Man Ray (1890-1976)


Der heute weltberühmte US-amerikanische Fotograf
war viel mehr als das: Er war auch Maler, Objektkünstler, Filmemacher, Dadaist, Surrealist. Und verkehrte ab den 1920er-Jahren in Paris in den höchsten Künstlerkreisen. Als Fotograf wurde er hoch geschätzt und gefeiert – aber reich wurde er damit nicht. Erst nach seinem Tod waren seine Werke gesucht. Und seine Fotografien werden heute zu Millionen-Beträgen gehandelt.

 

 

Man Ray, 1934. Foto Carl Van Vechten.

Library of Congress, Washington.

 

 

Sein richtiger Name ist Emmanuel Radnitzky. Er
kommt als Sohn russisch-jüdischer Migranten 1890 in Philadelphia zur Welt. Sein Vater arbeitet zuhause als Schneider. 1897 zieht die Familie nach Brooklyn. Emmanuel beginnt schon als Siebenjähriger mit Buntstiftzeichnungen, was sein Vater nicht gerne sieht. Lieber hätte er es, wenn ihn sein Sohn bei seiner Arbeit unterstützen würde.

 

Dennoch darf Emmanuel später Kurse in Kunst und Technischem Zeichnen belegen. Nach dem Abschluss der High-School steht für ihn fest: Er will Künstler werden. Er schreibt sich an der National Academy of Design und der Art Students League in Manhattan, New York, ein.

 

1911 geht Man Ray – wie er sich jetzt nennt – an die Modern School of New Yorks Ferrer Center. Dann arbeitet er als Landkartenzeichner für einen Verlag in Manhattan.

 

Den Zugang zur Kunst bekommt er in Alfred Stieglitz’ berühmter «Galerie 291». Dort trifft er auf Werke von Rodin, Cézanne, Brancusi und Picasso. Die europäische Avantgarde fasziniert ihn. Er experimentiert mit dem Impressionismus, malt expressionistische Landschaften und futuristisch-kubistische Werke. An der berühmten New Yorker «Armory Show» von 1913 ist er von den europäischen Gemälden überwältigt. Ray sagt später dazu: «Ich habe sechs Monate nichts getan – so lange habe ich gebraucht, um zu verdauen, was ich gesehen hatte.»

 

1913 zieht er in eine Künstlerkolonie in Ridgefield, New Jersey, wo er der belgischen Dichterin Adon Lacroix begegnet. Die beiden heiraten noch im gleichen Jahr.

 

Ein Jahr später kauft er sich einen Fotoapparat, um seine eigenen Werke zu fotografieren. 1915 veröffentlicht er im «Ridgefield Gazook» dadaistische Texte seiner Frau und eigene Illustrationen. Seine erste Einzelausstellung hat er in der New Yorker Daniel Gallery, er kann aber nur sechs Gemälde verkaufen.

 

Dann trifft er auf >Marcel Duchamp, dessen Arbeiten ihn beeindrucken. Die beiden werden Freunde. Angeregt von dessen «Readymade»-Objekten betätigt er sich selbst auch als Objektkünstler. Von Duchamp erhält er einen wichtigen Impuls: Er solle sich doch intensiver mit Fotografie beschäftigen. Das tut er dann auch.

 

1920 hat Man Ray den Ruf eines Künstlers. Er stellt aber enttäuscht fest, dass New York kein guter Boden für den Dadaismus ist und entschliesst sich 1921, nach Paris zu ziehen.

 

In Paris lernt er >André Breton und Avantgardisten wie >Matisse>Mondrian, >Dalí>Ernst und >Miró kennen. Er malt viel, aber der Erfolg bleibt auch hier aus.

 

Nun beginnt er sich ernsthaft der Fotografie zu widmen. Vor allem mit der Aktfotografie, dann aber auch mit Porträts von Künstlern, Intellektuellen und Aristokraten. Mit seiner Fotografie feiert er nun Erfolge.

 

Als dann 1940 die Nazis in Paris einziehen, wird es für den Künstler mit jüdischen Wurzeln ungemütlich. Im August 1940 schifft er sich in Lissabon mit Ziel New York ein.

 

1946 heiratet er in Beverly Hils Juliet Browner – es ist eine Doppelhochzeit zusammen mit >Max Ernst und Dorothea Tanning. Ein Jahr später bekommt er eine frohe Botschaft aus Paris: sein Haus in Saint-Germain-en-Laye und ein Grossteil seiner Arbeiten sind vom Krieg verschont geblieben.


1948 richtet er in der Copley Gallery in Los Angeles noch eine Ausstellung aus, die ein grosses Ereignis wird – aber gleichzeitig das Ende seines Schaffens in Kalifornien. Der Künstler empfindet die Resonanz des Publikums in den USA für ungenügend. Also kehrt er 1951 wieder nach Paris zurück.

