Wer die grossartigen Stimmungsbilder Turners
geniessen will, kommt um London nicht herum. Dort ist Englands bedeutendster Künstler der Romantik auch geboren. Nahe der Themse. Kein Wunder, haben ihn Schiffe und Wasser ein Leben lang fasziniert. Und Meer, Wolken, Stürme, Dramen.
Joseph Mallord William Turner im Alter von
24 Jahren (1799). Tate Britain Gallery.
Sein Vater, ein Barbier, erkennt das Talent seines Sohnes rasch und stellt Williams Zeichnungen in seinem Coiffeursalon aus. Mit Erfolg. Man wird auf den erst 14-Jährigen aufmerksam und gibt ihm ein Stipendium für die Royal Academy. Dort erlernt er topographisches Zeichnen und die Ölmalerei. Seine Vorbilder sind zunächst Claude Lorrain und niederländische Landschaftsmaler. Er kombiniert auch gerne Landschaft mit antiken Szenerien.
1802 reist er durch Frankreich und die Schweiz. Er findet zu einem neuen Stil der Landschaftsmalerei: Nicht mehr so detailgetreu, weniger naturalistisch, dafür mit viel Stimmung. Durch schnell gesetzte Striche, so wie dies die kommenden Impressionisten tun werden. Er ist der Zeit voraus, wird heftig für seinen neuen Malstil kritisiert. Doch er setzt sich durch, verkauft seine Werke gut und kann sich eine eigene Galerie leisten. Damit hat er seine persönliche permanente Ausstellung. Ein Novum für die damalige Epoche.
Ab 1819 ist er viel auf Reisen. Italien tut es ihm besonders an. Er ist beeindruckt von Rom, Neapel, Venedig. Bringt 2000 Skizzen nach Hause, die er später in London weiter verarbeitet. Seine Begeisterung für Meer und Schiffe ist ungebrochen. Und für Dramen aller Art: Feuersbrünste, Schiffbrüche, Naturkatastrophen. Dabei versucht er stets, dem Geschehen so nahe wie möglich zu sein. Man sieht es seinen Werken an.
Seine stärksten Arbeiten schafft er in den letzten Lebensjahren, obwohl er da – ab 70 gesundheitlich schon angeschlagen – ziemlich mürrisch, schrullig und schweigsam wird. Sein Privatleben hält er bewusst unter Verschluss. Er stirbt mit 76 Jahren im Londoner Stadtteil Chelsea und hinterlässt rund 20'000 Werke. Sein Vermögen will er in eine Stiftung für notleidende Künstler einfliessen lassen, aber die Erben fechten sein Testament vor Gericht an.
Seit 1984 verleiht die Tate Gallery einen Turner Prize, der mit 25'000 Pfund für den Sieger dotiert ist. Er gilt als der bedeutendste Kunstpreis Grossbritanniens und geht alljährlich an Künstler, die jünger als 50 sein müssen.
Titelbild (Ausschnitt)
William Turner (1775-1851).
Calais Pier, An English Packet Arriving, 1803.
National Gallery London.
>mehr über Turner (Ausstellung Luzern 2019)
William Turner (1775-1851). Fishermen at Sea, 1796. Tate Britain Gallery, London. |
1796: Fishermen at Sea
Dies ist das erste Ölgemälde, das Turner in der Royal Academy ausstellen kann. Es ist der Grundstein zur Anerkennung als Maler. Drei Jahre später ist er bereits «ausserordentliches Mitglied» der Royal Academy of Arts. Das Gemälde zeigt Fischer im Mondlicht vor der Küste von Isle of Wight. Tate Britain Gallery, London.
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William Turner (1775-1851). Shipwreck, 1801. Tate Britain Gallery, London. |
1801: Meer. Sturm. Seenot. Drama.
Die Lieblingsthemen William Turners. Er ist immer zur Stelle, wenn es gefährlich wird. So nah wie nur möglich.
In diesem Bild «Shipwreck» schildert er den dramatischen Überlebenskampf der Seeleute im Sturm. Tate Britain Gallery, London.
