Wilhelm Lehmbruck (1881-1919)


Er ist in Düsseldorf, Berlin, Paris und Zürich tätig und zählt zu den bedeutendsten deutschen Bildhauern der Moderne. Eine unglückliche Liebe soll ihn in eine Depression gestürzt haben. 1919 wählt er den Freitod und stirbt mit 38 Jahren.

 

 

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Wilhelm Lehmbruck, Selbstportrait 1902.
Lehmbruck-Museum Duisburg.

 

 

Heinrich Wilhelm Lehmbruck wird am 4. Januar 1881 in der Nähe von Duisburg als Sohn eines Taglöhners geboren. Trotzdem kann er in Düsseldorf an der Kunstgewerbeschule studieren (1895 bis 1899) und beginnt dann 1901 ein Bildhauerstudium an der Königlichen Akademie Düsseldorf beim Bildhauer Karl Janssen. Dort lernt er naturalistische und klassische Genreplastik.

 

An der Internationalen Kunstausstellung von Düsseldorf 1904 kommt er mit renommierten Künstlern und der damaligen Gegenwartskunst in Kontakt – auch mit Werken von >Auguste Rodin.

 

1906 präsentiert er in Köln seine erste Plastik «Badende» und bezieht ein Jahr später sein Atelier in Düsseldorf. Er wird Mitglied der Vereinigung der Düsseldorfer Künstler und kurz darauf auch der Société Nationale des Beaux-Arts in Paris. Hier nimmt er an den jährlichen Ausstellungen im Grand Palais teil und ist rasch erfolgreich: 1907 werden vier seiner Werke vom

>Salon de Paris angenommen.

 

1908 heiratet er Anita Kaufmann; 1909 wird ihr Sohn Gustav Wilhelm geboren. Ein Jahr später zieht die kleine Familie definitiv nach Paris. Hier entstehen einige seiner wichtigsten Werke: die «Stehende weibliche Figur» (1910), die «Kniende» (1911), die «Grosse Sinnende» (1913) und der «Emporsteigende Jüngling» (1913/14). Seine Werke werden 1913 in Berlin, Köln, München gezeigt. Und in New York – an der berühmten Armory Show, die vor allem Skulpturen der Moderne zeigt.

 

Im gleichen Jahr kommt sein zweiter Sohn Manfred zur Welt (1913-1992). Dieser wird Architekt und baut 1964 in Duisburg das Museum für seinen Vater.

 

 

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Lehmbruck-Museum Duisburg. Foto
Hans Weingartz, WikiCommons.

 

 

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, kehren die Lehmbrucks nach Deutschland zurück. Der Künstler richtet sein Atelier jetzt in Berlin ein. Er hat Glück im Krieg, muss – als bekennender Pazifist – nicht an die Front und dient nur kurz in einem Hilfslazarett. 1916 wird er vom Dienst befreit – wegen Schwerhörigkeit. Der Maler >Max Liebermann soll sich für seine Befreiung vom Dienst für ihn eingesetzt haben.

 

1916 bekommt er in Mannheim eine umfassende Einzelausstellung. Kurz darauf entschliesst er sich, mit seiner Familie in die Schweiz zu ziehen, um sich den Wirren des Krieges zu entziehen. Hier entsteht eines seiner Hauptwerke: «Der Gestürzte». 1917 kommt in Zürich sein dritter Sohn Guido zur Welt.

 

In Zürich lernt Lehmbruck die zwanzigjährige britisch-österreichische Schauspielerin Elisabeth Bergner kennen, die ihm zunächst Modell steht. Von ihr fertigt er 1918 eine beeindruckende Plastik: «Die Betende». Der Künstler verliebt sich in sein Modell. Elisabeth Bergner erwidert aber seine Zuneigung nicht – und ihre Abweisung soll ihn in eine schwere Depression gestürzt haben.

 

Seine Stimmungslage verbessert sich auch nicht, als ihm im Januar 1919 eine hohe berufliche Ehre zuteil wird: Er erhält die Mitgliedschaft der Preussischen Akademie der Künste. Nur zwei Monate später, am 25. März 1919, nimmt er sich in Berlin das Leben – mit nur 38 Jahren.

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Wilhelm Lehmbruck (1881-1919).

Die Kniende, 1911. Steinguss.

Albertinum Dresden.

 

 

 

 

 

 

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Wilhelm Lehmbruck
(1881-1919). Die Badende, 1905. Foto©Christie's, Auction 5517, 1995.

 

 

1905: Die Badende – akademisch

 

Nach seinem Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie arbeitet er als freier Bildhauer und richtet sich in Düsseldorf sein erstes Atelier ein. 1906 stellt er an der Deutschen Kunstausstellung in Köln seine Plastik «Die Badende» vor – noch im akademisch-klassischen Stil und fein bearbeiteter Oberfläche.

 

Bronzeabgüsse werden davon 1914 in der Düsseldorfer Broncebildgiesserei erstellt. Dieses Exemplar kommt 1995 an einer Auktion von Christie's unter den Hammer und wird für 9'200 £ verkauft.

 

 

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Wilhelm Lehmbruck (1881-1919). Kniende, 1911. Steinguss. Albertinum Dresden.

 

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Kniende, Detail.

 

1911: Die Kniende – Stil Lehmbruck

 

Lehmbrucks Werke bis 1910 kommen in akademisch-klassischem Stil daher – aber dann lösen sich seine Figuren von den idealisierten menschlichen Proportionen, werden schlank und überlängert, expressionistisch eben. Die Kniende ist ein Prototyp des neuen Lehmbruck-Stils.

