Käthe Kollwitz (1867-1945)

 

Eine begnadete Zeichnerin. In dieser Sparte gehört sie zu den bedeutendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie zeichnet, macht Holzschnitte, Kupferstiche und Radierungen, sie ist auch Bildhauerin – nur mit der Malerei will es nicht klappen. «Mit der Farbe komme ich nicht weiter» sagt sie.

 

 

Käthe Kollwitz mit 50 Jahren. Foto
Hugo Erfurth, 1927. Galerie Der
Panther, Freising.

 

 

Käthe Kollwitz (geborene Schmidt) kommt am
8. Juli 1867 in Königsberg zur Welt, wo sie ihre Jugend verbringt. Mit 18 besucht sie die «Damenakademie» in Berlin. Ihr Lehrer dort ist der Schweizer Maler >Karl Stauffer-Bern, der sie an die Grafik heranführt. Anschliessend studiert sie in München. 1891 heiratet sie den Arzt Karl Kollwitz. Ihr erster Sohn, Hans, kommt 1892 zur Welt, Peter vier Jahre später, 1896.

 

An der Grossen Berliner Kunstausstellung 1898 präsentiert sie ihre (heute berühmte) Serie von Radierungen «Der Weberaufstand» und wird dafür gefeiert. Führende Künstler wie «Malerfürst» >Max Liebermann sind beeindruckt. Kollwitz' Radierungen werden für die «kleine goldene Medaille» vorgeschlagen – aber Kaiser Wilhelm II lehnt ab, zu modern, zu sozialkritisch, zu aufwieglerisch.

 

1914 ist ein Schicksalsjahr für die Künstlerin. Ihr 18jähriger Sohn Peter fällt im ersten Kriegsjahr in Flandern. Nun kommt zu ihrer sozialkritischen Haltung auch noch die Wut auf den Krieg, sie wird zur erklärten Pazifistin. Ihre Werke kreisen nun um das Thema «Nie wieder Krieg». Ihr Plakat, das diesen Titel trägt, wird zur Ikone. Dem Anti-Militaristen Karl Liebknecht widmet sie einen Holzschnitt.

 

Ihre pazifistische Haltung bleibt natürlich den Nazis nicht verborgen. Als diese in den frühen Dreissigerjahren an die Macht gelangen, sorgen sie dafür, dass Kollwitz zurückgebunden wird. Man verfolgt sie zwar nicht direkt – aber man gängelt sie. 1933 zwingt man sie zum Austritt aus der Preussischen Akademie der Künste und kündigt ihren Job als Leiterin der Meisterklasse für Grafik.

 

1936 erteilt man ihr ein faktisches Ausstellungs-Verbot. 1937 werden in der Nazi-Aktion >entartete Kunst zahlreiche Zeichnungen und Grafiken aus verschiedenen deutschen Museen und Sammlungen beschlagnahmt. Diese geraten dann auf den internationalen Markt und an diverse Kunsthändler, u.a. auch an >Hildebrand Gurlitt.

 

1940 stirbt auch ihr Enkel Peter – und wieder im Krieg. Belastend muss für sie als Grossmutter gewesen sein, dass Peter ein überzeugter Nazi war und sich weigerte, «Enkel von Käthe Kollwitz» genannt zu werden.

 

1943 flüchtet sie vor den Bomben, die auf Berlin niedergehen. Zuerst nach Nordhausen, dann ein Jahr später nach Moritzburg bei Dresden. Das Kriegsende am 8. Mai 1945 erlebt sie nicht mehr, sie stirbt zwei Wochen vorher, am 22. April 1945. Käthe Kollwitz ruht in einem Ehrengrab der Stadt auf dem Berliner Zentralfriedhof.

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)
Käthe Kollwitz (1867-1945).
Pietà, 1903. Käthe Kollwitz Museum Köln.

 

 

 

Ausstellung Kollwitz-Hatoum

«Stellung beziehen»

 

Kunsthaus Zürich

18.8. bis 2.11.2023

 

Ausstellungsplakat

 

 

Die Arbeiten der 1952 in Beirut geborenen Künstlerin Mona Hatoum ergänzen die Kollwitz-Ausstellung. Hatoum weilte 1975 in London, als der Bürgerkrieg im Libanon ausbrach. Wie Kollwitz thematisiert auch Hatoum (Trägerin des Käthe-Kollwitz-Preises von 2010) das Leid, das durch den Krieg verursacht wird.

 

 

Mona Hatoum (geb. 1952)

 

Cellules, 2012-13.

 

 

Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich präsentiert rund 120 Arbeiten von Käthe Kollwitz sowie fünf Installationen von Mona Hatoum. Sie wird in Kooperation mit der Kunsthalle Bielefeld und dem Käthe Kollwitz Museum Köln ausgerichtet.

Vom 18. August bis 2. November 2023.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Nie wieder Krieg, 1924. Plakat. Kollwitz Museum Köln.

