Giovan Battista Scultori (1503-1575)


Giovan who? Tatsächlich gehört Scultori zu jenen Künstlern, die man längst vergessen hat. Doch nun wird ihm – sehr spät – doch noch Ehre zuteil. Ihm, dem Geburtshelfer der italienischen Drucktechnik.

 

Im >Palazzo Ducale in Mantova widmet man dem einheimischen Graveur endlich eine Ausstellung
(vom 20. April bis 21. Juli 2024). Gezeigt werden eindrückliche Kupferstiche, die sich durch technische Perfektion, Präzision und Detailreichtum auszeichnen. Es sind vor allem Werke mit biblischen, mythologischen und historischen Themen.

 

Giovan Battista Scultori wird 1503 in Mantua (ev. auch Verona) in eine Künstlerfamilie hinein geboren. Schon sein Vater Giovanni ist Maler. In dessen Werkstatt macht sein Sohn die ersten Schritte in die Kunst, zunächst in die Malerei und Bildhauerei. Bekannt wird er später für seine Stuckarbeiten und vor allem für sein aussergewöhnliches Talent, aufwändige Kupferstiche zu produzieren.

 

Scultori arbeitet auch mit dem einheimischen Maler Giulio Romano (1499-1546) zusammen, insbesondere bei der Dekoration des Palazzo Ducale in Mantua.

 

 

Giulio Romano (1499-1546) und eventuell Giovan
Battista Scultori: Troja-Saal mit dramatischen
Kriegsszenen. Palazzo Ducale Mantova.

 

 

Scultori arbeitet hauptsächlich im Stuckbereich, ist aber auch ein versierter Bildhauer, Graveur, Holzschnitzer und Bronzebearbeiter. Seine Werke entstehen in Mantova, Verona, Trient, Venedig, Rom und vermutlich auch in Deutschland.

 

Seine Aufträge erhält er von Herzögen und Bischöfen, aber auch vom Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, >Karl V. Scultori steht auch in einer langjährigen Verbindung zur Familie >Gonzaga in Mantua.

 

Es heisst, Scultori hätte zeitlebens protestantische Ansichten vertreten und mit Intellektuellen sympathisiert, die sich für eine Kirchenreform stark machten. 1567 wird er deshalb wegen ketzerischer Ansichten vor die römische Inquisition gestellt.

 

Scultoris erstklassige Gravuren und Druckwerke
markieren die Einführung des Kupferstichs im Mantua des 16. Jahrhunderts und bescheren der Stadt eine führende Rolle in der italienischen Kunstproduktion.

 

Scultori stirbt 1575 in Mantua. Bemerkenswert, dass seine Tochter Diana Scultori (1547-1612) als eine der wenigen bekannten weiblichen Kupferstecherinnen der Renaissance das Erbe ihres Vaters fortsetzt.

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Giovan Battista Scultori (1503-1575).

Mars und Venus, Venus stillt Eros, 1539.

Musei Civici Pavia. Palazzo Ducale Mantova.

 

 

 

 

>mehr über den Palazzo Ducale Mantova


 

 

 

 

 

 

 

Giovan Battista Scultori (1503-1575). Mars und Venus, Venus stillt Eros. 1539. Musei Civici Pavia. Palazzo Ducale Mantova.

 

 

Antonio dell Pollaiuolo (1431-1498). Kampf der nackten Männer, 1470-75. Kupfer-stichkabinett Berlin.

 

 

Pionier des italienischen Kupferstichs

 

Giovan Battista Scultori ist Maler, Bildhauer, Holzschnitzer und Bronzeverarbeiter – aber sein Hauptvermächtnis ist der Druck.

 

Der Kupferstich als Medium zur Verbreitung von Kunstwerken kommt zuerst nördlich der Alpen zur Anwendung – in den Niederlanden und Deutschland. Einer der Ersten ist >Albrecht Dürer.

 

In Italien kommt die Technik Mitte des 15. Jhts auf. Hier gehört Antonio del Pollaiuolo (1431-1498) zu den Pionieren. Sein berühmter Kupferstich «Die Schlacht der nackten Männer» von 1470-75 gilt als einer der ersten bedeutenden Kupferstiche in Italien. Auch >Andrea Mantegna (1431-1506) gehört zu den frühen Kupferstechern.