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Vierwaldstättersee
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1802: Reise in die Schweizer Alpen
Auf seinem Weg durch die Schweiz und über die Alpen kommt er auch am Vierwaldstättersee vorbei und malt dann mehrere Ansichten der Schweiz. Ein interessantes dokumentarisches Werk ist auch die Teufelsbrücke am Gotthard aus dem Jahr 1806.
Die Schweiz bereist er mehrmals, auch 1836 bis 1844 wieder. Mit seinen «Schweizer Bildern» ändert sich sein Malstil. Es ist jetzt eine Mischung aus Naturalismus und viel Stimmung, aber noch kein Impressionismus.
>mehr Schweizer Gemälde von Turner
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Ist Turner ein Impressionist?
Nicht wirklich. Er wird zwar manchmal als «Vorläufer der Impressionisten» bezeichnet. Das mag zutreffen. Zum Impressionisten fehlen aber wichtige Kriterien. Vor allem war Turner kein «plein-air»-Maler. In der Regel fertigte er Skizzen vor Ort und malte dann die Bilder nach diesen im Atelier. Zu seiner Zeit gab es noch keine >Tubenfarben, die kamen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Diese waren aber Voraussetzung für die schnelle Arbeit im Freien.
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1812: Hannibal im Schneesturm in den Alpen
Die Alpen Frankreichs und der Schweiz inspirieren ihn zu diesem Werk «Snow Storm, Hannibal and his Army Crossing the Alps». 1812.
Das Gemälde wird von der stürmischen Stimmung beherrscht. Aber der Künstler zeigt auch die Menschen im Kampf mit der Natur – und gegen sich. Ganz im Hintergrund ist – winzig klein – ein Elefant zu erkennen. Tate Britain Gallery, London. |
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1819: Der St-Petersdom in Rom
Turner ist schon über 40, als er erstmals Rom besucht. Dort skizziert er eine Reihe von Ansichten der Stadt und der Landschaft. Dieses Aquarell «St Peters Church Rome» entsteht 1819. Zu sehen im British Museum London.
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1831: Das blaue Seenot-Signal
Der Titel dieses Gemäldes lautet «Life-Boat and Manby Apparatus going off to a stranded Vessel making signal of Distress (blue lights)». 1831. Victoria and Albert Museum, London.
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1834: The Burning
«The Burning of the Houses of Lords and Commons», 1834. Turner ist einer von tausenden Zeitzeugen dieses Dramas. Er fertigte vor Ort Skizzen an und verarbeitet diese später zu Gemälden. Philadelphia Museum of Art.
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William Turner (1775-1851). The Fighting Temeraire, 1838. National Gallery London. |
1838: The Fighting Temeraire
Die «Temeraire» zeichnete sich in der Schlacht von Trafalgar 1805 aus, aber seit 1830 werden solche Segler durch moderne Dampfschiffe ersetzt. Turner zeigt den Moment, wo die Temeraire von einem modernen Dampfer zu ihrem letzten Hafen geschleppt wird, um abgewrackt zu werden.
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William Turner (1775-1851). «War. The Exile and the Rock Limpet», 1842. Tate Britain Gallery, London. |
1842: Napoleon im Exil auf St. Helena
Zwei Jahre vor der Entstehung dieses Gemäldes wurde der Leichnam Napoleons von St. Helena nach Paris überführt (1840). Dies muss Turner veranlasst haben, dem Empéreur die Ehre zu erweisen. Der Ex-Kaiser steht verloren da, hinter ihm ein englischer Wachsoldat. >mehr über Napoleon
Die Szenerie müsste eigentlich auf St. Helena spielen, aber da gab es keine Burgen. Es ist also eine Fiktion.
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William Turner (1775-1851). Rain, Steam and Speed – The Great Western Railway, 1844. Detail. National Gallery London.
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1844: Regen, Dampf und Geschwindigkeit
«Rain, Steam and Speed – The Great Western Railway». 1844. Turner ist auch fasziniert von den neuen Errungenschaften der Technik.
Die Idee zu diesem Bild soll ihm gekommen sein, als er einmal auf einer Eisenbahnfahrt bei Regen den Kopf aus dem Fenster streckt.
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Fotos mit Detailaufnahmen
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Sonderausstellung |
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Turner – das Meer und die Alpen.
Ausstellung im Kunstmuseum Luzern vom
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