Hans Leu d.Ä. (1460-1507)
Der Zürcher Nelkenmeister

 

 

Vom Maler Hans Leu dem Älteren ist nur wenig bekannt. Man geht davon aus, dass er in Baden AG geboren wurde. Seine Lehr- und Wanderjahre vermutet man in Basel und Konstanz.

 

1488 zieht er nach Zürich, in die Geburtsstadt seiner Mutter. 1489 findet sich eine erste Dokumentation über ihn: Er wird in den Baurechnungen des Grossmünsters genannt. 1492 wird er erstmals als Bürger der Stadt erwähnt. In den folgenden Jahren malt er für die Fraumünsterabtei.

 

Zwischen 1497 und 1501 wird die Grabstätte der Stadtheiligen Felix und Regula im Grossmünster umgestaltet, und Leu erhält den Auftrag, dazu die «tafelen ad martyres» zu malen, die Felix, Regula, Exuperantius und ihr Martyrium zeigen.

 

Hans Leu stirbt 1507 im Alter von etwa 45 Jahren. Nach seinem Tod führt zunächst seine Frau Anna Frick die Werkstatt weiter.

 

 

altartafeln_leu

Hans Leu d.Ä. (1460-1507). Altartafeln, Replik. Landesmuseum, Zürich.

 

 

 

Hans Leu der Jüngere (1490-1531)

 

Ab etwa 1515 ist es dann sein Sohn Hans Leu d.J., der die Werkstatt als selbständiger Meister führt. Im Herbst 1515 nimmt er als Mitglied einer Zürcher Zunft beim Kriegszug nach Marignano teil. Finanzielle Gründe veranlassen ihn 1519, in die Dienste von Herzog Ulrich von Württemberg zu treten. Solddienste sind aber in dieser Zeit verboten, und er wird dafür vor Gericht gestellt.

 

Die Werkstatt läuft nicht mehr gut, weil inzwischen die Reformation eingesetzt hat und kirchliche Aufträge ausbleiben. Hans Leu d.J. setzt sich daher ins katholische Luzern ab, wo er einige Aufträge ausführen kann.

 

Dann kehrt er wieder nach Zürich zurück. 1526 wird ihm wegen der Reisläuferei von 1519 nochmals der Prozess gemacht. Er kommt zur Bestrafung in den Wellenbergturm, kann sich dann aber auf Kaution freikaufen. In den >Kappelerkriegen kämpft er auf der Seite der Zürcher Protestanten und stirbt 1531 in der Schlacht am Gubel.

 

 

 

Das Buch

Die Zürcher Nelkenmeister

 

 

 

Wer sich für Nelkenmeister interessiert, kommt um dieses umfassende Werk nicht herum. Das prachtvolle Kunstbuch erzählt auf 356 Seiten die Geschichte der Zürcher Nelkenmeister und beschreibt die Verhältnisse im Stadtstaat Zürich um 1500 sowie die damals noch herrschenden Verflechtungen von Kirche und Bruderschaften.

 

 

Zweiter Zürcher Nelkenmeister Hans Leu d.Ä.,
Die Räderung der Stadtheiligen, 1497.
Landesmuseum Zürich.

 

 

Das Buch enstand im Auftrag der «Gilde der Zürcher Nelkenmeister». Für die Planung und die Produktion benötigte man elf Jahre. Nun liegt 2023 ein Werk vor, das die Nelkenmeister und deren Werke bis ins letzte Detail beschreibt, begleitet von qualitativ erstklassigen fotografischen Abbildungen. In einem separaten Katalog sind alle Werke mit Titel, Jahr, Masse, Zustand und Provenienz beschrieben. Das Buch kommentiert aber nicht nur Gemälde, sondern auch die zum Teil nur noch schwer erkennbaren Arbeiten in der Krypta des Zürcher Grossmünsters.

 

Erster Zürcher Nelkenmeister, Enthauptung
eines jungen Heiligen, 1490. Kunsthaus Zürich.