 

Heute gilt die Kniende als sein Hauptwerk. Aber als er sie 1911-1913 in Paris, Köln und New York ausstellt, will sie niemand kaufen. Das Steinguss-Exemplar wird nach Paris zurück gesandt und auf dem Transport beschädigt, worauf der Künstler die Skulptur im Lager verschwinden lässt.

 

Als eine Bronze-Version davon 1920 in Duisburg in einem Park aufgestellt wird, hagelt es Proteste der Bevölkerung. Und 1937 deklarieren die Nazis das Werk als «entartet» und diffamieren es. Erst 1955 wird es an der ersten Documenta in Kassel rehabilitiert und als wichtigste Arbeit des Künstlers gewürdigt. Das Steinguss-Exemplar ist heute im

>Albertinum Dresden zu sehen.

 

 

>mehr über «entartete Kunst»

 

 

 

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Wilhelm Lehmbruck
(1881-1919). Emporsteigender Jüngling, 1913. Kunsthaus Zürich.

 

 

1913/14: Emporsteigender Jüngling

 

Als Lehmbruck diese übergrosse Figur in Paris erschafft, hat er dort bereits einen guten Namen als anerkannter Künstler. Trotzdem wird der «lange Kerl» nicht von allen gelobt.

 

Sein deutscher Bildhauerkollege Ernst Barlach zum Beispiel lehnt das Werk als «unplastisch» ab, und viele Kunstkritiker können mit den «falschen Proportionen» und den «ausgezehrten Gliedern» nichts anfangen und bezeichnen den Jüngling als «Gliederpuppe». Für heutige BetrachterInnen, die mit expressionistischen Werken vertraut sind, wirkt die Figur allerdings imposant.

 

 

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Wilhelm Lehmbruck (1881-1919). Der Gestürzte, 1916. Pinakothek der Moderne, München.

 

1916: Der Gestürzte – ein Protestwerk

 

In dieser Skulptur, die er in Zürich fertigt, manifestiert sich der Künstler als bekennender Pazifist. Im November 1914 läuft der Erste Weltkrieg noch ziemlich gut für die Deutschen. Sie haben gerade eine Schlacht «gewonnen» und 2'000 ihrer Soldaten im «Heldentod» geopfert. Für diese will die Stadt Duisburg nun ein Ehrendenkmal errichten und beauftragt Lehmbruck damit. Die Auftraggeber stellen sich eine Art «Siegender Siegfried» vor. Der Künstler weigert sich.

 

Statt des heldenhaften Soldaten schafft er einen Mann, der nackt auf allen Vieren kriecht, ohne Waffe, ohne Uniform, nackt und schutzlos dem Krieg ausgeliefert. So, wie es eigentlich auch die ganze Menschheit ist.

 

 

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Wilhelm Lehmbruck (1881-1919). Betende, 1918. Kunsthalle Hamburg.

 

1918: Die Betende

 

Eines seiner letzten Werke. Es entsteht im Zürcher Exil ein Jahr vor seinem Freitod 1919. Auch diese Figur ist vom Krieg gezeichnet. Dürre Arme und ein ausgemergelter Körper. Die Frau richtet ihre geschlossenen Augen in die Ferne; sie scheint für den Frieden zu beten. Oder sie trauert um die Toten des Krieges und betet für diese.

 

Der Künstler selbst sieht in ihr eine Frau, die

«den Krieg zu Tode betet».

 

Die Figur hat aber noch eine weitere Seite – denn sie trägt die Gesichtszüge jener Frau, die der Künstler verehrt: Die österreichisch-britische Schauspielerin Elisabeth Bergner (1897-1986). Sie ist mehr als sein Modell. Es heisst, dass er sich in sie verliebt habe. Da sie seine Zuneigung aber nicht erwidert, soll er in eine Depression gefallen sein und sich ihretwegen im März 1919 das Leben genommen haben. Die Schauspielerin heiratet dann den Regisseur Paul Czinner. Als Juden von den Nazis verfolgt, fliehen die beiden nach London und 1940 nach Hollywood, wo Bergner aber nur einen einzigen Film dreht, der kein grosser Erfolg wird: «Paris Calling» (1941).

 

 

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Lehmbruck-Museum Duisburg. Foto Hans Weingartz, WikiCommons.

 

 

1964: Sohn Manfred baut das Museum

 

Der 1913 geborene zweite Sohn Lehmbrucks, Manfred Lehmbruck (1913-1992), wird Architekt. In Duisburg erhält er 1964 den Auftrag, für seinen Vater das neue Museum Duisburg zu realisieren, das seine Wurzeln in einem schon 1905 gegründeten Kunstverein hat. Lehmbruck-Werke werden danach im Städtischen Kunstmuseum gezeigt.

 

Während der Nazizeit verliert das Städtische Kunstmuseum rund 100 seiner Werke – darunter auch die berühmte «Kniende». Die Werke werden 1937 von den Nazis als «entartet» gebrandmarkt und teilweise verkauft. Nach dem Krieg wächst das Museum wieder, und 1964 kann im Kant-Park das neue Wilhelm-Lehmbruck-Museum in Duisburg eröffnet werden. Gebaut von Sohn Manfred.

 

 

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Fotos / Diashow

 

 

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