Juan Gris (1887-1927)


Der Spanier ist eng mit der kubistischen Bewegung verbunden. In dieser steht er zwar etwas im Schatten von Picasso und Braque – dennoch gilt er als einer der wichtigsten Vertreter des synthetischen Kubismus und als Innovator innerhalb der modernen Kunst des frühen

20. Jahrhunderts.

 

 

Juan Gris um 1913. Foto Guillaume

Apollinaire, «Les peintres Cubistes».

 


Mit bürgerlichem Namen heisst er José Victoriano Carmelo Carlos González-Pérez und kommt 1887 in Madrid zur Welt – als dreizehntes von vierzehn Kindern. Sein Vater ist ein erfolgreicher Kaufmann. Sein Onkel unterrichtet ihn schon früh im Zeichnen. Er beginnt zunächst ein Ingenieurstudium an der Escuela de Artes y Manufacturas in Madrid. Parallel dazu nimmt er Zeichenunterricht beim akademischen Maler José Moreno Carbonero.

 

1906 – im Alter von 19 Jahren – zieht er nach Paris, wo er in Montmartre wohnt und mit Künstlern der französischen Avantgarde in Kontakt kommt – Picasso, Braque, Matisse, Léger. Bevor er mit Malen beginnt, verdient er sein Geld mit Illustrationen für Zeitschriften – diese signiert er mit dem Namen «Juan Gris».

 

 

Picasso und Kahnweiler


Noch in der Phase als Illustrator lernt Gris

>Pablo Picasso kennen. Es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden Spaniern. Picasso inspiriert ihn, sich der Malerei zuzuwenden. Die beiden Künstler arbeiten zeitweise gemeinsam im berühmten «Bateau-Lavoir» in Montmartre. Diese räumliche Nähe ermöglicht einen intensiven künstlerischen Austausch.


Gris entwickelt sich schnell zu einem eigenständigen Künstler. Seine ersten Werke orientieren sich noch am Jugendstil und am Impressionismus, aber schon 1912 ist Juan Gris Mitbegründer einer Gruppe, die sich dem synthetischen Kubismus widmet, der «Section d'Or» – der auch Braque und Picasso angehören. Obwohl diese zwei oft als das Duo genannt werden, das den Kubismus begründete, spielt Gris eine wichtige Rolle in der Weiterentwicklung und Theoretisierung dieser Kunstrichtung. Heute werden die drei Künstler –
Picasso, Braque und Gris – oft als die «Trinität des Kubismus» gesehen.

 

Eine weitere wichtige Entwicklungsstufe in Gris' Karriere ist die Bekanntschaft mit dem deutsch-französischen Kunsthändler >Daniel-Henry Kahnweiler, der Gris unter Vertrag nimmt. Kahnweiler kümmert sich nun um den Verkauf von Gris' Werken und bietet ihm zudem Ausstellungen in seiner Galerie und in Museen. Der

Kunsthändler und Galerist hält grosse Stücke auf Gris und verfasst in den Kriegsjahren 1940-1945 ein Buch über ihn: «Juan Gris – Leben und Werk». Dieses wird 1946 veröffentlicht.

 

Gris beschäftigt sich auch als Kunsttheoretiker. Sein Vortrag über «Malerei und ihre Mittel» ist bis heute berühmt. In diesem formuliert er seine Ideen über Struktur, Komposition und Farbe. Für ihn ist Malerei kein spontaner Akt, sondern ein Prozess klarer Planung – dies ganz im Gegensatz zu Picasso, der für seine intuitive Malerei berühmt ist.

 

Juan Gris arbeitet auch mit dem Ballett-Impresario
Sergei Djagilew für die «Ballets Russes» und entwirft Bühnenbilder und Kostüme.

 

Gris' Leben ist kurz: Ab 1920 ist er gesundheitlich angeschlagen, er leidet an Asthma. Das schränkt seine künstlerische Produktivität zwar ein, er bleibt aber bis zu seinem Tod aktiv. Am 11. Mai 1927 stirbt im Alter von nur 40 Jahren an Nierenversagen im Pariser Vorort
Boulogne-sur-Seine.

 

 

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Titelbild (Ausschnitt)

Juan Gris (1887-1927).

La fenêtre ouverte, 1921.

Museo Reina Sofia, Madrid.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georges Braque (1862-1963). The Portuguese, 1911-12. Kunstmuseum Basel. Analytischer Kubismus.

 

Juan Gris (1887-1927). Hombre en el café, 1914. Collage. Metropolitan Museum of Art, New York. Synthetischer Kubismus.

 

Juan Gris und der synthetische Kubismus

 

Im Jahr 1912 bildete sich eine Gruppe, die sich dem synthetischen Kubismus verschrieb. Sie nannte sich «Section d’Or». Gründungsmitglieder waren neben Gris andere Kubisten wie Picasso, Braque, Gleizes, Léger, Metzinger und weitere.

 

Was heisst synthetischer Kubismus?

 

Die Entwicklung des Kubismus verlief in zwei Phasen. Die erste nannte sich analytisch (ab ca. 1908), die zweite synthetisch. Hier die wichtigsten Merkmale und Unterscheidungskriterien:

 


Analytischer Kubismus (ca. 1908-1912)

 

– Starke Abstraktion

– Verwendung von wenigen dunklen Farben

– Zerlegung der Objekte in geometrische Formen
– gleichzeitig mehrere Blickwinkel eines Objektes


 

Synthetischer Kubismus (ca. 1912-1920)

 

– Weniger starke Abstraktion

– Verwendung von mehr und helleren Farben

– Weniger geometrische Formen

– Flachere Darstellung von Objekten

– Verwendung von Collage-Techniken

 

 

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Juan Gris (1887-1927). Porträt von Pablo Picasso, 1912. Art Institute of Chicago.

