm, Roggenstroh.

 

Bienen schützen – nicht ausbeuten

 

Dunja Herzog ist Baslerin. Dort arbeitet sie auch – und in Pretoria, Südafrika. Ihr Werk besteht aus Bienenkörben, deren Machart aus dem Mittelalter stammt. Aus gebundenem Stroh. In diesen finden Bienenvölker ihre Nisthöhlen – für die «Inneneinrichtung» sind die Tiere selbst zuständig. Die heutigen Imker stellen den Bienen vor allem Kisten aus Holz zur Verfügung. Mit dem Ziel, möglichst viel Honig zu gewinnen. Dabei wäre es viel wichtiger, den Bienen artgerechte Behausungen zu bieten. Damit sie ihre Hauptaufgabe erfüllen können: Das Bestäuben von Pflanzen. Und nicht Honig zu produzieren, der ihnen von den Menschen gestohlen wird.

 

 

Ishita Chakraborty (1989) vor ihrem Werk The Songs of Resistance, 2023. (Titelbild). Farbige Saris und eine Soundinstallation aus Kochtöpfen.

 

 

 

Gegen das grenzenlose Wachstum

 

Die in Bengalen geborene Künstlerin lebt und arbeitet in der Schweiz und in Indien. Ihre Installation «The Songs of Resistance» hat einen Bezug zu Sundarban, wo solche farbigen Saris auch für Zäune dienen, um Beete vor Tieren zu schützen. Chakraborty verweist auf die Klimaveränderungen in ihrer Heimat: Der steigende Meeresspiegel zerstört Lebensgrundlagen,
viele Menschen sind gezwungen, auf Baustellen zu arbeiten. Ihre Soundinstallation «A vessel full of hope» lässt Wind und Meeresrauschen erklingen, aber auch eine gelesene Textpassage aus dem Buch «Ökofeminismus» von Maria Mies und Vandana Shiva. Dieses Buch weist darauf hin, dass grenzenloses Wachstum Gewalt zur Folge hat – gegen die Natur, gegen Frauen und generell gegen Menschen des globalen Südens.

 

 

Uriel Orlow (1973). Juchart 2049, 2023. Armierungs-eisen, Forst-markierungsband.

 

Wieviel Land braucht ein Mensch...?

 

...um sich selbst zu versorgen? Diese Frage greift der 1973 in Zürich geborene Künstler auf. Hintergrund: In den 1920er-Jahren herrschte im Weiertal eine Lebensmittelknappheit. Jede Familie erhielt eine Juchart Ackerland, um sich selbst zu versorgen. Eine Juchart entspricht etwa jener Fläche, die ein Gespann Ochsen an einem Tag pflügen kann. Uriel Orlow prognostiziert mit seiner Installation Juchart 2049 eine düstere nahe Zukunft, in der sich die Leute wieder selbst versorgen müssen. Dafür hat er eine Fläche  von 33 × 33 Metern  abgesteckt,  die einer Juchart entspricht.

 

 

Sarah Hablützel (1986) und Marko Mijatovic (1987). Shared Space, 2023.

 

Gemeinschaftliche Raumnutzung

 

Wie kann ein Raum möglichst gemeinschaftlich und vielfältig genutzt werden? Dieser Frage gehen die zwei Künstler:innen mit der Installation «Shared Space» nach. Als «Ort im Ort» konzipiert, wird er im Verlauf der Biennale 8 zum Experimentierfeld unterschiedlicher Nutzungen. Für Workshops, für Theateraufführungen. Die Architektur kann aber auch als Zufluchtsort gesehen werden oder zum Schutz vor Hitze dienen. Die Installation besteht aus einem Stecksystem, das einfach auf- und abgebaut werden kann und natürlich – unserer Zeit angepasst – aus rezyklierbaren Materialien.

 

 

Sam Falls (1984). Healing Pavillon, 2015.

 

Meditation in und mit der Natur

 

Sam Falls ist 1984 in San Diego geboren und arbeitet in New York. Die Natur ist für ihn Arbeits- und auch Zufluchtsort. Heilung und der harmonische Umgang mit der Natur stehen im Zentrum dieses esoterischen Kunstwerks «Healing Pavillon». Auf der Skulptur können sich in freier Natur zwei Personen gegenüber sitzen – für eine Konversation oder für Meditation und Ruhe. Die prächtigen Sitze und Träger sind mit Terrazzo und Edelsteinen ausgelegt. Terrazzo wird seit der Antike als Bodenbelag verwendet.

 

 

Brigham Baker (1989). Environs, 2023.

 

Jedem Garten sein kleines Ökosystem

 

Okay, ausgediente Pneus sind keine Augenweide für einen gepflegten Garten. Aber mit dieser Reifen-Installation will der 1989 in den USA geborene und in Zürich lebende Künstler aufzeigen, dass solche Stapel zu Schutz- und Lebensraum für unzählige Kleintiere werden können. Dabei stellt Baker den ökologischen Nutzen vor die Ästhetik. Und: Er will damit beweisen, dass eine Trennung zwischen menschengemachten und «natürlichen» Umgebungen wenig sinnvoll ist – weil sich die Natur überall durchsetzt.

 

 

Vanessa Billy (1978). Hellbender, 2023.

 

Gruselige post-apokalyptische Zukunft

 

Die Genferin, die in Zürich lebt und arbeitet, scheint kein besonders positives Bild von der Zukunft der Menschheit zu haben. Ihre schwimmende Skulptur beschwört ein post-apokalyptisches Szenario herauf: Das Skelett eines Salamanders, der vor über fünf Millionen Jahren am Bodensee lebte und jetzt seinen Weg aus dem Weiher von Weiertal sucht. Als Vorlage dienten Relikte aus dem Paläontologischen Museum der Universität Zürich. Hintergrund ihres posthumanen Gedankenspiels: Das Skelett wird nach dem Verschwinden der Menschen wieder zum Leben erweckt – zu einem Wesen mit eigenem Willen.

 

 

 

 

Alle 17 Werke, alle Künstler:innen

 

Die 8. Biennale Weiertal 2023 bietet eine grossartig aufgemachte >Website, auf der sämtliche ausgestellten Werke samt detaillierten Beschreibungen aufgerufen werden können.

 

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