Eigentlich heisst er Chaim und kommt in einer jüdischen Familie im damals noch russischen Litauen zur Welt. 1909 zieht er nach Paris, wo er sich Jacques nennt. Er studiert an der Ecole des Beaux-Arts und an der Académie Julian. Seine Kontakte zum Kreis der Kubisten um Picasso bleiben nicht ohne Folge – seine ersten Werke geraten kubistisch.
Portrait von Jacques und Berthe Lipchitz,
1916. Gemälde von Amedeo Modigliani
(1884-1920). Art Institute of Chicago.
Beeindruckt ist er von den Arbeiten >Rodins. Wie dieser zieht er später das Modellieren und das Giessen in Bronze der Bildhauerei in Stein vor.
Die erste Einzelausstellung hat Lipchitz 1920 in der Pariser Galerie Léonce Rosenberg. Zwei Jahre später tritt er der Gruppe «Esprit Nouveau» bei, die eine gleichnamige Zeitschrift herausgibt – gegründet von >Le Corbusier und Amadée Ozenfant.
Zwischen 1915 und 1925 schafft der Künstler kubistische Stein-Skulpturen, die er auf blockhafte Formen reduziert. Ab 1925 löst er sich von den kubistischen Formen hin zu «raumdurchlässigen» Werken, die zunehmend organischer werden.
1930 findet seine erste Retrospektive in der Galerie de la Renaissance in Paris statt und 1935 seine erste grosse Ausstellung in der Brummer Gallery in New York. Für die Pariser Weltausstellung 1937 vollendet Lipchitz seinen «Prometheus», für den man ihm eine Goldmedaille verleiht.
Nach der Besetzung von Paris durch die Deutschen flieht er 1941 über Toulouse nach New York.
1952 brennt sein Atelier in New York ab. Die meisten seiner unvollendeten Werke gehen in Flammen auf.
1954 richtet man ihm Retrospektiven in New York und Minneapolis aus. Lipchitz nimmt zweimal (1959 und 1964) an der Documenta in Kassel teil; 1958 sind seine Werke in einer umfassenden Wanderausstellung durch Europa zu sehen. 1960 wird er Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.
Ab 1962 erhält Lipchitz mehrere öffentliche Aufträge in Israel und in den USA, darunter die fünfzehn Meter hohe Bronzeskulptur «Friede auf Erden», die 1969 in Los Angeles eingeweiht wird.
Die Aufstellung seines letzten Werkes für Philadelphia «Regierung des Volkes» erlebt er nicht mehr. Jacques Lipchitz stirbt am 16. Mai 1973 auf Capri.
Er ist in Jerusalem bestattet.
Titelbild:
Jacques Lipchitz (1891-1973).
Le chant des voyelles, 1932.
Kunsthaus Zürich.
Man with Mandolin, 1917.
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1917: Start mit kubistischen Werken
Lipchitz' Kontakte zu Picasso, vor allem aber zum Bildhauer Alexander Archipenko, bringen Lipchitz zum Kubismus. Archipenko (1887-1964) stammt aus der Ukraine und studiert ab 1908 Kunst in der Ecole des Beaux-Arts in Paris. Ab 1911 betreibt er dort eine Kunstschule. 1921 wandert er in die USA aus.
In seinen ersten in Stein gemeisselten Werken reduziert Lipchitz Körper und Köpfe auf einfache, gerade Formen und Blöcke – ganz im Sinne des Kubismus. Einzelne seiner Arbeiten aus dieser Zeit sind zum Teil auch farbig gestaltet.
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Femme couchée et guitare, 1928.Kunsthaus Zürich.
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1928: Femme couchée
Mitte der 20er-Jahre löst er sich langsam vom Kubismus und schafft Skulpturen, die runder und organischer werden, doch nie naturalistisch. Aber als abstrakten Künstler will sich Lipchitz dennoch ganz bewusst nicht definieren.
