Willem de Kooning (1904-1997)


Der niederländisch-amerikanische Maler ist eine zentrale Figur des abstrakten Expressionismus. Man zählt ihn neben >Jackson Pollock auch zu den Wegbereitern des

«Action Painting». Er gilt heute als eine der prägendsten Persönlichkeiten für die Entwicklung der künstlerischen Freiheit im 20. Jahrhundert.

 

 

Willem de Kooning um 1961.
Foto Smithsonian Institution.

 


Willem de Kooning kommt 1904 in Rotterdam zur Welt. Sein Vater ist Weinhändler und Getränkefabrikant – zur Kunst hat die Familie keinen Bezug. Als Willem zwei Jahre alt, lassen sich die Eltern scheiden. 1916 beginnt er eine Lehre als Dekorateur. In jener Zeit kommt er mit den neuartigen Malereien von >Piet Mondrian und der neu gegründeten >Künstlergruppe DeStijl in Kontakt. Er besucht Abendkurse in der Akademie für Bildende Künste in Rotterdam, die heute seinen Namen trägt, die
«Willem de Kooning Akademie».

 

In Brüssel und Antwerpen bildet er sich dann in den Akademien der Schönen Künste weiter aus, fühlt sich künstlerisch aber beengt. Spontan entscheidet er sich 1926, in die USA auszuwandern – aber nicht mit dem Ziel, ein grosser Künstler zu werden, er möchte einfach seinen Weg gehen «und gutes Geld verdienen», wie er selbst sagt.

 

In seiner ersten Station in den USA, in New Jersey, arbeitet er als Gelegenheitsanstreicher. 1927 zieht er nach New York weiter und betätigt sich dort als Grafiker und Fassadenmaler für Nachtclubs. Er kommt mit Galeristen und Künstlern in Kontakt und richtet sich mit dem Maler Arshile Gorky sein erstes Atelier ein.

 

1934 beschliesst er, sich aufs Malen zu konzentrieren
und seine bisherigen Jobs aufzugeben.

 

1937, da ist de Kooning 33jährig, lernt er seine künftige Ehefrau kennen: die vierzehn Jahre jüngere Kunststudentin Elaine. Bald zieht Elaine in sein New Yorker Studio, 1943 heiraten die beiden.

 

In den frühen 1940er-Jahren ist de Kooning an der Gründung der >New York School mit beteiligt. Das ist eine Künstlergruppe mit dem Ziel, die amerikanische Kunst von der europäischen zu emanzipieren. Die «erste Generation» besteht neben de Kooning aus Künstlern wie Arshile Gorky, >Jackson Pollock und >Mark Rothko. Die Künstler der Gruppe verschreiben sich mehrheitlich dem Malstil >Abstrakter Expressionismus.

 

Wichtig wird für de Kooning die Bekanntschaft zu Jackson Pollock. Die beiden Künstler inspirieren sich gegenseitig und werden schon bald zu «Protagonisten des Action Painting» gekürt. Dieser Ansicht ist jedenfalls 1950 der Direktor des MoMA, Alfred H. Barr.

 

1953 wird de Kooning noch berühmter: Seine Women-Serie wird zum Skandal – was für eine Künstlerkarriere nie schlecht ist.

 

Der Erfolg macht de Kooning aber auch zu schaffen – er mag den Rummel nicht, der um ihn entstanden ist. 1960 zieht sich nach Long Island zurück und erwirbt dort ein Landhaus, das er zu seinem Atelier umbaut.

 

Die 1970er-Jahre sind von seiner Alkoholkrankheit gezeichnet. Trotzdem – oder vielleicht deswegen –
schafft er wie im Rausch eine Vielzahl grossformatiger Abstraktionen, die sich durch explosive Farben und Formen auszeichnen.


Anfang der 1980er-Jahre erkrankt de Kooning an Alzheimer. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich drastisch. Zu seinem 80. Geburtstag zeigt das Whitney Museum of American Art 1984 eine grosse Retrospektive, die in der Folge auch in Berlin und Paris Station macht. Von US-Präsident Ronald Reagan erhält de Kooning für sein Lebenswerk die National Medal of Arts.

 

Obwohl de Kooning in den letzten Lebensjahren nicht mehr fähig ist, Familienmitglieder oder enge Freunde zu erkennen, hat er in den 1980er-Jahren bis zu seinem Tod 1997 noch eine produktive Schaffensphase, in der er mehr als dreihundert Ölbilder malt.

 

Willem de Kooning stirbt am 19. März 1997
mit 92 Jahren in seinem Atelier in Springs,
East Hampton auf Long Island.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eines der teuersten Werke der Welt

 

 

«Interchange», 1955. Dieses abstrakte

Werk von Willem de Kooning ist eines der

teuersten je gehandelten Gemälde der Welt.

Gekauft hat es 2015 der Hedgefondsmanager
und Milliardär Kenneth C. Griffin für sagenhafte
300 Millionen Dollar von der David Geffen
Foundation.