 

Giovan Battista Scultori verwendet in seinen Stichen oftmals Gemälde von Giulio Romano (1499-1546) als Vorlagen. Es sind meist mythologische und religiöse Szenen, er lässt sich aber auch stark von der klassischen Antike inspirieren.

 

Scultoris Arbeiten bestechen durch eine hohe Detailgenauigkeit, insbesondere wenn es um die Darstellung von Rüstungen und Waffen geht. Sie haben deshalb auch eine wichtige historische Bedeutung.

 

>mehr über die Technik des Kupferstiches

 

>ist Dürer der Erfinder der Kunstgrafik?

 

 

Giovan Battista Scultori (1503-1575). David köpft Goliath, 1540. Istituto centrale per la grafica, Roma. Palazzo Ducale Mantova.

 

David köpft Goliath

 

Dieses Motiv könnte Scultori von einem Fresko von Giulio Romano (1499-1546) übernommen haben, das «Der Fall des Riesen» heisst und im Palazzo Ducale von Mantova zu sehen ist (Palazzo Te). An Giovan Scultoris Werk besticht vor allem die ausgeprägte Detailgenauigkeit bei den Rüstungen der Figuren. Ins Auge sticht auch die exaltierte Dramatik des Geschehens.

 

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Giovan Battista Scultori (1503-1575). Herkules und Antaeus, 1536-40. Istituto centrale per la grafica, Roma. Palazzo Ducale Mantova.

 

 

Herkules und Antaeus

 

Herkules kennt jeder. Er ist der Sohn der höchsten griechischen Gottheit Zeus und der sterblichen Alkmene. Herakles wird von Zeus' Gattin Heraverfolgt, weil sie auf den Sohn der Alkmene eifersüchtig ist.

 

Aber wer ist Antaeus? In der antiken Sage ist er ein sechzig Ellen langer Riese, Sohn des Neptun und der Gaia. Immer fordert er Fremde zum Zweikampf auf. Natürlich besiegt er sie immer und erwürgt sie dann. Auch Herkules droht diese Gefahr. Obwohl er Antaeus im Ringkampf mehrmals auf den Erdboden geworfen hat, gewinnt dieser stets neue Kraft von der Erde, die ja seine Mutter ist. Deshalb hievt ihn Herkules in die Höhe und erdrückt ihn in der Luft. Herkules hat aber noch mehr drauf, wie er immer wieder beweisen muss...

 

>mehr über die zwölf Aufgaben des Herkules

 

 

 

Giovan Battista Scultori (1503-1575). Die Gefangenen, 1536-1540. Palazzo Ducale Mantova.

 

 

 

 

Die gequälten Gefangenen

 

Auch dieses Motiv für einen Kupferstich stammt aus einem Fresko von Giulio Romano. Es befindet sich in der «Kammer der Winde» des Palazzo Ducale (Palazzo Te) und ist fast so etwas wie eine Anleitung zur ausbruchsicheren Verwahrung von Gefangenen. Die bedauernswerten «Prigionieri» sind fast nackt und werden mit Stangen und Ketten und unglaublichen Holzkästen «gesichert», in qualvollen Stellungen an die Wand gekettet oder aufgehängt. Grässsliches Mittelalter.


 

Diana Scultori (1547-1612). «Deposizione
di Cristo dalla croce», 1560-65. Istituto centrale
per la grafica, Roma.

 

 

Die erste Kupferstecherin Italiens

 

Es sind nur ganz wenige Frauen bekannt, die sich mit Kupferstichen beschäftigt haben. Eine davon ist die Tochter Scultoris, Diana.

 

Diana ist eine von drei Töchtern der Familie Scultori. Als Frau erhält sie keine formelle Ausbildung, dafür bringt ihr der Vater das Kupferstechen bei.

 

Weil die Scultori auch mit dem Mantuaner Kupferstecher Giorgio Ghisi (1520–1582) eine Verbindung haben, wird Diana manchmal auch Diana Ghisi genannt. Vielleicht hat auch dieser zu ihrer Ausbildung beigetragen. Jedenfalls gilt Diana Scultori heute als die früheste bekannte Druckgrafikerin Italiens.