Malew...? Ist das nicht der mit dem schwarzen Quadrat? Genau. Aber Kasimir Malewitsch hat mehr zu bieten. Er spielt die ganze Palette der Stilrichtungen durch, von Realismus über Impressionismus und Fauvismus zum Primitivismus, vom Kubismus zum Kubofuturismus bis hin zum Suprematismus – und dann wieder zurück zum Realismus. Sein letzter abrupter Richtungswechsel erfolgt allerdings nicht freiwillig. Der hat politische Hintergründe: Die Kommunistische Partei unter Stalin lehnt die neue Kunst ab und gängelt die avantgardistischen Künstler – auch Malewitsch.
Selbstportrait 1910-11.
Tretjakow Galerie Moskau.
Malewitsch kommt 1878 in Kiew zur Welt. Seine Eltern sind Polen, die dortin zwangsumgesiedelt wurden. 1896 zieht die Familie nach Kursk weiter. Der Vater arbeitet in der Verwaltung der Eisenbahngesellschaft Kursk-Moskau, in der er für seinen Sohn Kasimir eine Stellung als technischer Zeichner besorgt. Doch Kasimir möchte lieber malen. 1905 zieht er nach Moskau, um dort Malerei zu studieren.
Seine ersten Werke sind naturalistisch. Es folgen Phasen des Impressionismus und des Fauvismus, dann primitivistische Werke mit bäuerlich-ländlichen Szenen. Und dann seine «neue Liebe», der Kubofuturismus (die russische Form der Verbindung Kubismus/Futurismus).
1915 verfasst er sein berühmtestes Manifest:
>Vom Kubismus zum Suprematismus. Sein dazu gehöriges schwarzes Quadrat stellt er in Leningrad in der «Letzten Futuristischen Ausstellung 0,10» erstmals aus. Die magische Zahl 0,10 steht für: Null, weil man nach der «Zerstörung des Alten» wieder bei null beginnen könne, und zehn, weil sich zehn Künstler an der Ausstellung beteiligen. Es sind allerdings vierzehn. Die Ausstellung erhält vernichtende Kritiken, dennoch markiert sie den Durchbruch zur abstrakt-gegenstandslosen Kunst.
1916 wird Malewitsch zur zaristischen Armee einberufen, hat aber das Glück, die Zeit bis zum Kriegsende in einer Schreibstube zu verbringen. Nach dem Krieg (1924-26) kann er als Leiter des «Staatlichen Institutes für Künstlerische Kultur» in Leningrad tätig sein. Er verliert diesen Posten allerdings, weil die stalinistische Ära beginnt.
Die avantgardistischen Künstler werden politisch verfolgt. 1927 darf er endlich ausreisen, zieht nach Berlin und nach Dessau – aber auch in Deutschland haben sich die Zeiten geändert, hier sind die Nazis im Aufwind. Er kehrt wieder nach Russland zurück, wird dort als verpönter Avantgardist politisch drangsaliert und muss am Ende seines Lebens einen künstlerischen Schritt zurück machen: wieder hin zur realistischen Malerei.
Er stirbt am 15. Mai 1935 an Krebs im Alter von nur 57 Jahren in Leningrad. Sein Grab liegt auf dem Gelände seiner Datscha in der Nähe von Moskau, in Nemtschinowka.
Titelbild (Ausschnitt)
Kasimir Malewitsch,
The Woodcutter, 1912.
Stedelijk Museum Amsterdam.
Kasimir Malewitsch (1878-1935). Schwarzes
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Wie war das noch mit dem
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Flowergirl,
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1904: Das Blumenmädchen
Bevor Malewitsch 1905 in Moskau Malerei studiert, ist er ein Autodidakt. Seine Werke, die er als Jugendlicher zusammen mit Kollegen fertigt, sind deshalb zunächst in naturalistischem Stil. Als er 1904 in der Sammlung des Kunstmäzens Sergei Schtschukin in Moksau Arbeiten von Claude Monet sieht, fühlt er sich zum Impressionismus hingezogen. |
Sisters, 1910. Tretjakow Galerie, Moskau. |
1910: Die Schwestern
Solche Bilder entstehen, als Malewitsch nicht nur sein Kunststudium in Moskau abgeschlossen hat, sondern in russischen Museen auch Einblicke in die Werke französischer Künstler wie Manet und Monet gewinnen kann. 1907 stellt er erstmals öffentlich aus, wenn auch nur Skizzen. An dieser Ausstellung des Künstler-Verbandes in Moskau ist auch Wassily Kandinsky vertreten.