 

 

 

1912: Kubistisches Porträt von Picasso

 

Eines der bekanntesten Werke von Juan Gris ist diese Hommage an seinen spanischen Freund >Picasso.

Das kubistische Gemälde ist 93 x 74 cm gross und zerlegt die Figur in verschiedene Ebenen und einfache geometrische Formen. Die Farbpalette beschränkt sich auf wenige Blau-, Braun- und Grautöne – typisch für den analytischen Kubismus.


Das Porträt ist Ausdruck der Freundschaft zwischen den beiden Spaniern – es verhilft Gris aber auch dazu, seine Position in der Pariser Kunstwelt zu festigen. Er präsentiert sein Picasso-Portrait 1912 im
>Salon des Indépendants
.


 

Juan Gris (1887-1927). Les trois cartes, 1913. Sammlung Rupf, Kunstmuseum Bern.

 

1913: Übergang zum synthetischen Kubismus

 

Ein gutes Beispiel für den Übergang vom analytischen zum synthetischen Kubismus. Die einzelnen Gegenstände sind erkennbar (Tisch, Karten, ein Musikinstrument), es kommt jetzt viel mehr Farbe ins Spiel, zudem vermittelt das Werk den Eindruck, es handle sich um eine Collage.

 

Tatsächlich ist es aber ein Ölgemälde. Gris verflacht den Bildraum mit dem Ziel, die Sinne zu täuschen – ein zentrales Anliegen der kubistischen Kunst. Das Werk stammt aus der >Sammlung Rupf im Kunsthaus Bern und gilt als Meisterwerk des synthetischen Kubismus.


 

Juan Gris (1887-1927). Paysage à Beaulieu, 1918. Kunst Museum Winterthur.

 

 

1916: Die architektonische Phase

 

Sie markiert einen Wendepunkt in Gris' Werk – sowohl formal als auch inhaltlich. Während viele seiner Kollegen zu dieser Zeit bereits andere Richtungen einschlagen, entwickelt Gris den kubistischen Stil weiter, aber in einer eigenen Form.

 

Die Gegenstände werden jetzt nicht mehr so zerlegt wie beim frühen Kubismus und sind deutlich besser zu erkennen. In diesem Werk klingt sogar wieder eine Art von Landschaft (Hintergrund) an.

 

 

Juan Gris (1887-1927). Pierrot, 1919. Kunst Museum Winterthur.

 

 

1919: Der traurige Pierrot mit Gitarre

 

Das Bild zeigt eine Pierrot-Figur aus der Commedia dell’arte. Sie wird oft als trauriger Clown dargestellt.
Mit diesem Werk – entstanden im Mai 1919 – entfernt sich Gris vom stark fragmentierten Stil des frühen Kubismus.

 

Die Figur ist in diesem Gemälde (wieder) kompakt und klar erkennbar. Zudem verwendet der Künstler hellere Farbtöne als in der Phase des analytischen Kubismus.

 

Juan Gris (1887-1927). La Religieuse, 1922. Kunsthaus Zug, Stiftung Sammlung Kamm.

 

1922: Die melancholische Nonne

 

Die besondere Form von Gris' Kubismus kommt hier besonders gut zur Geltung. Er verzichtet nun fast völlig auf eine Fragmentierung mit Kuben, sondern stellt die Figur als Einheit dar – mit ganz einfachen Stilmitteln. Das Gesicht der Nonne besteht aus wenigen Strichen, im Hintergrund ist eine stilisierte Wolke zu erkennen.

 

Die Verwendung von gedämpften Farben ist typisch für das späte Werk des Künstlers. Eigentlich ist das ein Anachronismus, denn die Verwendung von nur wenige Braun- und Grautönen ist ein Merkmal des frühen Kubismus. Gris verwendet sie nun wieder in seiner späten Phase des Schaffens.

 

 

Juan Gris (1887-1927). The Guitar Player, 1926. Statens Museum Copenhagen.

 

 

1926: Die Gitarrenspielerin

 

Dieses Gemälde gehört zu den letzten Werken des Künstlers – es entsteht ein Jahr vor seinem Tod.
Gris entfernt sich endgültig vom experimentellen Kubismus der 1910er-Jahre und strebt nun nach einem Gleichgewicht von Form, Farbe und Komposition. Einige der Kunstexperten bezeichnen diesen speziellen Stil Juan Gris' als dessen «klassischer Kubismus».

 

Die Gitarrenspielerin ist konzentriert, ruhig, nach innen gewandt. Für Gris steht die Gitarre als Metapher für Harmonie und Komposition – passend zu seinem Verständnis von Malerei als «komponierter Musik». Deshalb ist die Gitarre auch ein ständig wiederkehrendes Motiv in Gris’ Werk. Nicht nur als Symbol für seine Heimat Spanien, sondern auch wegen ihrer formalen Qualitäten: Körper, Saiten, Schallloch – alles malerisch spannende Motive.

 

 

 

 

Werke chronologisch geordnet