Henri de Toulouse-Lautrec
(1864-1901)


Toulouse-Lautrec? Ist das nicht der kleinwüchsige Grafensohn, der in Montmartre ein ausschweifendes Leben als Bohémien führte? Und der diese berühmten Moulin-Rouge-Plakate gemalt hat? Ja. Aber als Künstler hat er noch weit mehr drauf...

 

 

toulouse-lautrec

Henri de Toulouse-Lautrec, 1894.
Foto Paul Secau, WikiCommons.

 

 

Eigentlich ist er eine tragische Figur. Er kommt 1864 in Albi im Süden Frankreichs zur Welt und stammt aus allerbestem Haus. Seine Eltern sind die Grafen von Toulouse, man wohnt in Schlössern. Er ist ein verwöhntes, aber fröhliches Kleinkind – und zeichnet gerne. Von Anfang an ist er kränklich, kann die Schule nicht beenden und muss ständig in Heilbäder zur Kur.

 

Er leidet an einer Erbkrankheit, deren Folgen Kleinwüchsigkeit ist. Als er sich mit 13 auch noch beide Beine bricht, ist mit Wachstum Schluss, er bleibt bei 1.52 Meter stehen. Eine denkbar schlechte Voraussetzung, um von der «grossen Gesellschaft» akzeptiert zu werden. Er bleibt zeitlebens ein Aussenseiter und muss seinen eigenen Weg gehen.

 

Immerhin besitzt er eine besondere Begabung: Er zeichnet hervorragend. Deshalb ist es für ihn auch nicht weiter schlimm, dass er die Matura nicht schafft. Er will sowieso Maler werden.

 

Mit 18 nimmt er in Paris das Kunststudium auf. Zuerst im Atelier von Léon Bonnat, dann bei Fernand Cormon.

In Paris lernt er auch die Werke der modernen Künstler kennen, von Degas, Renoir, Manet. Mit 20 zieht er ins Künstlerquartier Montmartre.

 

Ab 1888 entstehen jene Werke, für die er heute weltberühmt ist: Die Szenen von Menschen in den Vergnügungslokalen und aus dem Milieu. In den Cabarets von Montmartre stellt er seine Werke aus. Die Inhaber dieser Lokale mögen seine Kunst, sie wollen Plakate von ihm. Er liefert und entwickelt dabei seinen eigenen Stil, nahe an der Grafik. Topmodern.

 

Der Künstler liebt die Cabaretszene und wird selbst ein Teil von ihr, zudem verkehrt er regelmässig in Bordellen und schafft sich ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Prostituierten.

 

 

 

Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901).

Mit Modell im Studio, 1895. Foto Maurice Guibert, WikiCommons.

 

 

 

An den ausschweifenden Festen von Montmartre mischt er kräftig mit – und übernimmt sich dabei. Schliesslich verfällt er dem Alkohol. 1899 weist ihn seine Mutter, die Gräfin Adèle Tapié de Céleyran, in eine Heilanstalt ein – zur Entziehungskur in Neuilly.

 

Danach kann er wieder arbeiten. In Le Havre, Arcachon und Bordeaux. 1901 kehrt er nach Paris zurück, wo er seine Werke signiert und ordnet. Dann erleidet er einen Lähmungsanfall. Die Mutter holt ihn nach Malromé ins elterliche Schloss. Dort malt er sein letztes Bild: Paul Viaud, verkleidet als Admiral.

 

Mit nur 36 stirbt er am 9. September 1901 auf Schloss Malromé. Seine Eltern sind an seinem Sterbebett. Seine letzte Ruhe findet er auf dem Friedhof von Verdelais. In Albi, seinem Geburtsort, errichtet man ihm 1922 das >Musée Toulouse-Lautrec.

 

 

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)
Henri de Toulouse-Lautrec.
Plakat «Le Divan Japonais», 1893.

Museum of Fine Arts, Boston.

Foto: Google Art Project.

 

pferd

Der Schimmel
«Gazelle», 1881.
Albertina-Batliner
Wien.