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Serie Krieg, Blatt 1, Das Opfer, 1922. Holzschnitt. Käthe Kollwitz Museum Köln.

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Die Überlebenden – Krieg dem Kriege!, 1923. Sammlung Ute Kahl, Köln.

 

 

 

Kollwitz' ikonisches Anti-Kriegs-Plakat

 

Krieg prägt ihr halbes Leben und einen bedeutenden Teil ihrer Kunst. In ihren Werken stellt sie aber nicht den Krieg selbst dar, sondern zeigt ihn vor allem aus der Sicht der leidenden Mütter. Kein Wunder – schon im ersten Jahr des Ersten Weltkrieg verliert sie ihren 18jährigen Sohn Peter: er stirbt 1914 in der Flandernschlacht. Kollwitz wird zur überzeugten Pazifistin.

 

Ihre Serie «Krieg» von 1922 zeigt in dramatischen Holzschnitten hinterbliebene Opfer des Krieges – Mütter, Kinder, Angehörige.

 

Mit ihrem Plakat «Nie wieder Krieg» von 1924 schafft sie eine Ikone für den Pazifismus. Die Hoffnung auf ewigen Frieden ist allerdings eine Illusion. Schon 15 Jahre später beginnt der nächste Horrorkrieg – der noch verheerendere Zweite Weltkrieg. Auch den muss sie noch bis zum bitteren Ende 1945 miterleben.

 

Schon die Dreissigerjahre vor dem Krieg sind für die erklärte Pazifistin und Sozialistin eine Tortur: Weil den Nazis ihre pazifistische Haltung nicht passt, wird sie schikaniert. 1933 wirft man sie aus der Preussischen Akademie der Künste. Grund: Sie gehört zu den Unterzeichnern eines Appells zum Aufbau einer einheitlichen Arbeiterfront gegen den Nationalsozialismus. Zudem verliert sie ihren Job als Leiterin der Meisterklasse für Grafik.

 

Ein paar Wochen vor ihrem Tod 1945 schreibt sie in ihren allerletzten Brief an Sohn Hans: «Der Krieg begleitet mich bis zum Ende».

 

Den Friedensschluss am 8. Mai 1945 erlebt sie nicht mehr: Sie stirbt am 22. April 1945 in Moritzburg im Alter von
78 Jahren.

 

 

 

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Weberaufstand Blatt 4, Weberzug, 1893-97. Käthe Kollwitz Museum Köln.

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Weberaufstand Blatt 1, Not, 1893-97. Käthe Kollwitz Museum Köln.

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Die Carmagnole, 1901. Sammlung Klaus und Erika Hegewisch.

 

 

Der Weberaufstand – Aufruf zum Widerstand?

 

Inspiriert von Gerhart Hauptmanns Drama «Die Weber» schafft Kollwitz eine Serie Radierungen, die sich mit dem Aufstand von Webern auseinander setzt, der sich 1844 in Schlesien ereignete.

 

Ihr Weber-Zyklus ist aber keine Illustration zu Gerhart Hauptmanns Drama. Und schildert auch nicht die historische Weberrevolte von 1844.

 

Vielmehr zeigt er einen fiktiven Weberaufstand der Gegenwart. Es geht ihr um aktuelle Probleme. Konkret um die Hungersnot unter den schlesischen Webern 1891/92, die grosse Wellen schlägt. Nicht verwunderlich, dass Kaiser Wilhelm II von Kollwitz' Radierungen nicht begeistert ist. Für ihn muss die Kampagne wie ein Aufruf zum Widerstand gewirkt haben. Deshalb verweigert er auch die geplante (und gerechtfertigte) Belobigung der Künstlerin mit einer goldenen Medaille.

 

Die Serie der Radierungen «Weberaufstand» ist nicht das einzige Werk in Kollwitz' Frühzeit, das einen literarischen Hintergrund hat.

 

Die Radierung «Die Carmagnole» hat ihren Ausgangspunkt in Charles Dickens' Roman «Eine Geschichte aus zwei Städten» von 1859. Der Autor beschreibt, wie Hunderte von Menschen zum bekannten Revolutionslied «La Carmagnole» tanzen. In Kollwitz' Radierung tanzt die Menge – vorwiegend Frauen – in Ekstase zum Rhythmus eines trommelnden Jungen um eine Guillotine.

 

Die Künstlerin versetzt die Pariser Szene in eine deutsche Stadt mit Fachwerkhäusern. Es könnte sich dabei um das
Königsberger Speicherviertel in Kollwitz' Heimatstadt handeln. Zudem lässt die Künstlerin das historische Ereignis in der Gegenwart stattfinden, wie die zeitgenössische Arbeiterkleidung verrät.

 

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Selbstbildnis, 1926-36. Bronze. E.W.K., Bern.

 

Trauernde Eltern, Soldatenfriedhof Vladslo. Foto Bva, WikiCommons 3.0.