 

 

Autor ist der in Zürich lebende Kunsthistoriker, Kurator und Publizist Ulrich Gerster. Weitere Beiträge von Charlotte Gutscher-Schmid, Martin Illi und Heinz O. Hirzel, dem Alt-Gildenmeister.

 

Verlag Scheidegger & Spiess, Format 25 x 33 cm.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

loewensprung

Paul Löwensprung (ca.1460-1499).
Der ältere Bern
er Nelkenmeister. Geburt Christi, um 1490. Kunsthaus Zürich.

 

>mehr

 

 

 

 

 

nelken

Das «Qualitäts-
siegel» der Nelkenmeister, die Nelke. Die weisse steht für die Unschuld, die rote für die Passion Christi.

 

Wer sind die Nelkenmeister?

 

Es sind künstlerische Handwerker in mehreren Schweizer Städten, die sich nach dem >Sieg der Eidgenossen über das Herzogtum Burgund 1476 etabliert haben.

 

Sie verstehen sich noch nicht als Künstler und arbeiten als Handwerker, signieren deshalb ihre Werke auch nicht mit Namen, sondern nur mit einem Nelkenzeichen. Sie sind in zunftähnlich organisierten, religiösen Bruderschaften zusammengeschlossen. Sie profitieren in ihrer Zeit (etwa 1476-1510) von einer wachsenden Nachfrage nach sakralen Bildern und gründen Werkstätten in Basel, Bern, Solothurn, Baden und Zürich.

 

Das Nelkensymbol ist erstmals auf einem Hochaltarbild der Franziskanerkirche in Fribourg zu finden, einem 1479–1480 von einer Basler Werkstatt in Solothurn ausgeführten Werk.

 

Das Nelkenzeichen ist nicht nur Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer zunftähnlichen Vereinigung, sondern vermutlich auch eine Art Gütezeichen. Tatsächlich erwerben sich die die Nelkenmeister einen guten Ruf und schaffen qualitativ hoch stehende biblische Werke – ausschliesslich für Kirchen.

 

 

   

 

grossmuenster

Hans Leu der Ältere (1460-1507). Ausschnitt aus dem ehemaligen Altarbild der Zwölfbotenkapelle im Grossmünster in Zürich.

 

 

felix-und-regula

Hans Leu der Ältere (1460-1507).Felix und Regula.

 

 

wasserkirche

Hans Leu der Ältere (1460-1507). Wasserkirche am Ende des 15.Jht.

 

 

 

Hans Leu (1460-1507).

Das Martyrium von Felix und Regula

 

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts schafft Hans Leu d.Ä. dieses Altarbild für die Zwölfbotenkapelle im Grossmünster Zürich. Es zeigt das Martyrium der Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula sowie ihres Dieners Exuperantius. Im Hintergrund sind die Fraumünsterabtei, der Wellenbergturm und die Münsterbrücke zu erkennen.

 

Die Heiligen Felix, Regula und Exuperantius sollen auf auf einer Insel in der Limmat enthauptet worden sein. Danach hätten Engel die Leiber der Geköpften – die ihre Köpfe auf dem Arm trugen – genau 40 Ellen den Berg hinaufgetragen, wo sie begraben wurden. Laut der Überlieferung liegt der Richtplatz auf der Insel, auf der später die Wasserkirche errichtet wurde, die damals noch mitten in der Limmat stand.

 

>mehr über die Stadtheiligen Felix und Regula

 

 

Das Werk bestand aus fünf Tafeln. Fragmente davon wurden im >Bildersturm der Reformation gerettet. Nach der Reformation wurden die Tafeln 1566 im unteren Teil beschnitten und durch partielle Übermalung zum vollständigen Stadtpanorama ergänzt. 1936–37 wurden die Heiligenfiguren teilweise freigelegt. Die Tafelfragmente werden heute im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich aufbewahrt.

   

 

hoellensturz

Hans Leu der Ältere (1460-1507). Michael-Altar, Höllensturz und das Jüngste Gericht, 1490. Kunsthaus Zürich.

 

hoellensturz

Höllensturz.

