Man bezeichnet ihn als Vertreter des klassizistischen Barock. Er ist zwar Franzose, verbringt aber den grössten Teil seines Lebens in Rom.
Nicolas Poussin, Selbstporträt 1650.
Musée du Louvre Paris.
Nicolas Poussin kommt 1594 in der Normandie zur Welt. Sein Vater ist ein verarmter Landedelmann und dient in der königlichen Armee als Soldat. Nicolas wird 1611 Gehilfe des Provinzmalers Quentin Varin und zieht dann nach Paris, wo er sich mehrheitlich als Autodidakt weiterbildet.
1622 lernt er den italienischen Dichter Giovanni Battista Marino kennen, der sein erster Förderer wird. Über ihn kommt er mit der griechischen Mythologie in Kontakt. Er illustriert Marinos Epos über Venus und Adonis mit Zeichnungen.
Bereits 1624 verlässt Poussin Frankreich und zieht nach Rom, wo er Kardinal Francesco Barberini kennen lernt (Kunstförderer und Neffe von Papst Urban VIII, Maffeo Barberini, >Palazzo und Galleria Barberini).
Poussins Anfänge in Rom sind allerdings nicht einfach, da hier die Aufträge des Papstes und der Adelsfamilien an bestandene Maler wie Guido Reni oder Pietro da Cortona gehen. Immerhin wird Poussin 1631 in die Accademie di San Luca aufgenommen.
1638 erhält er vom römischen Gelehrten und Kunstmäzen Cassiano dal Pozzo einen Auftrag für eine Serie von sieben Bildern zum Thema «Die sieben Sakramente». Seine Reputation wächst.
Zuhause in Frankreich wird man auf ihn aufmerksam. König Louis XIII beordert ihn 1641 nach Paris zurück, Poussin folgt dem Ruf widerwillig. Der König beauftragt ihn mit der Ausmalung der Grande Salle im Louvre. Für Kardinal Richelieu malt er das allegorische Bild «Die Zeit entzieht die Wahrheit den Angriffen des Neides».
Aber es gibt Spannungen zwischen Poussin und den anderen Künstlern, er fühlt sich am königlichen Hof nicht wohl und reist im Herbst 1642 wieder ab und kehrt – für immer – nach Rom zurück. Nach dem Tod Richelieus (1642) und des Königs (1643) kann er jetzt in Ruhe und nach seinen eigenen Vorstellungen in Rom arbeiten.
Nun konzentriert er sich wieder auf religiöse und mythologische Themen. Als Kunden für solche Werke kann er den Papst Clemens IX sowie französische Botschafter im Vatikan gewinnen, dazu den Bankier Jean Pointel, der ihm zwanzig Bilder abkauft.
Höhepunkt seiner letzten Schaffensperiode ist die Serie der «Vier Jahreszeiten», die ab 1660 entsteht. In seinen letzten Jahren kann er kaum noch arbeiten, er leidet an Parkinson.
Als späte Ehrung erreicht ihn kurz vor seinem Tod noch die Bestätigung durch König Louis XIV, der ihn als «Ersten Maler Frankreichs» ehrt. Nicolas Poussin stirbt am 19. November 1665 in Rom. Er wird in der Kirche San Lorenzo beigesetzt.
Trotz seiner langjährigen Abwesenheit von Frankreich ist sein Einfluss auf die französische Kunst bis heute bedeutend. Er soll etwa 220-260 Gemälde und rund 400 Zeichnungen geschaffen haben.
Titelbild (Ausschnitt)
Nicolas Poussin (1594-1665).
A Bacchanalian Revel before a Term, 1632.
National Gallery London.
Nicolas Poussin (1594-1665). Danse à la musique du Temps (Chronos), 1634. Wallace Collection, London.
Nicolas Poussin (1594-1665). |
Klassizistischer Barock – was ist das?
Der eigentliche Barock (1600-1750) ist eine Art Gegenströmung zum >Manierismus mit seinem teils wirren Bildaufbau und den gekünstelten Posen. Der Barock zeichnet sich durch dramatische, gefühlsbetonte und pompöse Werke mit viel ornamentaler Ausschmückung aus. >Rubens
Der klassizistische Barock ist eine Art «Untergruppe» des Barock und präsentiert sich etwas rationaler und ausgewogener. Er bringt auch hellere und harmonische Farben ins Spiel und bevorzugt «schöne» Darstellungen (im Gegensatz zu den oft düsteren Werken wie zum Beispiel des Barock-Pioniers >Caravaggio).
Nicolas Poussins klassizistischer Barock wird zum Vorbild für die französische Kunst des späten Louis XIII (König von 1610-1643) und der gesamten Ära von Louis XIV (König von 1643-1715).
Auf den Barock folgt Rokoko (1730-1780) und ab 1750 der Klassizismus (bis etwa 1820).