 

 

Die Bildhauerin Kollwitz

 

Ihre ersten Gehversuche in der Bildhauerei macht sie schon 1910. Als dann aber ihr Sohn Peter im Krieg fällt, setzt sie sich zum Ziel, ihm ein Denkmal zu setzen. «Hier liegt die Jugend», sollte es zunächst heissen. Beeinflusst durch >Ernst Barlach entscheidet sie sich dann aber, eine Skulptur mit dem Namen Die trauernden Eltern zu schaffen. Den Eltern gibt sie die Züge ihres Mannes Karl Kollwitz und von sich selbst.

 

Das Werk wird am 24. Juni 1932 aufgestellt – doch das Echo in der belgischen Bevölkerung ist wenig freundlich. Die Menschen stehen noch immer unter dem Eindruck der fürchterlichen Kriegsjahre und sehen in den trauernden Eltern nicht die gebrochene Mutter und den zerstörten Vater, sondern immer noch den damaligen deutschen Feind – und erst noch in Stein gehauen.

 

Heute steht das Denkmal auf dem Soldatenfriedhof in Vladslo, Flandern.

 

(Auszug aus einem Artikel von Gisbert Kuhn im journal21.ch) >mehr

 

 

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Frau mit Orange, 1901. Käthe Kollwitz Museum Köln.

 

 

Kombidrucke statt Malerei

 

Zeichnen ist ihr Element, nicht die Malerei. Das sagt sie von sich selbst: «Mit der Farbe komme ich nicht weiter». Dennoch sucht sie nach Wegen, Farbe in ihr Werk zu bringen.

 

Mit farbigen Kombinationsdrucken findet sie einen Ausweg. Was ist das genau? Eine Kombination von >Kupferstich (Kaltnadel) und Stein (Pinsel-Lithographie) in zwei Farben, mit Kohle überarbeitet.

 

In der Kunstzeitschrift «Die Kunst für alle» löst sie damit eine kontroverse Diskussion aus. Man attestiert der Künstlerin, die «Erfinderin» von Lithografie und Radierung zu sein.

 

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Die Eltern, 1921-22. Holzschnitt. Käthe Kollwitz Museum Köln.

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Serie Tod, Blatt4. Tod packt eine Frau, 1934. Kunsthaus Zürich.

 

Thema Tod

 

Nach dem ersten Weltkrieg reift die Idee, zum Thema Tod eine druckgrafische Serie zu fertigen. 1922 äussert sich Kollwitz in ihrem Tagebuch erstmals dazu.

 

Fünf Jahre später, 1927 - da ist sie bereits sechzig und mit ihrer eigenen «Alterstraurigkeit» beschäftigt – schreibt sie:

 

«…ich muss mich noch einmal graphisch zusammen reissen. Zum Thema Tod muss ich noch Blätter machen. Muss muss muss!».

 

Doch dann dauert es noch weitere sieben Jahre, bis sie mit der Umsetzung beginnt.

 

Schliesslich entstehen zwischen 1934 und 1937 acht Werke, die zu Lithografien verarbeitet werden.

 

In dieser Phase spürt die Künstlerin bereits den wachsenden Druck der Nazis, die ihre Kunst als «entartet» diffamieren und zahlreiche Werke in deutschen Museen beschlagnahmen.

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Liebespaar, sich aneinander schmiegend, 1909-10. Käthe Kollwitz Museum Köln.

 

Käthe Kollwitz (1867-1945). Liebesszene I, 1909-10. Käthe Kollwitz Museum Köln.

 

Die sinnliche Seite der Käthe Kollwitz

 

Bekannt und berühmt ist Kollwitz ja eigentlich für ihre anklagenden, nachdenklich stimmenden, schweren und oftmals düsteren Zeichnungen. In diesen zeigt sie Tod und Trauer, die Not und das ganze Leid dieser Welt.

 

Sie schlägt sich auf die Seite der Armen, der sozial Unterdrückten, beschreibt in dramatischen Bildern Volksaufstände und Auflehnung gegen den Staat. Sie setzt ihre Kunst vehement gegen den Krieg ein und büsst dafür in der Nazizeit mit der eigenen Unterdrückung und Verfolgung. Das ist die Künstlerin Käthe Kollwitz nach dem Ersten Weltkrieg – und den dabei durchlebten schrecklichen Ereignissen.

 

Betrachtet man indessen Kollwitz' Frühwerke, wie sie
vor dem Ersten Weltkrieg entstanden sind, findet man eine eindrückliche Serie von Kollwitz-Bildern, die pure Lebensfreude verbreiten: Zärtlichkeit, Szenen von liebevoller Zuneigung, von Liebe und Sex.

 

Zum Beispiel das Liebespaar von 1909-1910, das sich innig-wohlig aneinander schmiegt.

 

Oder die Liebeszene I aus dem gleichen Jahr, die ein völlig nacktes Paar in körperlicher Vereinigung zeigt – die Frau in ekstatischer Verzückung.

 


 

 

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