1932: Chants des voyelles. Ein Charakteristikum seiner Werke ab 1930 ist die offene, «transparente» Form: Man kann durch sie hindurch blicken.
Die im Mirò-Garten des Kunsthauses Zürich platzierte Skulptur ist eine Schenkung der Schweizer Künstlerin und Kunstsammlerin Hélène de Mandrot (1867-1948). Für ihren Garten in Südfrankreich hatte sie «Le chant des voyelles» von Lipchitz gekauft. >mehr
Voyelle steht für Vokal. Was es mit «Vokalen» auf sich hat, und was die Bronzeskulptur genau darstellen soll, bleibt im Dunkeln. Ist es ein Vogel? Ein Engel? Der Künstler schweigt sich aus.
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Prométhée étranglant le vautour, 1936. Centre Pompidou Malaga.
Prometheus erwürgt den Geier. |
1936: Prometheus erwürgt den Geier
So ganz ans Drehbuch hält sich Lipchitz mit dieser Skulptur nicht (und auch nicht bei jener, die im Philadelphia Museum steht, siehe unten).
Eigentlich ist es in der griechischen Mythologie ja nicht Prometheus, der den Adler (oder Geier, je nach Quelle) erwürgt. Ganz im Gegenteil: Der an einen Fels im Kaukasus gefesselte Held wird vom Vogel zerfressen, genauer: Dieser pickt jeden Tag fürs neue an Prometheus Leber rum, die ständig nachwächst. Erlöst wird der gequälte Prometheus dann erst von Herakles, der den bissigen Vogel mit einem Pfeil tötet.
1952 geht Lipchitz' New Yorker Studio in Flammen auf. Fast alle seine unvollendeten Arbeiten werden zerstört. Doch zufällig befindet sich der Original-Prometheus in Gips von 1943 zu dieser Zeit in Philadelphia an einer Ausstellung. Das Philadelphia Museum of Art kauft die Gips-Skulptur und erteilt Lipchitz den Auftrag, den Guss in Bronze zu überwachen. Die fast 2.5 Meter hohe und ebenso breite Bronzeskulptur steht heute auf der Treppe des östlichen Eingangs des Philadelphia Museums of Art.
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Jacques Lipchitz (1891-1973). Peace on Earth, Los Angeles, 1969. Foto Google Earth. |
1969: Peace on Earth
Diese Skulptur wird 1969 beim Music Center in Los Angeles aufgestellt. Der Künstler will damit ein Symbol für den Frieden der Völker setzen – mit Blick auf den damals wütenden Vietnamkrieg. Und als Gebet für Frieden. Er sagt: «Wenn sie keinen Frieden schafft, ist es eine schlechte Skulptur».
Den Frieden bringt sie nicht, aber immerhin ist sie die grösste und schwerste Bronzeskulptur, die Lipchitz je fertigt – sie wiegt zehn Tonnen. Heute ist sie eines der meist fotografierten öffentlichen Kunstwerke von Los Angeles.
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Sculpture at Philadelphia City Hall: Government of the People, 1976. Foto Smallbones, WikiCommons. |
1976: Die Menschenpyramide
Es ist das letzte Werk des Künstlers und heisst «Regierung des Volkes». 1972 wird das Gipsmodell von der Kunstkommission Philadelphia genehmigt. Die Skulptur muss jetzt noch in Italien gegossen werden – aber Lipchitz erlebt die Aufstellung nicht mehr. Er stirbt 1973, und erst drei Jahre später wird das Werk bei der City Hall platziert.
Es zeigt eine auf den Kopf gestellte Pyramide menschlicher Körper, Arme und Beine. An der Basis erkennt man eine Familiengruppe aus Vater, Mutter und Kind - «die Quelle des Lebens», so der Künstler. An der Spitze halten ein Mann und eine Frau eine verschlungene Form hoch, die das Banner von Philadelphia darstellen soll.
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Fotos / Diashow
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