 

Im Mai 1951 bezieht er mit seiner Frau Juliet eine Pariser Studiowohnung. Er organisiert noch einige Ausstellungen und kann in den 60er-Jahren auch Stars wie Juliette Gréco oder Catherine Deneuve porträtieren – dennoch wird es langsam ruhiger um ihn.

 

Man Ray stirbt am 18. November 1976 in Paris. Er wird auf dem Cimetière Montparnasse beigesetzt.

 

Seine Frau Juliet Browner kümmert sich bis zu ihrem Tod 1991 um den Nachlass. Die von ihr gegründete Stiftung «Man Ray Trust» besitzt eine umfangreiche Sammlung von Originalarbeiten.

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Man Ray (1890-1976). Foto von Lee Miller,
seine Schülerin, Muse und Geliebte.

 

 

 

Man Ray (1890-1976). Departure of Summer, 1914. WikiArt.

 

Man Ray (1890-1976). Landscape, 1913. Smithsonian American Art Museum, Washinton.

 

 

Wenig Erfolg mit Gemälden...

 

Sein erklärtes Ziel, als Maler und Künstler anerkannt zu werden, schafft er zeitlebens nicht. Weder in New York noch in Paris. Weder seine dadaistischen Kunstobjekte noch seine Gemälde in zahllosen Stilen – vom Impressionismus über den Expressionismus bis zum Kubismus – finden eine Käuferschaft. Von den wenigen Werken, die er verkaufen kann, lässt sich das Leben nicht bestreiten.

 

...umso mehr mit der Fotografie

 

Auf Anraten des Surrealisten >Marcel Duchamp entschliesst er sich 1915, sich der Fotografie zu widmen. Definitiv in dieses Metier steigt er aber erst 1922 in Paris ein, als er dort in der Rue Campagne Première 31 sein eigenes Atelier eröffnen kann, in dem er seine Künstlerkollegen ablichtet: Picasso, Braque, Gris, Matisse und viele andere lassen sich von ihm porträtieren. Sein Pariser Studio mausert sich zu einem beliebten Treffpunkt von Malern und Intellektuellen.

 

 

Kiki de Montparnasse, 1922.

 

 

 

Le violon d'Ingres, 1924. J. Paul Getty Museum, Los Angeles und Sammlung Esther Grether.

 

Einstieg in die Aktfotografie

 

In einem Pariser Café lernt Man Ray 1922 jene Frau kennen, die schon vielen Künstlern Modell gestanden hat: Kiki de Montparnasse. Sie heisst bürgerlich Alice Prin und wird bald seine Muse und Geliebte, dann seine Lebensgefährtin bis 1926.

 

Le Violon d'Ingres

 

Mit Kiki de Montparnasse realisiert Man Ray 1924 sein wahrscheinlich berühmtestes Werk: Le Violon d'Ingres. Die Original-Fotografie zeigt den nackten Rücken Kikis, sie trägt einen Turban. Von der Fotografie erstellt Ray einen s/w-Abzug und malt auf diesen zwei f-Löcher eines Violoncellos, dann fotografiert er den Print ein zweites Mal.

 

«Violon d’Ingres» steht im Französischen auch für «Hobby». Die Idee für dieses Werk hat seinen Ursprung beim Maler >Jean-Auguste-Dominique Ingres. Dieser beschäftigt sich nicht nur mit Aktmalerei, sondern auch mit dem Spiel des Violoncellos. Also kombiniert Man Ray Ingres’ Gemälde >La Grande Baigneuse (Das Türkische Bad) mit den Violon-Signeten.

 

Im Mai 2022 erzielte die Foto bei einer Auktion bei Christie's 12.4 Mio Dollar und ist nun (2023) die teuerste Foto, die je versteigert wurde.

 

 

>mehr über die Fotografie Violon d'Ingres

 

 

 

Man Ray (1890-1976). Lee Miller.

 

 

 

Man Ray (1890-1976). Object to be destroyed, 1923.

 

 

 

Man Ray (1890-1976). A l'heure de l'obervatoire – Les amoureux, 1932-1934. WikiArt, FairUse.

 

 

Man Rays Begeisterung für Frauen

 

Nach eigenen Worten besucht er Kurse für Aktmalerei in Manhattan nur, weil «er eine nackte Frau sehen wollte». Im hohen Alter beantwortet er die Frage «Was beeindruckte Sie in Ihrem Leben am meisten?» so: «Ich denke, das waren die Frauen».

 

Verheiratet ist Man Ray von 1913 bis 1919 mit der belgischen Dichterin Adon Lacroix. Und dann ab 1946 bis zu seinem Tod mit Juliet Browner.