 

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Willem de Kooning (1904-1997).

Stowaway, 1986. Pinakothek der

Moderne, München.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Willem de Kooning (1904-1997). Seated Woman, 1940. Philadelphia Museum of Art.

 

Prägende Figur der «New York School»

 

Willem de Kooning gilt als eines der wichtigsten Mitglieder der New York School, die in den frühen 1940er-Jahren gegründet wird. Mitgründer sind >Jackson Pollock und >Mark Rothko. Obwohl der Name «School» suggeriert, es handle sich um eine Schule, gibt es tatsächlich keine formalen Lehrer-Schüler-Beziehungen. Und niemand schreibt den Künstlern einen einheitlichen Stil vor. Es ist vielmehr eine avantgardistische Künstlerbewegung mit dem Ziel, die amerikanische Kunst von den Einflüssen der europäischen zu emanzipieren. Die Gruppe ist eng mit dem abstrakten Expressionismus verbunden.

 

Auch Elaine, Koonings spätere Ehefrau, spielt in der New York School eine bedeutende Rolle.

 

 

>mehr über The New York School

 

 

Elaine de Kooning (1918-1989). Selfportrait, 1946. WikiArt Fair Use.

 

Elaine de Kooning (1918-1989). John F. Kennedy, 1963. WikiArt Fair Use.

 

1943: Die komplexe Beziehung zu Elaine

 

Willem De Kooning lernt Elaine Fried 1937 an der American Artists School kennen. Dort ist die vierzehn Jahre jüngere Frau Kunststudentin. Es beginnt eine leidenschaftliche Beziehung, 1939 zieht Elaine in sein New Yorker Studio, 1943 heiraten die beiden.

 

Elaine de Kooning (1918-1989) macht sich vor allem mit dynamischen Porträts in lebendigen Farben und expressiver Pinselführung einen Namen. Sogar Präsident John F. Kennedy lässt sich 1963 von ihr porträtieren. Elaine de Kooning gilt als eine der führenden amerikanischen Künstlerinnen des abstrakten Expressionismus.


Elaine und Willem de Kooning sollen eine turbulente Ehe geführt haben. Die Beziehung ist zwar geprägt von künstlerischer Zusammenarbeit, anderseits sind heftige Konflikte an der Tagesordnung: Geldprobleme, aussereheliche Affären, Alkoholexzess.

 

Schliesslich trennen sich die beiden in den späten 1950er-Jahren, finden dann aber in den 1970ern wieder zusammen. Elaine unterstützt Willem dann, die Alkoholprobleme zu überwinden, sodass er wieder zur Kunst findet. Elaine ermutigt ihn auch, seine künstlerische Sprache weiter zu entwickeln und übernimmt die Organisation von Willems Studio auf Long Island. In den 1980er-Jahren ist sie die treusorgende Gattin und pflegt den an Alzheimer Erkrankten. Sie sorgt auch dafür, dass er künstlerisch aktiv bleiben kann. Elaine stirbt 1989, also drei Jahre vor Willem.

 

 

Willem de Kooning (1904-1997). Excavation, 1950. The Art Institute of Chicago.

 

Jackson Pollock (1912-1956). Autumn Rhythm (Number 30), 1950. Metropolitan Museum of Art, New York.

 

 

1950: Protagonist des Action Painting

 

Der Gründungsdirektor des MoMA, Alfred H. Barr, bezeichnet Jackson Pollock und Willem de Kooning als die «Protagonisten des Action Painting». Beide zeigen ihre Beiträge zur modernen amerikanischen Kunst auf der 25. Biennale von Venedig 1950. Es sind Meilensteine des Abstrakten Expressionismus.

 

De Kooning schickt das Werk «Excavation» zur Ausstellung nach Venedig (205 x 255 cm). Es kommt so gut an, dass es im Anschluss vom Art Institute of Chicago erworben wird.

 

>Jackson Pollock stellt 1950 sein Werk «Autumn Rhythm (Number 30)» in Venedig aus. Mit diesem Monumentalbild (266 x 525 cm) macht er sich erstmals international einen Namen. Heute gilt es als Hauptwerk seiner Drip-Painting-Arbeiten.

 

Willem de Kooning (1904-1997). Women I, 1950-52. Museum of Modern Art, New York.

 

 

Willem de Kooning (1904-1997). Woman III,
1951-53. Private Collection Steven A. Cohen.

 

 

 

1953: Der Skandal um die Fratzen-Women

 

Nach seinem unerwarteten Erfolg an der Biennale 1950 macht sich de Kooning an seinen dritten und extrem provokanten Women-Zyklus. Er bricht mit sämtlichen Tabus und stellt in Woman I seine weibliche Gestalt derart dämonisch dar, dass der Skandal programmiert ist. Mit heftigen pastosen Strichen malt er eine grotesk verformte weibliche Figur, die den Betrachter totenkopfartig zu verhöhnen scheint. Das Bild misst 192 x 147 cm und wird 1953 in der Sidney Janis Gallery in New York gezeigt. Die Leute sind schockiert. Das Werk wird als ordinär und vulgär beschimpft.

