Ausstellung «Suzanne Duchamp – Retrospektive». Kunsthaus Zürich, 6.6. bis 7.9.2025.

 

 

Suzanne Duchamp (1889-1963)

 

Denkt man beim Namen Duchamp nicht ganz automatisch an das legendäre «Pissoir», das der berühmte Dadakünstler Marcel Duchamp «Fountain» nannte? >Marcel Duchamp ist der ältere Bruder von Suzanne Duchamp.

 

 

Suzanne Duchamp (1889-1963) um 1925.

Fotografie von Man Ray (1890-1976).

Centre Pompidou Paris.

 

 

Suzanne Duchamp-Crotti (1889–1963) wird in der Normandie in eine Künstlerfamilie geboren. Drei ihrer Brüder sind auch künstlerisch tätig. Neben Marcel Duchamp gibt es da noch Gaston, der sich Jacques Villon (1875-1963) nennt, und den Bildhauer Raymond Duchamp-Villon (1876-1918).


Suzanne studiert an der École des Beaux-Arts in Rouen. In ihrer frühen Schaffensphase ist sie im Intimismus, Fauvismus und Kubismus unterwegs. Während dem Ersten Weltkrieg engagiert sie sich in der Pariser Dada-Bewegung mit Malerei, Collage, Text und Performance und setzt sich mit der gesellschaftlichen Rolle der Frau auseinander.

 

Suzanne Duchamp stellt erstmals 1910 bei der «Société Normande de Peinture Moderne» in Rouen aus und dann 1912 beim Salon des >Indépendants in Paris.

 

An regelmässsigen wöchentlichen Treffen in Puteaux (Paris) trifft Suzanne auf Künstler und Schriftstellerinnen wie Marcel Duchamp, Guillaume Apollinaire, Marie Laurencin, Francis Picabia, Gabrielle Buffet-Picabia und Jean Crotti.

 

 

Ausstellungsplakat

 


1919 heiratet Duchamp den französisch-schweizerischen Maler Jean Crotti (1878-1958). Crotti stammt aus Bulle und studiert zunächst an der Kunstgewerbeschule in München und später an der renommierten Académie Julian in Paris, wo er mit Impressionismus, Fauvismus, Jugendstil und später Kubismus in Berührung kommt.


Für Suzanne Duchamp spielt die Frau als Künstlerin eine bedeutende Rolle – insbesondere in der von Männern dominierten Avantgarde-Szene. Deshalb bevorzugt sie Ausstellungen, die bewusst Frauen in der Kunst fördern. Sie ist auch Mitglied in der «Union des Femmes Peintres et Sculpteurs».

 

Ab 1926 werden Suzanne Duchamps Arbeiten erstmals in den USA gezeigt. So in der «International Exhibition of Modern Art Assembled by Société Anonyme» im Brooklyn Museum in New York. Organisatorin dieser Ausstellung ist die amerikanische Künstlerin und Kunstsammlerin Katherine S. Dreier. Diese fördert Suzanne Duchamps Kunst in den USA.

 

Den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) verbringt das Ehepaar Duchamp/Crotti zum grössten Teil im unbesetzten Süden Frankreichs. In dieser Phase konzentriert sich Suzanne auf Landschaftsmalerei. In ihrer Spätphase ab 1958 malt sie auch abstrakte Werke.


Suzanne Duchamp stirbt am 11. September 1963 in Neuilly-sur-Seine, Paris. Heute wird sie vor allem als Dada-Künstlerin und als Pionierin der weiblichen Avantgarde wahrgenommen.

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Suzanne Duchamp (1889-1963). Ariette
d'oubli de la chapelle étourdie, 1920.

Philadelphia Museum of Art.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Suzanne Duchamp (1889-1963). Jeune fille au chien, 1912. Centre Pompidou Paris.

 

 

1910-1913: Kubistische Frühwerke

 

Mit 16 Jahren schreibt sich Suzanne Duchamp 1905 an der Ecole des Beaux-Arts in Rouen ein. Ihr Bruder >Marcel Duchamp lebt zu jener Zeit in Paris, und über ihn findet Suzanne auch Zugang zur Pariser Kunstszene.

 

Ab 1910 zeigt sie ihre frühen Arbeiten in Rouen, dann in Paris im >Salon des Indépendants und 1912 im Salon de la Section d'Or, einer bedeutenden Schau des Kubismus, organisiert von Jacques Villon (ein weiterer Bruder von Suzanne) und >Francis Picabia. Suzannes Motive in jener Phase sind vor allem häusliche Intérieurs und Stadtlandschaften, ihr Malstil ist kubistisch geprägt.

 

Suzanne Duchamp (1889-1963). Radiation de deux seuls éloignés, 1916. The Blutt Collection.

 

 

 

1914-1921: Avantgarde und Dada

 

Im Ersten Weltkrieg 1914-18 arbeitet Duchamp als
Krankenschwester in einem Militärhospital. Ihre ersten Dada-Werke entstehen 1916, zum Beispiel «Radiation de deux seuls éloignés». Das Bild ist nicht einfach zu verstehen – Hintergrund sind die so genannten Ready-Mades ihres Bruders Marcel:

 

Ihr älterer Bruder >Marcel Duchamp ist ja der Erfinder der Readymade-Kunst. Suzanne Duchamp konzipiert nun ein Ready-Made-Bild – eine Mischung aus Gemälde und Collage mit Alufolie, Glasperlen, Schnüren etc.