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Nicolas Poussin (1594-1665). Midas und Bacchus, 1624. Alte Pinakothek München. |
1624: Midas und Bacchus
Zur griechischen Mythologie kommt Poussin über den italienischen Dichter Giovanni Battista. Für ihn illustriert er das Epos «Venus und Adonis» und malt danach erste Werke mit mythologischen Themen. «Midas und Bacchus» ist ein Frühwerk des Künstlers aus seiner ersten Zeit in Rom.
Das Thema stammt aus den Metamorphosen des Ovid: Der phrygische König Midas leitet Silen, der sich verlaufen hat, zu Bacchus zurück und soll dafür belohnt werden. Er wünscht sich, dass alles zu Gold wird, was er berührt. Aber von Gold kann er nicht leben. Halb verhungert bittet er bald darauf um Befreiung von dieser fatalen Fähigkeit.
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Nicolas Poussin (1594-1665). Taufe, 1642. National Gallery of Art, Washington.
Priesterweihe, 1636-40. Kimbell Art Museum, Fort Worth Texas.
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1638: Die sieben Sakramente
Vom römischen Gelehrten und Kunstmäzen Cassiano dal Pozzo erhält er den Auftrag, eine siebenteilige Serie zum Thema «Die sieben Sakramente» zu erstellen.
In der Tradition der römisch-katholischen Kirche haben sich sieben Sakramente herausgebildet. Die Zahl sieben wurde am Konzil von Lyon am 6. Juli 1274 festgelegt:
«Die heilige römische Kirche hält fest und lehrt, dass es sieben kirchliche Sakramente sind».
Es sind dies die Taufe, die Firmung, die Eucharistie, die Busse, die Salbung der Kranken, die Priesterweihe und die Ehe.
>mehr über die sieben Sakramente
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Nicolas Poussin (1594-1665). Le Temps soustrait la Vérité aux atteintes de l'Envie et de la Discorde, 1641. Musée du Louvre Paris.
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1641: Kronos rettet die Wahrheit.
Dieses Gemälde wird von Kardinal Richelieu (1585-1642, Erster Minister unter König Louis XIII) in Auftrag gegeben. Schon der Titel ist nicht einfach zu verstehen: «Le Temps soustrait la Vérité aux atteintes de l'Envie et de la Discorde» (Die Zeit entzieht sich den Angriffen von Neid und Zwietracht). Was heisst das?
Das Bild vermittelt erste brauchbare Hinweise: Die nackte Wahrheit wird von Kronos weggetragen. Kronos, der Titan, gilt in der griechischen Mythologie auch als Symbol der Zeit (auch Lebenszeit). Links unten bleibt die Zwietracht zurück (mit Dolch und Feuer) und rechts unten der Neid (verkörpert durch schlechte Gedanken, die in Form von Schlangen aus dem Kopf ragen). Rechts oben der Engel, der die beiden Symbole der Saturn-Sense und des Ouroboros (die Schlange, die sich ihren Schwanz beisst, steht für die Inkarnation). Die Aussage des Bildes heisst also verkürzt: Die Wahrheit steht über allem.
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Nicolas Poussin (1594-1665). Maria Himmelfahrt, 1649-50. Musée du Louvre, Paris. |
1649: Maria Himmelfahrt
Die leibliche Aufnahme der heiligen Jungfrau Maria in den Himmel kommt in der Bibel eigentlich nicht vor, nur in den so genannten apokryphen (=verborgenen) Evangelien. Poussin muss davon Kenntnis gehabt haben. Ein verbindliches päpstliches Dogma wird nämlich erst sehr viel später verkündet: 1950, von Papst Pius XII.
Das dicht gewobene und kompakte Gemälde zeigt am unteren Rand eine Fantasielandschaft, aus der Maria von Engeln auf einer Wolke in den Himmel getragen wird.
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Nicolas Poussin (1594-1665). Vier Jahreszeiten, Frühling, Adam und Eva, 1660. Musée du Louvre Paris.
Sommer mit Ruth und Boas, 1660. Musée du Louvre Paris. |
1660: Die vier Jahreszeiten
In seinen letzten Lebensjahren leidet Poussin an Parkinson, was seine Arbeit erheblich einschränkt. Trotzdem schafft er noch ein vierteiliges Werk, das als sein letztes gilt: «Die vier Jahreszeiten».
Im ersten Gemälde (der Frühling) bildet er eine Szene aus dem Paradies ab, mit Adam und Eva. Das zweite (Sommer) zeigt auf den ersten Blick eine weltliche Szene, aber es hat auch einen biblischen Inhalt: Die Lovestory zwischen Ruth und Boas. Das dritte Bild (Herbst) zeigt die Weintrauben- und Apfelernte; das vierte (Winter) die Sintflut.
Jedes der vier Gemälde misst 118 x 160 cm. Zu Poussins Lebzeiten werden sie als «von seiner Altersschwäche gezeichnet» kritisiert. Nach seinem Tod gehen sie in den Besitz von König Louis XIV über, seither sind sie im Louvre zu sehen.
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Fotos / Diashow
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