 

De Kooning kümmert das wenig. Er sagt: «Wenn man malt, nimmt man einen Pinsel voller Farbe, bringt Farbe auf das Bild und schon hat man den Ärger». Und weiter: «Kunst sollte nicht auf eine bestimmte Weise gemacht sein». In den Folgejahren malt er weitere solcher Bilder – in noch grösseren Formaten. Das MoMA kauft Woman I und stellt es an der Biennale 1954 in Venedig aus.

 

Woman III misst 120 x 170 cm und gehörte bis Ende der 1970er-Jahre dem Teheraner Museum für Zeitgenössische Kunst. Nach der Islamischen Revolution von 1979 durfte es nicht mehr gezeigt werden. 1994 erwirbt es der amerikanische Musik- und Filmproduzent David Geffen, der es 2006 an den Hedgefonds-Milliardär Steven A. Cohen verkauft –
für 142 Millionen US-Dollar.


 

Willem de Kooning (1904-1997). Park Rosenberg, 1957. Museum of Modern Art, New York.

 

1950er-Jahre: Abstrakte Landschaften

 

Diese Bilder reflektieren urbane und ländliche Eindrücke, die von den Reisen des Künstlers inspiriert sein sollen. Einge dieser Werke sollen Eindrücke von Autofahrten und holländischen Seelandschaften – Erinnerungen an seine Jugend – wiedergeben.

 

Man interpretiert sie als «flüchtige Erinnerungen», die eine Verbindung zwischen persönlicher Vergangenheit und der wirklichen Umgebung schaffen.

 

 

 

Willem de Kooning (1904-1997). Women Singing II, 1966. Tate, London.

 

Willem de Kooning (1904-1997). Seated Woman, Bronze, 1969-80. Rotterdam.
Foto F. Eveleens, WikiCommons.

 

 

1960: Rückzug nach Long Island

 

De Kooning lernt nun die Schattenseiten des Erfolges kennen. Er will dem Star-Rummel entfliehen, dem er inzwischen ausgesetzt ist. Den Winter 1959/60 verbringt er in Rom. Dann zieht er sich nach Long Island zurück und baut sein Haus nach eigenen Plänen in ein gläsernes Atelier um.

 

Mit der vierten Woman-Serie kehrt er wieder zur figurativen Malerei zurück, die allerdings immer noch ziemlich abstrakt wirkt. De Kooning betitelt diese Serie «Women in the Country». Eine charakteristische Arbeit aus dieser Zeit ist Women Singing II, 1966.

 

In der Abgeschiedenheit im Atelier von Long Island experimentiert er mit Zeichnungen, Lithografien und Skulpturen wie die Seated Woman Bronze.

 

Trotz seines Erfolges bleibt er von Selbstzweifeln geplagt. Zeitlebens schon ein Trinker, plagt ihn nun die Alkoholkrankheit. Das mindert seine Schaffenskraft aber keineswegs, sie gipfelt viel mehr in einem explosiven, befreienden Rausch, in dem er zahllose Grossformate von farbigen, pastosen Abstraktionen malt.

 

Willem de Kooning (1904-1997). Whose Name was writ in Water, 1975. Museum of Modern Art, New York.

 

 

 

1970er-Jahre: Vom Alkohol beflügelt

 

De Koonings Alkoholprobleme haben zwei Seiten. Einerseits führen sie zu persönlichen Krisen, andererseits verstärken sie die emotionale Tiefe und die Dynamik seines künstlerischen Schaffens.

 

Seine Werke aus den 1970er-Jahren sind Ausdruck von innerem Chaos und schöpferischer Freiheit. Der Künstler improvisiert immer mehr und überarbeitet seine Gemälde mehrfach, was zu einer Schichtung von Farben und Formen führt, die den Eindruck von Bewegung und Energie erzeugen.


 

Willem de Kooning (1904-1997). Rider (Untitled VII), 1985. Museum of Modern Art, New York.

 

Letzte Lebensjahre

 

Die Alzheimer-Erkrankung hat zur Folge, dass er in seinen letzten Lebensjahren Familienmitglieder und engste Freunde nicht mehr erkennt. Trotzdem hat er in den 1980er-Jahren bis zu seinem Tod 1997 noch eine produktive Schaffensperiode, in der er mehr als dreihundert Ölbilder malt.

 

Einige Kritiker sprechen diesen Werken den künstlerischen Wert ab, andere sehen in ihnen die «Erneuerung seiner Kunst». Tatsächlich entwickelt der Künstler in dieser Zeit einen Stil, der sich von den dichten Kompositionen früherer Phasen deutlich abhebt – durch einfache Formen und leuchtende Farben.

 

 

 

 

de Kooning-Werke chronologisch geordnet