 

Der Titel des Werkes ist ziemlich kryptisch und passt in die Dada-Zeit. Die Übersetzung in «Strahlung zweier einzelner Teilchen, die sich entfernen», bringt einen nicht wirklich weiter. Dada eben. Das Werk selbst könnte man aber auch als eine Hommage an ihren «Readymade-Bruder» verstehen.

 

>mehr über Dada

 

 

Suzanne Duchamp (1889-1963). Autoportrait, 1922. Collection privée.

 

Suzanne Duchamp (1889-1963). Le paradis terrestre, 1924. Collection privée.

 

Suzanne Duchamp (1889-1963). Soubrette dans le jardin, 1923. Collection of Jon and Joanne Hendricks.

 

 

1922-1938: Mehr Figuratives

 

Ab 1922 ist in Suzanne Duchamps Kunst eine deutliche Hinwendung zur Figuration erkennbar. Ihr Stil oszilliert jetzt zwischen neuer Sachlichkeit und naiver Malerei.

 

1926 kann Duchamp ihre Werke erstmals in den USA präsentieren: An einer Gruppenausstellung im Brooklyn Museum New York. 1933 bekommt sie hier sogar eine Einzelausstellung. Organisiert wird das alles durch eine Kunstsammlerin, die Duchamp fördert: Katherine S. Dreier (1877-1952). Suzanne Duchamp selbst ist bei den Ausstellungen nicht anwesend, sie schickt nur ihre Werke über den Atlantik.

 

Wer ist Katherine S. Dreier? Sie gehört einer wohlhabenden deutschstämmigen Familie an und kann es sich leisten, als Kunstsammlerin und Kunstmäzenin aufzutreten. Kunst studiert sie in Paris und London. 1913 stellt sie auf der berühmten Armory Show in New York aus.

 

Dreier steht mit Marcel und Suzanne Duchamp in einer freundschaftlichen Beziehung und fördert Suzannes künstlerisches Werk. In den USA organisiert sie für Suzanne Ausstellungen.

 

Mit >Marcel Duchamp und >Man Ray gründet Kathrine S. Dreier 1920 die Société Anonyme, die die Förderung der Modernen Kunst in den USA zum Ziel hat. Dreier verfolgt daneben ihren Lebenstraum, ein Museum für Moderne Kunst zu schaffen, das ihre eigene Sammlung mit jener der Société Anonyme vereint. Zu einem eigenen Museum reicht es schliesslich nicht, aber die beiden Sammlungen können der Yale University übergeben werden und finden so einen würdigen Platz.


 

Suzanne Duchamp (1889-1963). Sans titre (paysage), 1943. Collection of Scott C. Magid.

 

 

1939-1945: In Südfrankreich

 

Als die Deutschen im Juni 1940 Paris besetzen, zieht das Ehepaar Duchamp/Crotti nach Arcachon in die Nähe von Bordeaux, später dann in den unbesetzten Teil Frankreichs im Süden an die Côte d'Azur.

Duchamps Malerei konzentriert sich in dieser Phase vorwiegend auf Landschaften.

 

Ab 1945 ist Suzanne Duchamp auch Mitglied der «Union des Femmes Peintres et Sculpteurs». Ab diesem Zeitpunkt nimmt sie regelmässig an den Salons der Union teil und stellt dort Landschaften, Porträts und Blumenstillleben aus.


 

Suzanne Duchamp (1889-1963).
Jean Crotti à son chevalet, 1950. Collection privée.

 

1952: «Familienausstellung» in New York

 

«Duchamp frères & sœur» heisst die Ausstellung Oeuvres d'art in der Rose Fried Gallery in New York, die von Marcel Duchamp organisiert wird. In dieser werden Werke von ihm selbst, von seiner Schwester Suzanne Duchamp und von seinen Brüdern Jacques Villon und Raymond Duchamp-Villon gezeigt.


Suzanne Duchamp wird in dieser Zeit vor allem als Dada-Künstlerin geehrt. 1953 ist sie Teil von Dada in der Sidney Janis Gallery, New York, der ersten internationalen Überblicksausstellung der Dada-Bewegung, organisiert von Marcel Duchamp. Dann 1957 in der «L'Aventure Dada 1916-1922» in der Galerie de l'Institut in Paris.

 

 

Suzanne Duchamp (1889-1963). Le monde souterrain, 1961. Musée des Beaux-Arts de Rouen.

 

1958-1963: Letzte Werke und Tod

 

Am 30. Januar 1958 stirbt Jean Crotti, Suzannes Gatte, in Paris. Sie bleibt als Künstlerin aktiv – aber ihre Malerei verändert sich hin zur Abstraktion in der zeitgenössischen Kunst. Suzanne nimmt weiterhin an Gruppenausstellungen des Dadaismus teil, zum Beispiel in einer Bewegung im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, im Herbst 1958.

 

Im Sommer 1963 wird bei Suzanne Duchamp ein Gehirntumor diagnostiziert, an dem sie nur wenige Monate später im Alter von 74 Jahren in Neuilly-sur-Seine stirbt – am 11. September 1963. Sie vermacht ihr Atelier und die in ihrem Nachlass verbliebenen Kunstwerke ihrem Bruder Marcel Duchamp. Sie ist im Familiengrab der Duchamps auf dem Cimetière monumental de Rouen beigesetzt.

 

 

 

Ausstellung Suzanne Duchamp 2025
Kunsthaus Zürich

 

>mehr über Suzannes Bruder Marcel Duchamp