 

In seinem Künstlerleben spielen zwei Frauen bedeutende Rollen: Niki de Montparnasse (siehe oben) und das englische Fotomodell und spätere Kriegsfotografin Lee Miller (1907-1977). Lee will seine Schülerin werden. Dann wird sie sein Modell, es entsteht eine obsessiv-destruktive Liebesbeziehung, die sich in Man Rays Werk niederschlägt. Am Ende der etwa vierjährigen Beziehung entsteht sein berühmtes Kunstobjekt Object to be destroyed (1932). Es ist ein Metronom, versehen mit einer Fotografie von Lee Millers Auge. Am Ende der Beziehung haut der Künstler das Original in Stücke.

 

Berühmt ist auch Les Amoureux (1932-34). Das Gemälde eröffnet Spekulationen: Sind es «nur» Lippen? oder ist es eine symbolistische Vagina? oder sind es zwei Körper, die sich aneinander schmiegen und über einer Landschaft schweben? Gesichert ist nur: Es ist eine Hommage an Lee Miller. Letztlich scheitert die Beziehung der beiden. Lee Miller zieht 1932 nach New York und wird später eine berühmte Kriegsfotografin.

 

 

Man Ray (1890-1976). Le Violon d'Ingres, 1924.

 

Noire et Blanche, 1926.

 

Erotique voilée, 1933.

 

Unvorstellbare Millionenbeträge

 

Während der Künstler zu Lebzeiten darbt und vergeblich nach finanziellem Erfolg lechzt, gehen die Preise nach seinem Tod durch die Decke. Das sind die bisher (Stand 2023) teuersten Werke von Man Ray:

 

 

1. Im Mai 2022 erzielte Le Violon d'Ingres bei
einer Auktion bei Christie's im Rahmen der «Post-War Contemporary» 12.4 Mio Dollar und ist nun (2023) die teuerste Foto, die je versteigert wurde.

 

 

>mehr über «Le Violon d'Ingres»

 

 

2. Fotografie Noire et Blanche von 1926. Sie zeigt Man Rays Muse Lee Miller mit einer afrikanischen Stammesmaske. Ersteigert für 10.1 Mio Dollar bei Christie's New York, 2017. 


 

3. Fotografie Erotique Voilée, 1933. Das Bild zeigt die Schweizer Künstlerin >Meret Oppenheim.

Meret Oppenheim stand Man Ray 1933 Modell für eine ganze Fotoserie «Erotique voilée». Diese Version ging 2015 an einer Auktion bei Christie's New York für 4.5 Mio Dollar an einen unbekannten Sammler.

 

 

Man Ray (1890-1976). Porträt James Joyce, 1922. Museum of Modern Art New York.

 

Man Ray (1890-1976). Porträt Marquise Casati, 1922. Fotoquelle
>
artsy.net

 

 

Spezielle Porträts der Pariser Celebrity

 

Wer immer sein Pariser Atelier in der Rue Campagne Première 31 im Quartier Monparnasse betritt, wird von Man Ray abgelichtet – ob er es will oder nicht.

 

Sein neues Studio wird zu einem gesuchten Treffpunkt für Künstler und Schriftsteller. Man Ray lichtet sie alle ab. Vorab seine Malerkollegen, aber auch Literaten wie James Joyce oder Ernest Hemingway.

 

Eines seiner berühmtesten Bilder ist Marcel Proust auf dem Totenbett, den er auf Wunsch Cocteaus fotografiert.

 

Bald werden auch Pariser Aristokraten auf den amerikanischen Fotografen mit dem besonderen Blick für extravagante Porträts aufmerksam.

 

Manchmal produziert er «verrückte» oder verwackelte Bilder wie jenes der Marquise Casati mit den doppelten Augenpaaren, das zur Ikone Man Rays wird. Die Marquise soll ob des verwackelten Fotos so begeistert gewesen sein, dass sie Dutzende von Abzügen bestellte, die sie an ihren Bekanntenkreis verschickte.

 

Man Ray and Fashion. Ausstellung Musée Luxembourg Paris. Foto Jean-Pierre Dalbéra. WikiCommons.

 

Modefotografie

 

Nicht nur Künstler, Literaten und Aristokraten sind Kunden des zunehmend berühmten Fotografen. Auch Modezeitschriften wie Vogue oder Harper’s Bazaar entdecken ihn.

 

Ab 1930 fotografiert er regelmässig für diese zwei Periodika, so zum Beispiel die Modekollektionen von Coco Chanel oder Elsa Schiaparelli.

 

Seine Spezialität dabei sind surreal-traumhafte Arrangements. Dafür erfindet er neue Techniken wie Doppelbelichtungen oder Spiegelungen.

 

 

   

 

 
>Film Man Ray Documentary arte

 

 

 

Hochinteressantes Biopic über Man Ray

 

In diesem 55 Minuten dauernden und auf
YouTube abrufbaren Dokumentarfilm von ARTE lernt man den Amerikaner, der vorwiegend in Paris tätig war, fast persönlich kennen. Der Film enthält eine Reihe von Interviews mit Kennern der Szene und mit dem Künstler selbst. Und eine Menge spannender persönlicher Statements.