 

 

1881: Der Schimmel «Gazelle»

 

Zeichnen und Malen ist seine grosse Begabung. Schon als Jugendlicher malt er gerne Motive, die im Umfeld seines gräflichen Schlosses zu seinem Alltag gehören: Menschen, Pferde, Hunde, Kutschen und Jagd- und Pferdesportszenen.

 

Der taubstumme Tiermaler René Princeteau unterrichtet den jungen Henri und bringt ihm die naturalistische Malkunst bei, was in diesem Werk sehr schön zur Geltung kommt.

 

 

jagd

The Jockeys,
1882. Museo
Thyssen-
Bornemisza,
Madrid.

 

1882: Begeisterung für den Pferdesport

 

Vater Graf Alphonse de Toulouse-Lautrec-Monfa (1838–1913) ist ein fanatischer Reiter und Pferdesportler. Gerne würde er diese Leidenschaft an seinen Sohn weitergegeben, aber durch Henris Beinbrüche ist daran nicht zu denken.

 

Was bleibt, ist Henris Neugier für den Pferdesport – im malerischen Sinne. Sein Frühwerk im Alter von 14 bis 18 Jahren wird von Pferdeszenen dominiert. Dabei bleibt er nicht beim akademischen Malstil, sondern experimentiert auch mit schnellen, groben Pinselstrichen im Sinne der Impressionisten.

 

 

 

valadon

Suzanne Valadon, Geule
de bois, 1888.
Fogg Museum
Cambridge.

 

1888: Suzanne Valadon – Modell und Geliebte

 

Eigentlich heisst sie Marie-Clémentine, aber Henri verpasst ihr den Künstlernamen Suzanne. In seinem Atelier in Montmartre – wo der Künstler seit 1884 wohnt – steht sie ihm Modell. Dann entsteht eine Liebesaffaire zwischen den beiden. Diese endet aber, als sie von ihm die Heirat verlangt. Es heisst, sie hätte ihm mit Selbstmord gedroht, falls er sie nicht heirate. Das tut er trotzdem nicht, die Beziehung zerbricht.

 

>mehr über Suzanne Valadon

 

 

 

marcelle

At he Moulin
Rouge, The
Dance, 1890.
Philadelphia
Museum of Art.

 

moulin-rouge

Au Moulin Rouge,
1892-1895. Art
Institute Chicago.
Google Art Project.

 

 

1892: Au Moulin Rouge in Montmartre

 

Als Toulouse-Lautrec 1884 nach Montmartre kommt, gibt es das heute weltberühmte Variété «Moulin Rouge» noch gar nicht. An seiner Stelle steht noch das Tanzlokal «Reine Blanche», das später abgerissen wird.

 

Der Künstler wohnt ganz in der Nähe der Place Blanche und ist vom quirligen Nachtleben in Montmartre hingerissen. Die dort stattfindenden Feiern, Gelage und Ausschweifungen aller Art sind legendär. Toulouse-Lautrec macht dabei nicht nur begeistert mit, er hält die Stimmungen in den Cabarets mit Zeichnungen und Gemälden fest. Es entstehen zahllose Werke in dieser Phase.

 

Das «Moulin Rouge» ist zwar das berühmteste Unterhaltungslokal von Monmartre, aber bei weitem nicht das erste. Es wird erst 1889 eröffnet – im selben Jahr wie der Eiffelturm.

 

>mehr über die Künstler von Montmartre

 

 

 

bruant

Plakat
Ambassadeurs,
Aristide Bruant,
1892. Foto The Yorck Project.

 

 

 

goulue

La Goulue, 1892.
Foto Wiki- Commons.

 

 

1892: Die berühmten Montmartre-Plakate

 

In Montmartres Lokalen finden auch Ausstellungen von Toulouse-Lautrecs Werken statt. Das verschafft ihm Kontakte. Und auch Aufträge. Die Stars der Belle Époque und die Lokalbesitzer wollen Plakate von ihm; Zeitungen bestellen Illustrationen.

