Ausstellung «Aristide Maillol – Suche nach Harmonie»
Kunsthaus Zürich vom 7.10.22 bis 22.1.2023

 

Aristide Maillol (1861-1944)
– vom Maler zum Bildhauerstar


Die Ausstellung dürfte so manchen Kunstfan ziemlich überraschen: Maillol kennt man doch vor allem als Bildhauer – als berühmtesten Franzosen hinter dem zwanzig Jahre älteren >Auguste Rodin – und plötzlich steht man da vor eindrucksvollen Gemälden des Künstlers. Diese hat er in seiner Frühzeit geschaffen.

«Wenn ich auch kein Maler geworden bin, so hat mich
die Malerei doch viel gelehrt», bemerkte Maillol am Ende seiner (Bildhauer)Karriere 1937.

 

 

Ausstellungsplakat.

 

 

Die Ausstellung im Chipperfieldbau des Kunsthauses Zürich zeigt – wunderschön präsentiert – über 140 Werke, die aus bedeutenden Museen Europas stammen. Zu sehen sind fast alle Hauptwerke des Künstlers, darunter die berühmten Skulpturen wie La Montagne, das Monument à Claude Debussy, La Nuit, La Méditerranée, L'Air, La Rivière etc. und dazu eine Reihe von weiteren Skulpturen, die zwar weniger bekannt sind – aber nicht minder bemerkenswert.

 

 

Aristide Maillol (1861-1944).

La Musique, Monument à Claude
Debussy, 1932. Musée Ducastel-
Vera, Saint-Germain-en-Laye.

 

 

Maillols beeindruckende Gemälde stammen aus seiner frühen Epoche – als er tatsächlich noch Maler werden wollte. Allerdings sind seine Gemälde ausserhalb Frankreichs bislang wenig bekannt geworden, umso überraschender und erstaunlicher kommen sie jetzt in dieser Ausstellung in Zürich an.

 

 

Aristide Maillol (1861-1944).

Selbstporträt 1884. Musée Maillol Paris.

 

 

Aristide Maillol (1861-1944).

La Vague, 1894. Petit Palais Paris.

 

 

Die bedeutendsten Werke stammen aus dem Musée d'Orsay Paris, dem Musée Maillol und aus der Sammlung der Fondation Dina Vierny Paris. >Wer ist Dina Vierny?

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Musée d'Orsay und La Piscine, Musée d'art et d'industrie André Diligent in Roubaix.

 

 

 

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Titelbild

Aristide Maillol (1861-1944).

>L'Air, 1938-39. Gipsmodell.

Musée Maillol Paris.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1890-Aristide Maillol (1861-1944). L'Enfant couronné, 1890-92. Musée Maillol Paris.

 

Aristide Maillol (1861-1944). Femme à l'ombrelle, 1892. Musée d'Orsay Paris.

 

 

Aristide Maillol – der Maler

 

Geboren ist Aristide Maillol in Banyuls-sur-Mer, einem Fischerdörfchen am Mittelmeer an der französisch-spanischen Grenze. Seine Muttersprache ist katalanisch, Französisch spricht er mit spanischem Akzent. Seine Familie besitzt einen Weinberg.

 

Als er 1882 nach Paris kommt, will er Maler werden. Er studiert zunächst im Atelier des Historienmalers Alexandre Cabanel, 1885 wird er an der École des Beaux-Arts in Paris aufgenommen.

 

Sein erstes bekanntes Werk ist ein Selbstbildnis aus dem Jahr 1884 (Spalte links). In den folgenden Jahren malt er hauptsächlich Landschaften.

 

Dann wendet er sich einem radikal neuen Ansatz zu und malt ebene Farbflächen wie zum Beispiel im Werk L'Enfant couronné von 1890. Dabei verzichtet er auf jegliche Perspektive, dafür baut er dekorative Elemente ein. In einigen seiner Werke experimentiert er auch mit dem >Divisionismus.


Er malt auch Porträts, in der Regel sind es Brustbilder mit extravaganten Hüten, aber gelegentlich auch ganzfigurige und in grossen Formaten, wie die Femme à l'ombrelle von 1892.

 

 

   

 

Aristide Maillol (1861-1944). Femme nue assise, étude pour Méditerranée, 1900-04. Privatsammlung.

 

 

 

1900: Start in die Bildhauerei

 

In seinen Anfängen als Bildhauer fertigt Maillol geschnitzte Reliefs, dann Holzfiguren, später kleine Statuen aus Gips.

 

1904 erteilt ihm >Harry Graf Kessler den Auftrag für eine steinerne Skulptur einer sitzenden Frau. Fünfzehn Jahre später bestellt der französische
Staat bei Maillol eine Marmorversion dieses Sujets. Der Künstler nennt sie nun: >La Mediterranée und sagt dazu: «Die Idee war, eine junge, reine, leuchtende Figur zu schaffen... ist das nicht der eigentliche mediterrane Geist?»

 

 

Aristide Maillol (1861-1944). La nuit (Gipsmodell), 1909. Musée Maillol Paris.

 

 

 

Aristide Maillol (1861-1944). Le Cycliste, 1907-08. Kunstmuseum Basel.

 

 

Madame Maillol und die Modelle

 

Nach Modellen sucht Maillol nicht lange – dafür hat er ja seine Ehefrau Clotilde Narcis. Sie steht ihm für seine frühen monumentalen Werke Modell: Für La Méditerranée, La Nuit und L'Action enchaînée.