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Peasant Woman with Buckets and Child, 1911-12. Stedeijk Museum Amsterdam. |
1911: Die Bäuerin mit Kind
Berührungsängste zu verschiedenen Malstilen kennt er keine – er experimentiert mit allem, was ihm inzwischen bekannt ist.
In diesem Werk verbinden sich Ansätze von Kubismus, Expressionismus, Symbolismus und Primitivismus. Es entstehen in dieser Schaffensphase eine ganze Reihe von ländlich-bäurischen Szenen in diesem Stil.
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The Woodcutter, 1912. Stedelijk Museum Amsterdam. |
1912: Kubismus oder Futurismus?
In Russland in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg nennt man die Zusammenlegung dieser beiden Stile Kubofuturismus. Und Malewitsch ist natürlich wieder mit von der Partie. Typisch für den neuen Stil ist die Aufgliederung von Gegenständen oder menschlichen Körpern in zylindrische Formelemente. Malewitsch ist davon so begeistert, dass er an einem Vortrag in St. Petersburg diesen Stil «als einzig vertretbare Richtung der Kunst» verkauft. Nicht für lange, schon bald hat er neue Ideen, wie die «ideale Malerei» aussehen müsste...
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Suprematismus,
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1915: Weg von der figürlichen Darstellung
Der Kubofuturismus, den Malewitsch so grossartig fand, ist Geschichte. Jetzt sagt er:
«Wenn die Denkgewohnheit verschwunden sein wird, in Bildern das Abbild der Natur, von Madonnen und schamhaften Venusgeschöpfen zu sehen, dann werden wir ein reines Produkt der Malerei erblicken...».
Sein >Suprematismus ist geboren...
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Schnitter, 1919. Wikiart. |
1919: Die Frau mit der Sense
So ganz ohne Figuren scheint es dem Künstler aber nicht wohl zu sein. 1919 folgt Malewitsch einer Einladung von >Marc Chagall nach Witebsk in dessen Volkskunstschule. In Witebsk gründet dann Malewitsch die Gruppe Unowis (Bestätiger der neuen Kunst) – mit der sich Chagall aber nicht anfreunden kann. Chagall verlässt Witebsk und zieht nach Paris.
1924 beginnt die Ära Stalin. Jetzt fällt die russisch-avantgardistische Kunst in Ungnade, Malewitsch verliert seine Stelle an der Witebsker Schule. Er löst sich vom Suprematismus.
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Junge, 1928-32. Russisches Museum
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1927: Kurzauftritt im Bauhaus in Dessau
Malewitsch darf 1927 endlich ausreisen – nach vielen Schwierigkeiten. In Berlin zeigt er seine Werke an der Grossen Kunstausstellung, aber das deutsche Publikum verhält sich abweisend. Nun hofft er, im Bauhaus willkommen zu sein – weil er dort Sinnesgenossen der Avantgarde erwartet. Ein Irrtum. Er wird von Direktor >Gropius mit wenig Begeisterung empfangen und reist enttäuscht wieder ab. Immerhin darf er für das Bauhaus einen Band mit dem Titel «Die gegenstandslose Welt» publizieren. Er kehrt nach Russland zurück.
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Portrait of a record-setter in work productivity, 1932. Wikiart. |
Zurück zur realistischen Malerei
Bis 1929 kann er am «Staatlichen Institut für die Geschichte der Kunst» in Leningrad arbeiten, dann wird es von den Stalinisten geschlossen. Malewitsch hat noch eine Ausstellung in der Tretjakow-Galerie in Moskau, erntet aber überwiegend negative Kritik. 1930 wird es auch für ihn politisch eng. Der unerwünschte Künstler wird von den stalinistischen Behörden festgenommen und zwei Wochen lang verhört.
In seiner letzten künstlerischen Phase, kurz vor seinem Tod 1935, kehrt er zur Malweise realistischer Porträts zurück.
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Fotos / Diashow
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