 

juengstes-gericht

Jüngstes Gericht.

 

Hans Leu: Tafeln des Michael-Altars,
Höllensturz und Jüngstes Gericht, 1490

 

Die beiden Tafeln bilden eine Einheit. In beiden ist Erzengel Michael abgebildet, links in einer Rüstung, rechts in einem weissen Gewand als Richter, beide Male mit Schwert bewaffnet.

 

Erzengel Michael war es ja, der Adam und Eva nach dem Sündenfall aus dem Paradies jagte. Hier geht es aber um den Kampf gegen Luzifer. Zusammen mit anderen bewaffneten Engeln bekämpft er eine Reihe von skurrilen Wesen, die den Teufel verkörpern. Wie Leus Zeitgenosse >Hieronymus Bosch (1450-1516) bildet auch der Zürcher Künstler eine Menge von Fantasiegetier ab, Mischwesen aus Menschen und Vögeln, Reptilien mit Flügeln und Fischleiber mit Krallen, allerlei Dämonen, möglichst grauslig. Auch der Drache fehlt nicht, und der schwertschwingende Erzengel drückt ihn mit seinen Füssen zu Boden.

 

In der rechten Tafel wird das Jüngste Gericht dargestellt. Hier malt der Künstler den Erzengel weniger martialisch. Er tritt als Richter auf, der die Guten von den Bösen trennt. Zwar kommen auch hier einige bizarre Tiergestalten vor, aber die wichtigste Botschaft liegt in der Waage der Gerechtigkeit. Diese ist so eindeutig formuliert, dass es allen Gläubigen einleuchten muss: Das zarte betende Persönchen wiegt viel mehr als das Personal des Teufels, das vergebens versucht, mit aller Kraft das Pendel zu ihren Gunsten schwingen zu lassen. Nur die Guten kommen in den Himmel.

 

 

   

 

dämon1

Hans Leu der Ältere (1460-1507). Michael-Altar, Höllensturz und das Jüngste Gericht, 1490.
Detail. Kunsthaus Zürich.

 

daemon2

Detail 2.

 

 

jüngstes-gericht

Detail aus Jüngstem Gericht.

 

 

 

 

Worum geht es beim Höllensturz?

 

Im Wesentlichen geht es um abtrünninge Engel, die sich gegen Gott auflehnen. Gott vertreibt sie schliesslich mit Hilfe von anderen Engeln aus dem Himmel.


Einer der rebellischen Engel heisst Luzifer (lateinischer Name des Morgensterns Venus – wörtlich übersetzt bedeutet er «Lichtträger»). In der christlichen Welt ist Luzifer der «oberste Teufel». Er erfrecht sich, gottgleich zu sein.

 

Das kann Gott nicht dulden, also lässt er Luzifer aus dem Himmel vertreiben. Dafür bedient er sich einiger wehrhafter Engel. Sein Kampfstärkster ist der Erzengel Michael (der in der Kunst stets mit einem Schwert abgebildet ist).

 

Es gibt aber neben Luzifer noch weitere Engel, die sich daneben benehmen und deshalb aus dem Himmel vertrieben werden müssen. Zum Beispiel hat Gott seinen Engeln befohlen, vor Adam, den er eben erschaffen hat, niederzuknien.

 

Der Engel Satan weigert sich, das zu tun. Andere Engel begründen sogar, warum sie vor Menschen nicht niederknien wollen: Weil diese aus niedrigerem Stoff gemacht seien als Engel, und weil die Engel über den Menschen stünden.

 

Oftmals werden Höllensturz und Jüngstes Gericht (auch «Weltgericht») zusammen verarbeitet – wie auch hier in Hans Leus Altartafeln. Hier geht es um die Verdammung der Sünder beim Jüngsten Gericht.

 

 

>mehr über Höllensturz und Jüngstes Gericht

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Hans Leu der Ältere (1460-1507).

Michael-Altar, Höllensturz
und das Jüngste Gericht, 1490.

Kunsthaus Zürich.

 

 

   

 

leu_titel