 

Dazu der Künstler: «Ich habe eine kleine Frau geheiratet. Ich habe immer kurze Beine vor Augen gehabt. Deshalb suchte ich die Harmonie der kurzen Beine. Wäre ich mit einer langbeinigen Pariserin verheiratet, dann hätte ich vielleicht die Harmonie der langen Beine gesucht».

 

Oft bittet er auch seine Hausangestellten, für ihn Modell zu sitzen, um den menschlichen Körper zu studieren. Manchmal bildet er auch Synthesen aus mehreren Körpern.

 

Offenbar träumt er aber vom «idealen Modell». 1907 sagt er: «Wenn ich das Modell gefunden habe, das perfekt zu mir passt, werde ich vier oder fünf Jahre lang daran arbeiten, eine Statue von ihr zu schaffen. So schafft man schöne Dinge, so haben es die Griechen gemacht.» Sein ideales Modell findet er dann im Alter von 73 Jahren: >Dina Vierny


Männliche Skulpturen bilden die Ausnahme. Eine heisst Le Cycliste und stellt den Radrennfahrer und Jockey Gaston Colin dar.

 

 

 

Aristide Maillol (1861-1944). L'Action enchaînée, monument à Auguste Blanqui, 1907. Musée d'Orsay Paris.

 

Das Skandal-Monument


In der Julirevolution von 1830 spielt der Revoluzzer Auguste Blanqui (1805-1881) eine tragende Rolle und ist am Sturz von König Charles X beteiligt.
1839 wird er gefasst und zu lebenslanger Haft im berüchtigten Gefängnis auf Mont-Saint-Michel verurteilt. Nach neun Jahren wird er begnadigt, aber...

 

...nun macht er als Wortführer der Linken im Pariser Juniaufstand von 1848 weiter. Dafür landet er erneut im Kerker. Weil er eine beachtliche Zeit seines Lebens im Gefängnis verbringt, verpasst man ihm den Spitznamen «L'enfermé», der Eingesperrte.

 

Maillol nennt seine Skulptur L'Action enchaînée (die gefesselte Aktion). Dass er den aufmüpfigen Revoluzzer aber als Frau darstellt, kommt nicht gut an. Sein Werk löst einen Skandal aus. Bewundert wird es dennoch: Wegen seiner ausgeprägten kraftvollen Dynamik.

 

 

 

Aristide Maillol (1861-1944). Monument à Cézanne, 1907-25. Kunsthaus Zürich.

 

Hommage à Cézanne

 

Auch bei der grossen Leitfigur der Modernen Kunst, >Paul Cézanne, entscheidet sich Maillol für eine weibliche Allegorie. Er fertigt dafür zahlreiche Studien an. Das Original aus rosafarbenem Marmor befindet sich im Musée d'Orsay Paris. Davon wurden mehrere Bronze-Güsse erstellt, eine davon ist permanent im Kunsthaus Zürich zu sehen, eine weitere im Jardin des Tuileries in Paris.

 

 

Aristide Maillol (1861-1944).
La Musique. Monument à Claude Debussy, 1932. Musée Ducastel-Vera, Saint-Germain-
en-Laye.

 

Das einzige Musik-Denkmal Maillols

 

Der berühmte französische Komponist Claude Debussy (1862-1918) ist ein Zeitgenosse von Maillol und stammt aus Saint-Germain-en-Laye. Das dortige Komitee möchte ihm ein Denkmal errichten und fragt zuerst den musik-affinen Antoine Bourdelle an, es kommt aber zu keiner Zusammenarbeit.

 

Nun wendet man sich an Aristide Maillol. Dessen Musikgeschmack reicht von Bach und Mozart bis zu zeitgenössischem Jazz – aber von Debussy hat er noch nie gehört. Dennoch packt er die Gelegenheit, sich zum ersten und einzigen Mal in seiner Karriere mit dem Thema Musik zu beschäftigen.

 

Der Künstler entscheidet sich erneut für eine weibliche Figur. Ihr Kopf ist leicht gesenkt, als würde sie einer Melodie lauschen. Ob ihre etwas spezielle Sitzhaltung einen entspannten Musikgenuss erlaubt, ist eine andere Frage.

 

 

Aristide Maillol (1861-1944). La Montagne, 1937. Musée d'Orsay Paris.

 

Aristide Maillol (1861-1944). La Rivière, 1938-43. Gips.Musée Maillol Paris.

 

Dina Vierny – des Künstlers Idealmodell

 

1934 – da ist Maillol bereits 73-jährig – findet er sein Idealmodell. Es ist die erst 15-jährige Dina, die mit ihren Eltern aus Moldavien nach Paris gereist ist. Dina posiert für die Skulpturen La Montagne, La Rivière und für sein letztes grosses Werk, Harmonie. Das Monumentalwerk «Der Berg» (La Montagne) ist eine Entwicklung aus der Figur «La Méditerranée» und verkörpert den «Berg und den Wind» – in fast doppelter Lebensgrösse.


Seine Muse und Modell Dina wird zu einem wichtigen Teil in Maillols Leben – bis zu seinem Tod 1944. Er stirbt bei einem Autounfall. Nach seinem Tod betätigt sich Dina Vierny als Kunstsammlerin. Sie sammelt nicht nur Werke von Maillol, sondern auch von Henri Matisse und Pierre Bonnard – für die sie ebenfalls Modell steht. 1995 gründet sie in Paris das Musée Maillol. Sie wird 90 Jahre alt und stirbt 2009 in Paris.

 

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Ausstellung Kunsthaus Zürich 2022

 

 

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