 

Einer der grossen Stars unter den Chansonniers ist Aristide Bruant. Er tritt zunächst in diversen Lokalen auf (z.B. im Club Le Chat Noir) und ist so erfolgreich, dass er schon bald seinen eigenen Klub eröffnen kann, das «Mirliton» (die Flöte). Bruant und Toulouse-Lautrec verbindet nicht nur das Geschäft, sondern auch eine Freundschaft.

 

 

La Goulue – die Cancan-Tänzerin

 

Sie ist ein Superstar im Moulin Rouge und begeistert die Zuschauer mit ihren exklusiven Tanzeinlagen. Schwarze Seidenstrümpfen, Jupons aus Spitze. Sie zeigt dem entzückten Publkum ihr Höschen und die Rosette am Strumpfband – was für ein Aufreger für damalige Zeiten! Der Herr im Vordergrund auf dem Plakat – als grauer Schatten – ist ihr Tanzpartner Valentin le Désossé. 1895 verlässt sie das Moulin Rouge und kauft sich eine Jahrmarktsbude, in der sie orientalische Tänze darbietet. Dann heiratet sie den Artisten José Droxler und arbeitet mit ihm als Tierbändigerin.

 

 

 

Rue des Moulins, 1894. National Gallery of Art Washington.

 

 

Einblick ins Leben im Bordell

 

Der Künstler hat einen guten Bezug zu den Bordellen Montmartres. Er verbringt viel Zeit mit den Prostituierten und baut ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Frauen auf, er wird gewissermassen selbst Teil des Bordells. Hier wird er voll akzeptiert, was in der feinen Gesellschaft weniger der Fall ist, dort wird er oft als Aussenseiter behandelt. Durch die Nähe zu den Bordellen entstehen zahllose Zeichnungen und Gemälde mit Prostituierten.

 

>mehr

 

 

elles

Frontispice d'Elles, 1896. Kunsthaus Zug, Sammlung Kamm.

 

Ein Flair für japanische Kunst

 

Wie viele französische Künstler seiner Epoche begeistert er sich für die japanische Kunst und lässt deren Maltechnik in seine Werke einfliessen. Vor allem die erotischen Farb-Holzschnitte (shunga) dienen ihm als willkommene Inspiration.

 

Er sammelt auch japanische Objekte wie Rollbilder und Waffen. Mit Van Gogh diskutiert er über die japanische Malerei, bestellte seine Pinsel und Tuschen in Japan. Mit seinem Händler tauscht er eigene Werke gegen Holzsschnitte von Hokusai, Hiroshige, Utamaro, Toyokuni, Kiyonanga und Harunobu aus.

 

>mehr über Japonismus

 

 

 

pianistin

Misia Natanson
am Flügel, 1897.
Kunstmuseum
Bern.

 

1897: Misia Natanson ...alias Misia Sert

 

In diesem Gemälde zeigt Toulouse-Lautrec, dass er nicht nur seinen berühmten grafisch-plakativen Stil beherrscht, sondern auch Gemälde im Stil eines Renoirs hervorbringen kann.

 

Wer ist diese Misia? Eine Muse von zahlreichen Künstlern und Literaten wie Renoir, Bonnard, Toulouse-Lautrec, Zola, Proust, Cocteau u.a., die sie in Gemälden und Romanen verewigen. Sie stammt aus St. Petersburg und ist zuerst mit Tadeusz Natanson verheiratet, dann mit dem Millionär Alfred Edwards. Ihr dritter Ehemann ist der spanische Maler Josep Maria Sert.

 

 

admiral_viaud

Admiral Paul
Viaud, 1901. Sao
Paulo Museum
of Art.

 

1901: Sein letztes Gemälde

 

1899 wird er für drei Monate in die Heilanstalt von Neuilly eingeliefert. Die Mutter veranlasst, dass er von einem Freund der Familie, Paul Viaud, begleitet und beaufsichtigt wird. Es gelingt diesem nicht, den Patienten vom Trinken abzuhalten. Depressionen und Wahnvorstellungen bleiben. Toulouse-Lautrec malt sein leztes Bild. Es ist Paul Viaud im Kostüm eines Admirals.

 

more

 

Fotos / Diashow

 

   
   

 

toulouse-lautrec_titel